Dungeon Master’s Kit (v.4.0 Essentials)

Willkommen in der Welt von „Dungeons & Dragons“, einer Welt tapferer Helden, grausiger Ungeheuer, immenser Schätze – und natürlich in tiefer Dunkelheit liegender Verliese und hoch am Himmel kreisender Drachen. Damit all diese Wunder und Gefahren am Spieltisch „Wirklichkeit“ werden, bedarf es eines mutigen Spielleiters, zu gut Englisch des Dungeon Masters. All diesen Herren (und Damen), die über Gedeih und Verderb der Figuren ihrer Mitspieler entscheiden, gibt die „Dungeons & Dragons Essentials“-Reihe das „Dungeon Master’s Kit“ zur Hand.

von Frank Stein

Das „Dungeon Master’s Kit“ ist sozusagen das Gegenstück der beiden „Essentials“-Produkte „Heroes of the Fallen Lands“ und „Heroes of the Forgotten Kingdoms“. Während mit letzteren beiden die Spieler einer „D&D“-Runde ihre Helden erschaffen können, bietet die vorliegende Box alles, was man als Spielleiter braucht, um sich in die Welt der Abenteuer zu stürzen. Die stabile, etwa DIN-A4-große Box enthält nicht nur das „Dungeon Master’s Book“, in dem sich alle nötigen Regeln wiederfinden, sondern auch das zweiteilige Abenteuer „Reavers of Harkenwold“, zwei doppelseitige Spielpläne, einen Spielleiterschirm mit wichtigen Tabellen und drei Pappbögen mit Tokens, die Helden und Schurken des beigelegten Abenteuers enthalten. Einzig ein 20-seitiger Würfel fehlt und muss vor dem Spiel erworben werden.

Wir rollen den Inhalt von hinten auf: Die Hero & Monster Tokens entsprechen dem in der „Essentials“-Reihe gesetzten Standard, das heißt sie sind stabil, schön bunt und weisen auf der Rückseite jeweils einen roten Ring für den Zustand „bloodied“ auf. Die Tokens gehören noch zur ersten Generation. Sie besitzen also keine Kreaturennamen auf der Rückseite (wie in späteren Produkten eingeführt). Man sollte sich das Bild auf dem Spielmarker also stets genau anschauen und mit dem Eintrag im – hier – Abenteuer vergleichen, damit die jeweilige Figur durch den richtigen Marker repräsentiert wird (auch wenn das keinen Einfluss auf das Spiel hat).

Die beiden großformatigen Spielpläne weisen insgesamt sechs Schauplätze auf, die zu dem Abenteuer „Reavers of Harkenwold“ passen. Ein Großteil der dortigen Encounter wird dadurch abgedeckt. Leider nicht alle. Zur Not muss eine BattleMap aushelfen. Auch für eigene Abenteuer lassen sich die Höhle, das Gasthaus mit Stall, der Steinkreis am Wegesrand, der unheimliche Magierturm, die Gemüsefarm und die – nun ja – halbe Burg ganz gut verwenden, wobei vor allem bei der Burg ärgerlich ist, dass hier die andere Hälfte fehlt, denn so ein Burgplan hätte man für viele Abenteuer sicher gut mal gebrauchen können.

Der vierseitige, querformatige Spielleiterschirm zeigt auf der Vorderseite eine Ansammlung unheiliger Schrecken. Auf der Rückseite finden sich, wie sich das gehört, eine Menge hilfreicher Tabellen. Der Inhalt entspricht dem „Deluxe Dungeon Master’s Screen“ (auch hier beim Ringboten rezensiert), allerdings ist der Schirm nur aus dünner Pappe.

Das „Dungeon Master’s Book“ bietet im Wesentlichen die Regelhälfte des „Rules Companion“, die sich mit Spielleiteraufgaben beschäftigt, ergänzt um Anleitungen und Hilfestellungen für angehende Spielleiter. Konkret besteht das 272-seitige Taschenbuch aus sechs Kapiteln. Das erste Kapitel widmet sich den ganz grundlegenden Konzepten eines Rollenspiels. Im zweiten wird dem Leser die Welt von „D&D“ nähergebracht. Das beginnt bei allgemeinen Gedanken zum Thema Zivilisation und Wildnis, nähert sich über die Planes dem „D&D“-Kosmos an und erreicht dann über einen Abstecher zu Gottheiten und Sprachen das Nentir Vale, das bevorzugte Setting der „D&D Essentials“-Produkte.

Es mag etwas verwirren, aber im Gegensatz zu vielen anderen Rollenspielen bietet „D&D“ keine komplette Spielwelt an, sondern nur einzelne Schauplätze auf einer „weißen“ Landkarte, die von einer Spielrunde im Laufe der Abenteuer selbst entwickelt werden. So ist zwar bekannt, dass sich das Nentir Vale, eine Grenzland-Wildnis mit kleinen Siedlungen, hoch im Norden der „D&D“-Welt befindet. Aber was genau drumherum liegt, ist erstmal unbekannt soll (wobei das „D&D“-Brettspiel „Conquest of Nerath“ mit seiner Weltkarte, die oben in der Ecke auch das Nentir Vale samt Umgebung zeigt, dem eigentlich widerspricht). Das Nentir Vale ist leidlich gut beschrieben. Doch etwa über die Planes (Astral Sea, Elemental Chaos & Abyss, Fey Wild, Shadowfell) werden nur wenige Sätze verloren. Ohne zusätzliche Quellenbücher kann man damit so gut wie nichts anfangen.

