DSA 117: Kamaluqs Schlund

Elanora von Wilderklamm, jüngster Spross des Koscher Junkers zu Wilderklamm und überdies einzige Tochter des Landadligen, wartet in den heimischen Hallen auf die Rückkehr ihres Vaters und der beiden Brüder. Diese sind bereits Monate zuvor in den meridianischen Dschungel in Südaventurien aufgebrochen, haben jedoch keinerlei Lebenszeichen von sich gegeben. Als all das Warten vergebens scheint, und ein neidischer Konkurrent sich des Lehens sowie am liebsten auch Elanoras bemächtigen will, fast die junge Koscherin einen Entschluss: Sie wird ihre Familie persönlich im Dschungel suchen!

von Henning Mützlitz

 

Inhalt

Um den Vater, der bereits zeitlebens als Abenteurer in den unbekannten Regionen des Kontinents unterwegs gewesen ist, zu finden, bedarf es jedoch größerer Anstrengungen, als die naive Junkerstochter zunächst gedacht hätte. In Gareth erfährt sie, dass ihm die Unterstützung bei der Suche nach einem Geheimnis, das er als „Kamaluqs Schlund“ bezeichnet habe, aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten verwehrt worden sei. Dennoch sei er zunächst nach Chorhop aufgebrochen, um von dort auf eigene Faust oder mit Hilfe weiterer Unterstützer in die dampfenden Wälder des Regengebirges aufzubrechen.

Elanora, die es selbst kaum erwarten kann, endlich etwas von den unbekannten Geheimnissen Aventuriens und speziell des Dschungels zu entdecken, wirft sich also in ein Reisekleid, packt alles zusammen, was sie für notwendig erachtet, und fährt kurzerhand ebenfalls nach Chorhop. Im askanischen Mekka des Glückspiels läuft sie jedoch erneut in eine Sackgasse. Auf der Suche nach Begleitern und Unterstützern gerät sie in die Fänge eines windigen Kaufmanns, prügelt sich mit einer Kneipenbesitzerin und tut darüber hinaus alles, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erregen.

Dabei sind ihr die Häscher des Koscher Konkurrenten Jakus Halminger längst auf den Fersen, um zu verhindern, dass sie ihre Familie findet. Tatsächlich gelingt es Halmingers Schergen Rank Fuxfell während der Irrungen und Wirrungen in Chrorhop, sich in Elanoras Reisegemeinschaft einzuschleichen. So bricht die Koscherin in das askanische Hinterland auf, zusammen mit einem illustren Haufen Leibwächter und Träger, die alle ihre eigenen Pläne uns Ziele verfolgen. Damit gerät das Ziel der abenteuerlustigen Adligen, ihren Vater zu finden und das Geheimnis von Kamaluqs Schlund zu ergründen, in große Gefahr.

Im Reisekleid durch den Dschungel

Stefan Schweikert, dem es bereits 2008 vergönnt war, den Jubiläumsband der „DSA“-Reihe (Band 100 „Über den Dächern Gareths“) zu veröffentlichen, legt mit „Kamaluqs Schlund“ eine Geschichte vor, die für einen „DSA“-Roman etwas ungewöhnlich erscheint. Als Vorbild für die Koscher Junkerstochter hat er sich nämlich die britische Abenteurerin Mary Kingsley ausgesucht, die im 19. Jahrhundert weite Teile des damals weitgehend unbekannten Afrika erkundete. Mit einigen Abwandlungen versucht er, deren Geschichte nach Aventurien zu adaptieren. Das gelingt jedoch nur teilweise.

Zu Beginn wird noch ein recht stimmiges Bild der Adelstochter aus dem als gemütlich-rückständig verschrienen Fürstentum Kosch gezeichnet: Kaum volljährig ist die junge Frau hin- und hergerissen zwischen Jugend und Erwachsensein, Abenteuerlust und Heimatverbundenheit, Träumen von eigener Familie und dem Verlangen nach erotischen Abenteuern. Als die gesamte Existenz derer von Wilderklamm bedroht ist, ist sie gezwungen, alles auf eine Karte zu setzen: Sie zieht in die Welt hinaus, naiv und völlig unvorbereitet.

