Die Toten im Schnee

Und schon wieder eine Tote. Mittlerweile sieht der alte Burgkastellan Dubric fast schon mehr Geister als Lebende. Er muss sich also etwas einfallen lassen, damit nicht noch mehr Unschuldige ermordet werden. Gibt es zwischen allen Ermordeten einen Zusammenhang? Und wieso passt sein Hauptverdächtiger so gut ins Bild?

von Lars Jeske

Es gibt einfach zu viele Bücher. – Leichter kann man es vermutlich nicht erklären, dass das Debüt von Tamara Siler Jones jetzt erst den Weg nach Deutschland fand. Im amerikanischen Original erschien „Ghosts in the Snow“ bereits 2004 und gewann einen Preis namens „Compton-Crook-Award“. Dennoch vergingen fast zehn Jahre, bevor dieser Fantasy-Roman von Bastei Lübbe unter dem Titel „Die Toten im Schnee“ die deutsche Erstveröffentlichung erfuhr. Dabei ist der Einstieg in die Story sehr interessant: Alles beginnt mit dem Mord an zwei Dienstmägden und der zum Glück nicht ausufernden Beschreibung des Settings, der Zeit und dem Drumherum. Schnell stapeln sich jedoch die Leichen und der einzig plausible Verdächtige hat ein Alibi und wirkt zudem vertrauenswürdig. Nicht nur, weil er der Enkel des Königs ist.

Auf dem deutschen Einband steht etwas von High Fantasy; das trägt aber etwas dick auf. Ja, es gibt das gewohnt historische Setting eines mittelalterlich angehauchten Ambientes. Also als Hintergrund Burgen, Adel und hierbei die Sicht des Burgkastellans Dubric Byerly auf alle Geschehnisse. Das einzig „phantastische“ beziehungsweise paranormale in dieser Story ist der Umstand, dass der Protagonist Geister sehen kann oder besser sieht, ob er will oder nicht. Dies geschieht schon seit Jahrzehnten, aber er hat mittlerweile herausgefunden, dass diese wieder verschwinden, wenn der Gerechtigkeit Genüge getan wird und er die Morde an ihnen aufklären konnte. Denn er sieht nicht irgendwelche Geister, sondern die von jüngst verstorbenen Opfern von Gewaltverbrechen. Somit obliegt es dem Kastellan Dubric herauszufinden, wer auch hinter der aktuellen Serie steckt.

Somit klingt „Die Toten im Schnee“ etwas nach „Der Name der Rose“. Ähnlich wie es William von Baskerville seinerzeit in der italienischen Benedikterabtei in Umberto Ecos Roman tat, muss bei „Die Toten im Schnee“ der Protagonist sein ganzes kriminalistisches Gespür und strategisches Talent einsetzen, um diesen kniffligen Fall zu lösen. „Die Toten im Schnee“ ist dabei solides Handwerk der Kategorie „Crime & Suspense“ mit einem Schuss Mystery. Die Autorin selber nennt das Genre „forensische Fantasy“. Kein Wunder, war vor ca. zehn Jahren (als der Roman erschien) gerade der kommerzielle Fokus auf TV-Serien wie „C.S.I.“ und „Cold Case“ gerichtet.

Als Setting wurde die standardisierte mittelalterliche Welt gewählt, die so oft als cineastischer Hintergrund herhalten muss. Während die Charaktere überwiegend gut ausformuliert sind und glaubwürdig erscheinen, fehlt der Story an sich etwas. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Geister leider nichts Positives beitragen oder der Geschichte einen speziellen Drive geben. Erst gegen Ende hin interagieren sie überhaupt mit der realen Welt und selbst dabei bleiben deren Beweggründe im Dunkeln oder unverständlich. Warum dem so ist weiß keiner. Ebenso wird sehr oft darauf verwiesen, dass Dubric so lange nicht schlafen kann, bis der Fall gelöst ist. Dies ist hier nicht nur symbolisch gemeint. Dass er somit mehrere Wochen wach ist, ist relativ unglaubwürdig und warum dies so sein muss, steht auch in den Sternen. Eine logische Begründung oder etwas ähnlich Nachvollziehbares hätte der Geschichte gut getan. Das Buch ist dadurch nicht direkt langweilig, aber ein bisschen Effet fehlt, um herausragend zu sein. Oder liegt es daran, dass das Buch schon zehn Jahre alt ist? Ich würde es aus diesen und anderen Gründen nicht noch einmal lesen.

Fazit: „Die Toten im Schnee“ klingt wie ein skandinavischer Titel, ist jedoch ein einfaches „C.S.I.“ im vorrangig mittelalterlichen Setting. Der Chefermittler kann die zu Tode Gekommenen sehen, was ihm jedoch nicht bei der Lösung des Falls hilft. Eine Interaktion oder Kommunikation im Stil von „Six Feet Under“ fehlt gänzlich. Der Leser hat während der Geschichte nicht mehr Informationen als der Ermittler, darf also mitraten und sich den Ermittlungen anschließen. Dies ist per se nicht schlecht. Leider ist die Story dabei etwas unentschieden (und ich fühlte mich an eine Stelle des Filmes „Eine Leiche zum Dessert“ erinnert). Auf den letzten paar Seiten werden noch schnell Personen eingeführt und eine Story drum herum erfunden, um den Schein der Plausibilität zu wahren. Dieser wird leider nicht erreicht. Der Roman ist okay, wenn gerade nichts anderes zur Hand ist, ich hatte mir ob des Teasers auf der Buchrückseite jedoch mehr versprochen.


Die Toten im Schnee
Fantasy-Roman
Tamara Siler Jones
Bastei Lübbe 2014
ISBN: 9783404207817
518 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,99

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