Der zerbrochene Stern 3 – Der Asylstein

Die Suche nach der nächsten Scherbe des zerbrochenen Sterns führt die Charaktere diesmal nach Kaer Maga, die Stadt der Fremden – und an ferne, vergessene Orte weit unterhalb der Stadt und in Zwischenebenen. Ja, die Runenherrscher haben sich Mühe gegeben, die Scherben zu verbergen, was aber mutige Abenteurer nicht davon abhält, sich in „Der Asylstein“ tapfer auf dem Abenteuerpfad voran zu kämpfen.

von Tobias Dworschak

 

Der Umfang, die Aufmachung und die Qualität des Heftes entsprechen dem bisher gewohnten, hohen Standard. Schicke Illustrationen, insbesondere von NSC, zweispaltiges Layout, 100 Seiten im PDF (einschließlich der Extra-Seiten für die Karten, die im Abenteuer verwendet werden) und ein flüssig zu lesender Text, in dem ich nur ab und zu über eine allzu wörtliche Übersetzung gestolpert bin. In dieser Hinsicht ist also wieder ordentliche Arbeit geleistet worden.

Neben dem Abenteuer selbst, geschrieben von James L. Sutter, der obligatorischen Kurzgeschichte und dem Bestiarium, widmen sich die beiden Artikel des Bandes den Machtgruppen in Kaer Maga und Abenteuer in Magnimar. Parallel zu dem dritten Teil des Abenteuerpfades ist der „Almanach zu Kaer Maga“ erschienen, mit dem der geneigte Spielleiter die Möglichkeit erhält, den Aufenthalt in der Stadt weiter mit Leben zu füllen.

Erneut muss ich davor warnen, dass die Besprechung des Abenteuers Spoiler enthält. Wer die Scherbe der Völlerei also noch suchen möchte, überspringt bitte die folgenden vier Absätze.

Wobei – das Abenteuer ist dermaßen linear geschrieben, dass man die Scherbe nicht verfehlen kann. Ich erwähnte ja, dass die zuletzt gefundene Scherbe den Weg zur nächsten weist. Das ist langweilig und wird durch den immer gleichen Einstieg in die Abenteuer auch nicht spannender. Diesmal weist die Scherbe den Weg in die vielleicht spannendste Stadt Varisias: Kaer Maga. Die Reise dorthin erfolgt über den Fluss. Hier ist ein Überfall durch Boggards vorgesehen, den man im Grunde auch überspringen kann, weil er weder zu der Geschichte beiträgt noch Teil einer eigenen Geschichte ist. Das Abenteuer geht dann davon aus, dass die Charaktere die Stadt über den Zwielichtpfad erreichen, was eine Abkürzung zur üblichen Route darstellt und schon einmal auf die Gewölbe und Katakomben unterhalb der Stadt vorbereitet. Immerhin gibt es hier die Gelegenheit, Kontakt zu den Dämmerwachen herzustellen (die dann im eigentlichen Abenteuer aber keine Rolle mehr spielen).

In Kaer Maga steht es den Spielern grundsätzlich frei, wie sie vorgehen wollen. Wobei diese Freiheit nur gefühlt ist, denn sie werden Hilfe brauchen. Hier bietet das Abenteuer einen Umweg über die Auguren an – trollische Wahrsager. Ein Mitglied dieser Gruppe wurde von einem Golemschmied entführt. Die Auguren helfen den Charakteren bei der Suche nach der Scherbe, wenn sie zuvor den Entführten befreien. Das Haus des Schmiedes stellt den ersten kleinen Dungeon dar und beherbergt allerhand Konstrukte, liest sich aber – abgesehen von der Konfrontation mit dem Hausherrn – wenig spannend.

Der entführte Troll ist ein spannender NSC, der mit einer Vision über die kommenden Abenteuer aufwarten kann – das erzeugt die Atmosphäre, dass die Charaktere noch eine Menge erwartet. Sehr gut! Der erste Schritt führt jedoch über die Große Bibliothek – auch bekannt als Theraspitze – in die Tiefen Kaer Magas: Durch die Hinweise eines uralten Volkes – der Mnemoide – wurde hinter einer Geheimtür ein ehemaliges Labor des Runenherrschers Karzoug entdeckt. Und dieses Labor ist das Highlight des Abenteuers. Räume mit bizarren Kreaturen, Fallen und Experimenten versprechen eine Menge Spielspaß, zumal es immer wieder genug Möglichkeiten gibt, Situationen ohne blanken Stahl zu meistern. Schlaue Ideen und Aufmerksamkeit werden hier belohnt.

