DSA: Rabenerbe

Nach der Terror-Herrschaft zweier Granden und der Rettung Al?Anfas durch General Oderin du Metuant war es die letzten Jahre ruhig um die Pestbeule des Südens. Der General sorgte für Ordnung und übernahm die Macht. Die reichen Granden jedoch spannen heimlich weiter Intrigen und schmiedeten Pläne, um selber wieder die Macht zu übernehmen. Als jetzt der General einen Feldzug zu Ehren Borons für Al?Anfas Ruhm plant, versucht ein geheimer Bund, seine eigenen Pläne umzusetzen, die für den General nichts Gutes bedeuten.

von Ansgar Imme

Die „DSA“-Romane wurden die letzten Jahre eher spärlich mit Veröffentlichungen bedacht. Im Zuge der neuen fünften Edition soll für den Süden und vor allem Al?Anfa eine größere Kampagne veröffentlicht werden, für die der Roman-Zweiteiler „Rabenerbe“ und „Rabenbund“ den Auftakt bildet. Als Autorin konnte die Al?Anfa-Expertin Heike Wolf gewonnen werden, die neben der Mitarbeit an einigen Spielhilfen und der Veröffentlichung mehrerer Anthologie-Abenteuer vor allem für die Mitarbeit an der alten Al?Anfa-Spielhilfe und die Fortführung der Geschichte der Stadt verantwortlich war sowie auch den Großteil ihrer Abenteuer in der bekannten Sklavenhalter-Stadt spielen ließ. Ihre bekannteste Veröffentlichung ist der hochgelobte Kampagnenband „Rabenblut“, der sozusagen die Vorgeschichte und damit Basis der Romane bildet.

Zum Inhalt

Als die Granden Irschan Perval und Aurelian Bonareth ihre Scheckensherrschaft ausübten, kehrte der Schwarze General Oderin du Metuant zurück und rettete Al?Anfa. Nach Jahren der Befriedung plant er nun zu Ehren des Götterfürsten Boron einen Feldzug gegen das Kemi-Reich. Es fehlt nur der Segen der Boron-Kirche. Doch der Patriarch Amir Honak schweigt und reagiert nicht auf Oderins Boten. Und so sammeln sich die Truppen und Flotte untätig vor den Toren und im Hafen der Stadt, und Unruhe verbreitet sich unter diesen sowie den Bewohnern Al?Anfas.

Zu dieser Zeit kehrt Esmeraldo Paligan, ein Großneffe des Oberhaupts des Hauses von Goldo dem Großartigen, aus der Freibeuterstadt Sylla zurück und soll im Rat des Schwarzen Generals militärische Belange übernehmen. Er zeigt sich schnell skrupellos und auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Einerseits erhofft er sich, auf lange Zeit die Position des Generals zu nehmen, andererseits spielt er mit dem Feuer und schließt sich einem geheimen Bund an, welcher düstere Pläne in der Stadt des Todesgottes hegt.

Doch auch Shantalla Karinor, die Patriarchin des gleichnamigen Hauses und eine der schönsten Frauen Al?Anfas schmiedet Pläne und spielt mit allen Seiten. Steht sie auf Seiten des Generals oder will sie ebenso dem dunklen Bund beitreten, um ihre Macht in der Stadt zu erweitern?

Esmaeraldos Vetter Amato Paligan, ein weiterer Großneffe Goldos, sitzt bereits im Rat des Generals. Von Goldo in den einst herrschenden Rat der Zwölf gebracht, überlebte er die Rückkehr des Generals und wird von diesem für seine guten Beziehungen zum Patriarchen der Boronkirche Amir Honak geschätzt. Doch Amato weiß nicht wirklich, was er bewirken soll und fühlt sich verloren, da er seine große Liebe aufgeben musste. Und so kümmert sich Amato mehr um sein Amt als Meister der Arena und um seine eigenen Gladiatoren, da er sich nicht gebraucht fühlt. Im Gegensatz zu seinem Vetter ist Amato für einen Al?Anfaner Granden eher mitfühlend und um anderer Sorgen bedacht, was ihn schnell in Bedrängnis bringt.

Als die Granden-Familie Bonareth ein rauschendes Fest gibt, dort jedoch mit Said Bonareth ein verschollen geglaubter Sohn des einstigen Terrorherrschers Aurealian auftaucht und nach seinem angestammten Platz im Hause Bonareth verlangt, setzt dies Ereignisse in Gang und droht die Stadt ins Chaos zu stürzen.

