Die Merlin Saga

Wer kennt ihn nicht, den Vater aller Zauberer, den großen, weisen Merlin? Den Magier, der allerdings immer ein wenig im Schatten zu stehen schien von König Artus, dem sagenhaften König von Britannien. Der amerikanische Autor T. A. Barron hat Merlin aus diesem Schatten geholt und ihm eine Vorgeschichte angedichtet. Über fünf Romane erstreckt sich diese Geschichte über die Kindheit und Jugendzeit des später mächtigen Zauberers. Die fünf zugehörigen Hörbücher sind nun in einer Sammelbox erhältlich.

von Simon Ofenloch

In den Jahren 1996 bis 2000 veröffentlichte Thomas Archibald Barron „Die Merlin Saga“. In fünf Teilen erfand der amerikanische Schriftsteller die Kindheit und Jugendzeit des berühmten Zauberers. Zwischen März 2004 und Mai 2007 erschienen bei „Der Hörverlag“ die fünf jeweils vier CDs umfassenden Hörbücher „Merlin Wie alles begann“, „Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit“, „Merlin und die Feuerproben“, „Merlin und der Zauberspiegel“ und „Merlin und die Flügel der Freiheit“. Seit November 2008 gibt es das Großwerk als akustische Komplett-Edition.

Alles beginnt reichlich nebulös: Ein Junge erwacht an einem fremden Gestade. Verletzt, ohne Erinnerung und verwirrt trifft der Gestrandete bald auf eine Gefährtin: eine Frau namens Branwen, die behauptet, seine Mutter zu sein. Doch Emrys – so nennt Branwen den Jungen – misstraut den Worten der Frau und verlässt sie nach einiger Zeit, um auf eigene Faust seine Heimat und seine Bestimmung zu finden.

Sein Weg führt ihn nach Fincayra, auf eine sagenumwobene Insel, die zwischen der wirklichen Welt und der sogenannten „Anderswelt“ liegen soll. Dort fühlt er sich heimisch. Er begegnet einigen Ansässigen und findet Freunde. Doch Fincayras glückliche Zukunft ist bedroht von Rhita Gawr, einem Dämonengott, der nicht nur dem Jungen nach dem Leben trachtet, sondern auch dem guten Geist Dagda.

In allen fünf Werken muss sich Merlin – diesen Namen nimmt der Junge als seinen „wahren“ am Ende des ersten Buches an – mit Rhita Gawr, dem mächtigen, bösen Kriegsherrn, auseinandersetzen. Der Kampf gegen das Böse verlangt ihm viel ab und konfrontiert ihn mit zahlreichen Überraschungen, guten wie schlechten. Er verliert sein Augenlicht, lernt nach und nach seine magischen Kräfte kennen und nutzen, trifft auf seinen Vater, der sich als Gegner entpuppt, muss gegen Goblins, Drachen und andere Monsterwesen kämpfen und es mit immer wieder neuen Verbündeten und Vasallen von Rhita Gawr aufnehmen. Unterwegs lernt er Freunde und Gefährten kennen, die er eins ums andere Mal aus Gefahren retten muss.

T. A. Barron füllt eine Leerstelle, indem er von Merlins Erwachsenwerden berichtet. Dieser Stoff ist weitgehend ungeprägt. Das wenige, was aus unterschiedlichen (Sagen-)Quellen darüber bekannt ist, blendet Barron überdies aus und erfindet seine ganz eigene Geschichte mit der bekannten Figur. Und selbst diese wird im Prinzip neu erfunden: Das bekannte Bild des weisen, über allem erhabenen Zauberers wird von Barron nicht gezeichnet. Seine Erzählungen handeln von einem Jungen, der erst zu sich selbst finden muss, sich mit seinem Schicksal und der Bestimmung zum mächtigen Zauberer – und der damit einhergehenden Verantwortung – anfreunden muss. Und auch seine besonderen Fähigkeiten muss er erst kennen und beherrschen lernen.

Barrons Ansatz, hinter der sagenumwobenen Gestalt des mächtigsten Zauberers aller Zeiten das Kind und den Jugendlichen, den Lehrling, den Unwissenden und Zweifelnden aufzuspüren, ist mutig und originell. Die mythenreiche Figur wird dadurch menschlicher, greifbarer, faszinierend und fesselnd. Wie die gesamte epische Saga, die in Teilen zwar Storystereotypen vorführt, die man auch aus anderen Fantasygeschichten wie den „Taran“-Abenteuern – auch bekannt als „Die Chroniken von Prydain“ – von Lloyd Alexander, Christopher Paolinis „Eragon“-Geschichten oder gar dem mehrteiligen Science Fiction-Märchen „Star Wars“ kennt, aber dennoch einen ganz eigenen Kosmos aufbaut mit Riesen, Naturwesen, Drachen, Hexen, Dämonen, Goblins und Riesenspinnen.

Und insbesondere dem Sprecher Stefan Wilkening gelingt es, diesem Kosmos auf den Hörbüchern zusätzliches Leben einzuhauchen. Mit unterschiedlichen Stimmlagen und sprachlichen Ausdrucksformen gestaltet er verschiedene auftretende Wesen ganz individuell. Die Grenzen zum Hörspiel verwischen. Beim ersten Teil gibt es noch einen zweiten Sprecher, Kai Taschner, der zusammenfassende Einschübe erzählt. Ab dem zweiten CD-Set spricht Stefan Wilkening alleine.

Es ist ein tolles, ansprechendes Paket, das „Der Hörverlag“ da geschnürt hat. Denn auch wenn jede einzelne Folge einem ganz individuellen Rhythmus folgt und jeweils ein eigenes Ende findet, ist doch der große Erzählbogen, der sich über alle fünf Geschichten erstreckt, nun in einem Zug erfahrbar. Eine kluge Entscheidung war auch, die Cover der einzelnen CD-Boxen neu zu gestalten. Sie wirken nun weniger verspielt als die früheren, irgendwie reifer als jene zu den Einzelveröffentlichungen. Und weniger auf ein ausschließlich junges Publikum zugeschnitten.

Fazit: Auf Artus und die Ritter der Tafelrunde wartet man vergebens. Erzählt wird die fiktive Geschichte von Merlins Kindheit und Jugend. Eine fantastische Coming of Age-Geschichte, die gekonnt mit keltischer Mythologie spielt. Ein originelles Hirngespinst, als Hörbuch(-reihe) überzeugend umgesetzt. Und in der Sammelbox preislich ein echtes Angebot.


Die Merlin Saga
Gekürzte Lesung nach Romanen von T. A. Barron
Stefan Wilkening, Kai Taschner (Erzähler)
Der Hörverlag 2008
ISBN: 978-3-86717-304-9
20 CDs, ca. 1.504 min., deutsch
Preis: EUR 29,99

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