Am Ende des Labors treffen die Charaktere auf eine Gruppe Mnemoiden, die ihnen den Weg in den Dunklen Wald, das extradimensionale Reich des Kopflosen Reiters, weisen – natürlich für eine Gegenleistung und natürlich mit dem finalen, zu erwartendem Verrat. Der Dunkle Wald bietet eine Reihe untoten Gezüchts, fällt von der Qualität gegen das Labor aber ab.

Ich hatte bei der Lektüre des Abenteuers vor allem zwei Eindrücke: Erstens reißt das Abenteuer viel an, endet dann aber mit „Das würde den Rahmen hier sprengen“, und zweitens sind zu viele Ideen miteinander verwoben. Was mir hier fehlt ist ein durchgehendes Thema, das als Überschrift dienen könnte. So wirkt es eher wie Stückwerk. Darin verarbeitet sind allerdings auch jede Menge schillernder NSC, die eigene Geschichten und Persönlichkeiten haben und sich dadurch gut eignen, auch außerhalb des Abenteuerpfades einen Auftritt zu erhalten. Von diesen Figuren – und der Kulisse – lebt das Abenteuer.

Die dann folgenden Seiten sind wieder wichtigen NSC und Gegnern sowie besonderen Schätzen gewidmet. Das ist soweit bekannt und nach wie vor eine lobenswerte Entscheidung. Ich mag es sehr, diese Informationen auf einen Blick zu haben.

Es folgt ein Artikel über Machtgruppen in Kaer Maga, der sich selbst als Ergänzung zu dem Almanach versteht. Das Abenteuer scheint an vielen Stellen wie selbstverständlich davon auszugehen, dass der Spielleiter diesen Almanach besitzt (der im englischen Original übrigens wesentlich älter ist als die deutsche Übersetzung). Das lohnt sich zwar tatsächlich; ich für meinen Teil hätte mir jedoch in dem Abenteuer selbst mehr Informationen über die Stadt gewünscht. Mit den Machtgruppen (von denen auch einige eine Rolle in dem Abenteuer spielen) hat der Spielleiter genug Möglichkeiten, die Charaktere länger in Kaer Maga zu beschäftigen und den Abenteuerpfad mit anderen Geschichten als dem Erforschen von Gewölben zu würzen. Gleichzeitig finden sich genug Aufhänger für eigene Abenteuer in der Stadt – etwas, was ich sehr schätze.

Ein bisschen verspätet erscheinen da die Abenteuerideen in Magnimar, die ebenfalls als Ergänzung zu dem entsprechenden Almanach anzusehen sind und wahrlich genug Ansätze bieten, spannende Geschichten zu entwickeln. Die drei über bloße Aufhänger hinaus ausgearbeiteten Begegnungen überzeugen – und können so auch außerhalb Magnimar stattfinden.

Mit „Die Köhlergassentrimmer“ erhält die Erzählung von Bill Ward eine lesenswerte Fortsetzung. Noch immer ist mir der Raum hier zu knapp, auch wenn man sich langsam an die Charaktere gewöhnt. Das Bestiarium präsentiert vier neue Kreaturen mittleren Herausforderungsgrades. Hiervon gefällt mir der mechanische Vertraute noch am besten. Dieser hat in der Villa des Entführers einen Auftritt und wird sicherlich den einen oder anderen Magier als eigenen Begleiter interessieren.

Was von dem Heft bleibt ist ein aus meiner Sicht nur mittelmäßiges Abenteuer, das wegen seines Settings in Kaer Maga aber eine Menge Potenzial bietet – entsprechenden Aufwand beim Spielleiter vorausgesetzt. Die Geschichte hier ist mir zu zerstückelt, es fehlt der rote Faden. Das führt aber gleichzeitig dazu, dass die einzelnen Elemente auch anders genutzt werden können, etwa in einer eigenen Kampagne. In die gleiche Richtung gehen die beiden Artikel des Heftes: Viel gutes Material, das ich gerne einsetze.

Fazit: „Der Asylstein“ hat bei mir große Erwartungen geweckt. Das liegt in erster Linie daran, dass ich Kaer Maga wirklich sehr mag. Diese Erwartungen wurden von dem bisher schwächsten Teil des Abenteuerpfades enttäuscht. Die zusätzlichen Artikel im Heft versöhnen allerdings wieder ein wenig.


Der zerbrochene Stern 3 – Der Asylstein
Abenteuerpfad
James L. Sutter
Ulisses Spiele 2013
ISBN: 978-3-86889-306-9
96 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 22,95

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