Bis die edle Dame in Chorhop ankommt, funktioniert die Geschichte eigentlich ganz gut: Die Heldin ist durchaus sympathisch, wenngleich oft mit einem Augenzwinkern, charakterisiert worden, der Antagonist, obwohl aus der 08/15-Kiste gefischt, schürt eine reale Gefahr, und man fragt sich, was nun hinter dem Verschwinden des Vaters und der Brüder steckt. In der askanischen Hafenstadt büßt die Story aber dann eindeutig an Drive ein: Der Autor verliert sich hier über Dutzende Seiten in Nebenhandlungen mit einer Unzahl von Nebenfiguren, was die Lesemotivation enorm sinken lässt, weil die eigentliche Geschichte kaum mehr vorankommt. Hier tritt zudem ein weiteres Manko zutage: Außer Elanora schafft es keine andere Figur, das Interesse des Lesers zu wecken. Man verharrt ihnen gegenüber in einem Verhältnis der Gleichgültigkeit, egal, ob sie der Protagonistin freundlich oder feindlich gesinnt sind.

Auch Elanora verliert im Laufe des Buches an Glaubwürdigkeit: Das prinzipielle Beharren an ihrem in der Wildnis völlig ungeeigneten Reisekleid ist beispielsweise zu Beginn als Bild noch recht amüsant, verliert aber in Anbetracht aller Umstände, die dieses Kleidungsstück mit sich bringt, an Realitätsbezug. Da hilft es auch nicht, dass nur das Kleid die Junkerstochter davor bewahrt, in einer Fallgrube von Pfählen aufgespießt zu werden. So sympathisch und liebevoll die Junkerstochter auch gezeichnet ist, täuscht sie dennoch nicht darüber hinweg, dass sich die Problematik, der sich eine junge Frau im England des 19. Jahrhunderts gegenübergesehen hat, nicht einfach auf Aventurien übertragen lässt: Die klare Rollenverteilung und die Bigotterie, mit der Schweikert immer wieder kokettiert, ist in Aventurien, wo (bis auf in manchen Kulturen) Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht, etwas fehl am Platz.

Im Gegensatz dazu gelingt es dem Autor, die Stimmung und Bedrohung des Dschungels anschaulich zu verdeutlichen. Dass nicht nur Gefahren durch wildes Großgetier und kannibalische Waldmenschenstämme drohen, sondern der Tod oft im Kleinen lauert, mag manchem Spielleiter schöne Anregungen geben, wie er seine Heldengruppe im Dschungel quälen kann. Wo zuvor ein wenig der Drive gefehlt hat, nimmt auch die Handlung im letzten Drittel des Romans wieder Fahrt auf, und einige überraschende Wendungen lassen durchaus noch einmal Spannung aufkommen.

Zur Ausstattung

Wie von der „DSA“-Romanreihe gewohnt, kommt „Kamaluqs Schlund“ im Taschenbuchformat mit Hochglanzeinband. Druck- und Papierqualität lassen nichts zu wünschen übrig. Das Coverbild von Arnd Drechsler fängt das Setting stimmungsvoll ein und trifft in seiner Darstellung die Hauptfigur recht gut. Ein ausführliches Glossar hilft auch dem „DSA“-Einsteiger.

Fazit: „Kamaluqs Schlund“ bietet mit seiner Handlung etwas abseits ausgetretener Pfade eine nette Idee und mit Elanora von Wilderklamm eine sympathische Hauptfigur. Die Schwierigkeiten bei der Einbettung in den aventurischen Hintergund, vor allem aber die Schwächen in der Storyline, die dem Leser leider immer wieder erhebliche Geduld abverlangt, hinterlassen aber nur einen durchwachsenen Eindruck.


Kamaluqs Schlund (DSA-Roman Nr. 117)
Rollenspiel-Roman
Stefan Schweikert
Fantasy Productions 2010
ISBN: 978-3-89064-137-9
416 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 10,00

bei amazon.de bestellen