Kapitel drei handelt dann vom konkreten Spielgeschehen. Wie erzählt man ein Abenteuer? Welche Informationen sollte man wie an die Spieler weitergeben? Wie sind die Werteblöcke von Monstern zu verstehen, wie die Infokästen von Powers? Wie werden Proben abgelegt? Und wie wird gereist? Diese und andere nützliche Spielleiterinformationen sind hier zusammengetragen. Das sich daran anschließende vierte Kapitel ist in epischer Breite dem Kampf gewidmet. Alle notwendigen Regeln – Angriffsarten, Geländemodifikatoren, mögliche Aktionen, Schaden, Heilung etc. – sind hier zusammengefasst. Das Kapitel entspricht fast eins-zu-eins dem des „Rules Companion“, wie auch andere Passagen des vorliegenden Buchs sich dort wiederfinden.

Kapitel fünf dreht sich in schöner Ausführlichkeit um das Entwickeln von Abenteuern. Wie sind Abenteuer aufgebaut? Wie sorgt man für ausgewogene Begegnungen? Wie funktioniert das mit dem Berechnen der Schwierigkeitsgrade? Wie läuft das mit den NSC? Und wie baue ich Gelände, Fallen, Wetterbedingungen und Skill Challenges in mein Abenteuer ein. Der umfangreiche Text ist fast etwas zu ausführlich für Rollenspieleinsteiger, wird aber immer wieder durch hilfreiche Beispiele aufgelockert. Veteranen bekommen vor allem ein Gefühl dafür, wie „mathematisch“ die Abenteuer von „D&D“ im Grunde aufgebaut sind. Definitiv kein gutes System für Leute, die lieber frei spielen, als jede Begegnung „vorauszuberechnen“.

Das sechste Kapitel geht dann auf Rewards ein. Hiermit sind XP ebenso gemeint, wie Schätze und magische Gegenstände. Etliche hilfreiche Tabellen und Rechenexempel machen es dem Spielleiter leicht, „angemessene“ Geschenke für bestandene Abenteuer zu verteilen. Doch einmal mehr beschleicht einen das Gefühl, dass Game Balance hier vor allem das korrekte Einsetzen von Level-Werten in eine Formel bedeutet. Ein netter Gimmick ist die Sammlung magischer Gegenstände, die am Ende nur in Werteblockform dargeboten werden. Bilder für die Stäbe, Ringe, Waffen etc. gibt es keine, auch die Beschreibung ist auf eine Zeile begrenzt.

„The Reavers of Harkenwold“ präsentiert sich als zweiteiliges Abenteuer, das eine Gruppe Level-2-Helden nach Harkenwold, eine Baronie im Südosten des Nentir Vale führt. Diese wurde von Söldnern des Iron Circle überrannt und ausgebeutet. Die Harkenwolder sind zähe Leute, aber sie brauchen Führung für eine Rebellion gegen die Unterdrücker. Die Helden scheinen genau die Richtigen für diesen Job zu sein. Im Folgenden dürfen sie in Robin-Hood-Manier den Söldnern schaden, eine Allianz mit potenziellen Verbündeten schließen und sich schließlich den Iron-Circle-Söldnern im offenen Kampf stellen.

Das Abenteuer ist ansatzweise modular aufgebaut. Man muss nicht alle Encounter durchspielen, um es zu schaffen. Die Spieler können auch zwei der drei „Eröffnungssalven“ gegen die Söldner ausfallen lassen, ohne dass ihnen im ersten Teil, genannt „The Iron Circle“, mehr als XP dabei verloren geht. Im zweiten Teil „The Die is Cast“ wird die Geschichte dann gradliniger. Die zwei Kämpfe um ein Dorf und eine Burg sind nicht zu vermeiden. Inhaltlich kommt das Ganze vielleicht nicht spektakulär komplex daher, aber die Geschichte ist solide und bietet deutlich mehr Möglichkeiten zum Rollenspiel als die einfache Aufforderung: „Geht in das Verließ und holt mir dieses oder jenes Artefakt“.

Sehr schön gelungen ist, dass auf den ersten elf Seiten zunächst das Abenteuer, dann die Schauplätze (samt hilfreichen Landkarten!) und schließlich die wichtigen Charaktere (leider ohne Porträt) kurz vorgestellt werden. So hat man als Spielleiter eine grobe Vorstellung vom Setting und dem Geschehen. Alles Weitere lässt sich gut mit der eigenen Fantasie füllen. Einzig verwirrend: Auf Seite 5 befindet sich das Abbild eines Skelettmagiers namens Yisarn, der im ganzen Abenteuer irgendwie keine Rolle spielt. Ich argwöhne, dass hier eine falsche Grafik eingesetzt wurde.

Fazit: Das „Dungeon Master’s Kit“ ist eine wirklich schöne Box, um in der Welt von „D&D“ durchzustarten. Natürlich macht der Kauf nur dann Sinn, wenn man nicht schon das „Rules Compendium“ und den „Deluxe Dungeon Master’s Screen“ sein Eigen nennt, denn dann wäre allein das Abenteuer samt Karten und Tokens wirklich neu. Als Gegenstück der beiden „Essentials“-Produkte „Heroes of the Fallen Lands“ und „Heroes of the Forgotten Kingdoms“ ist die Box jedoch jeder Spielgruppe zu empfehlen, die in diesen Tagen über einen Einstieg ins „D&D“-System nachdenkt. Komfortabler geht es kaum.


Dungeon Master’s Kit
Grundregelwerk
James Wyatt, Richard Bakery
Wizards of the Coast 2010
ISBN: 978-0-7869-5630-2
Box mit Regelbuch, Abenteuer, Spielleiterschirm, 2 Spielplänen und Spielmarkern
Preis: $ 39,99

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