Die drei Sonnen (Trisolaris-Trilogie 1)

Schon bald soll eine Verfilmung dieses Romans unter dem Namen „3 Body Problem”, also dem englischen Titel des Buches, auf Netflix erscheinen. Bis dahin ist jedoch noch genug Zeit, sich dem Roman zu widmen und wenigstens einen Teil der chinesischen Denkweise hinter der Geschichte aufzusaugen, bevor man sich der vermeintlich amerikanisch durchgespülten Version im eigenen Wohnzimmer-Kino widmet.

von KaiM

Für einen Sci-Fi-Roman eher ungewöhnlich, beginnt diese Geschichte mitten in der chinesischen Kulturrevolution 1967. Für jemanden wie mich ein sehr wichtiger Auftakt, damit ich überhaupt verstehe, wie es zu den Entwicklungen kommt, die auf den folgenden 150 Seiten beschrieben werden. Die Stellung der Wissenschaft und damit einer der Hauptpersonen dieses ersten Teils einer Trilogie wäre für mich ohne diese Einleitung und die erklärenden Worte kaum zugänglich gewesen.

Beim Thema „erklärende Worte“ sei mir ein kleiner Einschub gestattet, denn in dieser Hinsicht ist der Roman wirklich vorbildlich. Das Namensverzeichnis auf den ersten Seiten kommt sehr gelegen. Ohnehin ist den vielen verschiedenen Charakteren und Handlungssträngen nicht immer ganz leicht zu folgen, aber die chinesischen Namen erschweren die Situation noch einmal beträchtlich. Das kleine Register leistet zur Orientierung immer wieder gute Dienste. Zudem gibt es mehrere Anhänge, die das Lesen unterstützen. Ein eigenes kurzes Kapitel geht auf chinesische Schriftzeichen, die Schreibweise und die Aussprache ein. Natürlich kann es sich hier nur um eine kurze Einführung handeln, aber trotzdem ist das Kapitel sehr interessant. Vor allem aber die Erläuterungen zum Text, die auf fast dreißig Seiten zusammengefasst sind, haben großen Mehrwert. Statt in kurzen Fußnoten, werden hier Begriffe aus der Wissenschaft, reale Personen und Orte und sogar Sprichwörter erläutert. Jeweils mit der Seitenzahl, wo ein Begriff oder Phrase aufgetaucht ist, kann man immer mal wieder im Anhang nachschlagen, um ein paar Zusatzinformationen zu bekommen. Wirklich hilfreich daran finde ich auch, dass man auf diese Weise eine gute Einordnung von Fiktion und realen Anteilen der Erzählung machen kann. Hier hat sich der Autor wirklich Mühe gegeben, was wirklich eine tolle Ergänzung zum Roman darstellt.

Nun aber genug des Einschubs, es soll hier schließlich nicht nur um das Beiwerk gehen, sondern auch um den Roman. Natürlich spielt ein Science-Fiction-Roman nicht ausschließlich in der Vergangenheit. Auch wenn auf den ersten Seiten die Ereignisse ihre großen, schweren Schatten vorauswerfen, wechseln wir doch relativ schnell in die Gegenwart. Dort übernimmt der Forscher Wang Miao die Hauptrolle. Seltsame Botschaften erreichen ihn, und er wird Zeuge von Ereignissen, die zwar globale Auswirkungen haben, aber zunächst fast allen Menschen verborgen bleiben. Zudem bekommt er Zugang zu einem Virtual-Reality-Computerspiel, das sein Vorstellungsvermögen bei Weitem übertrifft. Dort taucht er ein in die Welt der drei Sonnen und erlebt das „3 Body Problem“ am eigenen Leib. Begleitet wird er dabei unter anderem von dem überaus unsympatischen Polizisten Da Shi, der mit seiner Art einen krassen Gegenpol zu dem überforderten Wissenschaftler darstellt. Gemeinsam kommen sie dem Ursprung der seltsamen Ereignisse langsam auf die Spur und blicken in den Abgrund der Menschheit.

Kritik

„Die drei Sonnen“ ist kein Actionroman. Der Auftakt ist zwar spannungsgeladen, aber durch die fehlende Einführung der dort agierenden Protagonisten halten sich die aufkommenden Emotionen in Grenzen. Es wird jedoch schnell klar, worauf dieser Roman hinzielt. Er ist der Auftakt, der Türöffner für die wahre Geschichte. Zwar hat man am Ende das Gefühl, dass man einen wichtigen Abschnitt der Geschichte erlebt hat, aber die wirklich großen Ereignisse liegen noch vor einem. Die vielen Charaktere mit den manchmal etwas schwer zu merkenden chinesischen Namen spielen ihre Rolle, sind aber nicht immer nachhaltig von Bedeutung. So tauchen sie auf und verschwinden auch wieder und bleiben daher nicht immer im Gedächtnis. Da nicht jede Seite spannungsgeladen, sondern stattdessen manchmal etwas technisch daherkommt, wecken auch die Figuren nicht immer große Emotionen. Trotzdem fasziniert dieses Buch, denn man spürt mit jedem Satz, dass es hier nicht nur um ein einziges großes Ereignis geht. Es ist mehr. Es geht um Gesellschaften, die (Welt-)Gemeinschaft, Wissenschaft als solche, Strömungen und Entwicklungen. Zumindest deutet sich viel davon an, denn am Ende geht es dann doch um die Erlebnisse eines einzelnen Forschers und eines Polizisten.

Dieser Roman ist in seiner Schreibweise etwas Besonderes und Außergewöhnliches, was ich zu einem gewissen Teil der östlichen Denkweise zuschreiben würde, die wir hier schlicht nicht gewohnt sind und wie ich sie ganz ähnlich auch in einigen Romanen von japanischen Autoren erlebt habe. Aber vor allem auch die Herangehensweise des Autors an das Thema Wissenschaft an sich hat mich absolut fasziniert. Am Ende dieses Romans war für mich klar, dass ich schnellstens auch den zweiten Teil lesen muss.

Fazit: Ein großartiger Auftakt zu einer Trilogie mit ein paar kleineren Schwächen in der Ausarbeitung einiger Charaktere. Aber nicht umsonst wurde dieser Roman mehrfach prämiert. Er gibt einen Ausblick auf das, was noch kommen wird: Science-Fiction auf einer Ebene, wie ich sie noch nie gelesen, gehört oder gesehen habe.

Die drei Sonnen
Science-Fiction-Roman
Cixin Liu
Heyne 2017
ISBN: 978-3-453-31716-1
592 S., Paperback, deutsch
Preis: 16,99 EUR
        
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