Dunkle Wolken…

… liegen nur über der Stadt, nicht jedoch über dem Roman. Auch wenn natürlich ein erster Band nur den Auftakt bilden kann und die Figuren in Stellung bringt, Handlungen antreibt oder verschiedene Handlungsfäden setzt, so schürt der Auftakt doch genügend Spannung. Mit genau dem richtigen Tempo vermag Heike Wolf den Leser nach und nach in das Geschehen um die Stadt und Granden zu verwickeln. Dabei passiert vom großen Handlungsbogen her eigentlich noch gar nicht so viel: Verschiedene Charaktere werden vorgestellt, ihre Hintergründe und Pläne erläutert, sie treffen aufeinander … und der Todesgott Boron schweigt. Hatte man zunächst vermutet, dass es in dem Roman um den Kriegszug Al?Anfas geht, stellt sich schnell heraus, dass das Beziehungsgeflecht verschiedener Personen- und Interessengruppen in den Vordergrund rückt. Und auch wenn der Kriegszug ruht, so bewegt sich doch einiges zwischen den Charakteren, die Bündnisse schmieden und auch wieder brechen sowie Feindschaften pflegen, wie man es nur in Al?Anfa kann.

Der Leser folgt den insgesamt sechs Charakteren und Handlungsperspektiven und wird oft genauso im Dunkeln gelassen wie diese. Und obwohl es vor allem um die Belange der Figuren und deren Pläne geht, tritt der Roman nie auf der Stelle. Ständig passiert etwas, und wenn es nur kleine Informationsbrocken sind, die den Charakter und Leser wieder etwas voranbringen, aber doch nicht zu viel verraten. Die Protagonisten wechseln die Orte, lernen neue Freunde und Feinde kennen, sodass stets etwas Neues auf den Leser wartet.

Gleichzeitig hat Heike Wolf die verschiedenen Personen so interessant und unterschiedlich gezeichnet, dass man mit ihnen leiden, andere aber auch einfach abgrundtief verachten und hassen kann. Beim Granden Amato findet sich zwar an einigen Stellen recht viel Selbstmitleid und beim Sklaven und Grandensohn Said oft viel Selbstgerechtigkeit, aber es bewegt sich noch im Rahmen, dass es bei den beiden nachvollziehbar ist, zudem sie nach und nach eine Wandlung durchmachen. Bei anderen Charakteren zeigt Heike Wolf aber auch deutlich, wie es in Al?Anfa zugeht, wenn die Granden überhaupt keine Rücksicht auf Schicksal von Liebhabern oder Sklaven nehmen und Gewalt oder Brutalität einfach zum normalen Tagesablauf gehört. Und selbst die Nebenfiguren sind gut getroffen, auch wenn sie durch das seltenere Auftauchen keine so tiefgehende Beschreibung erfahren können. Wer Al?Anfa und seine Hintergründe aus dem Rollenspiel genauer kennt, freut sich zudem, auf viele bekannte Figuren zu treffen und deren weitere Schicksale zu erleben.

Neben den interessanten Charakteren ist die große Stärke des Romans gerade die Authenzität der Sklavenhalterstadt und des Molochs A?Anfa. Die Autorin geht – oft in Nebensätzen oder Einschüben – ganz natürlich auf die Zustände ein und beschreibt Orgien, Rauschkrautgebrauch, das Leid der Armen, die Not von Sklaven oder den Dreck und die Enge unter der Arena Al?Anfas. Man merkt einfach, dass Heike Wolf sich in Al?Anfa „auskennt“ und dies dem Leser ungezwungen näher bringen kann. Sowohl Beschreibungen der Stadtteile, als auch der Menschen, der Stimmungen und des normalen Lebens sind einfach gelungen und tragen zum Flair der Geschichte bei. Sie lassen den Leser tief eintauchen und erkennen, wie es sich in der Boronstadt lebt. Dabei scheut sich die Autorin auch nicht, auf die Abgründe und Gewalt einzugehen, ohne dies aber ausufernd auszuwälzen. Die gesamte Beschreibung der Stadt bleibt einfach stimmig.

Fazit: Mit „Rabenerbe“ als ersten Roman zum Al?Anfa-Zweiteiler hat Heike Wolf einen packenden Auftakt voller Flair geschaffen, in dem sich die Charaktere wie in einer Schlangengrube bewegen. Das Schicksal keiner der Figuren scheint gewiss, was für spannende Momente sorgt. Mit Gladiatoren, düsteren Armengegenden, Sklaven und ihrem Schicksal oder Orgien unter den Granden wird dazu ein toller Hintergrund geboten. Absolut empfehlenswert!

DSA: Rabenerbe

Rollenspiel-Roman
Heike Wolf
Ulisses 2017
ISBN: 3957526515
400 S., Taschenbuch, deutsch
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