Der erste Spielleiter

„Gary Gygax und die Erschaffung von D&D“, so lautet der Untertitel des Comics „Der erste Spielleiter“. Mittlerweile gibt es einige Werke, die sich mit der Geschichte des Rollenspiels beschäftigen. Werfen wir doch einmal einen Blick auf die Comic-Variante.

von Jens Krohnen

Die deutsche Ausgabe von „Rise of the Dungeon Master“, so der amerikanische Originaltitel des vorliegenden Comics, wurde vom Verlag Feder&Schwert per Crowdfunding finanziert. Neben der reinen Übersetzungsarbeit hat man der deutschen Ausgabe auch gleich ein Lesebändchen spendiert und das amerikanische Softcover in ein schickes Hardcover überführt. Die Ausstattung ist also durchaus gelungen, doch wie sieht es mit dem Inhalt aus?

Verantwortlich für den Band zeichnen als Storywriter David Kushner und als Illustrator Koren Shadmi. Die beiden erzählen die Geschichte des ersten Rollenspiels der Welt, „Dungeons & Dragons“, aus verschiedenen Perspektiven. Dabei schlüpft man sowohl in die Rolle von Gary Gygax und seines Weggefährten Arne Davidson, erlebt aber auch Passagen aus einer dritten, nahezu unbeteiligten Perspektive. Zunächst wird der Werdegang von Gygax grob umrissen. Dabei lernen wir den jungen Gygax kennen, wie er sich von den Abenteuergeschichten seiner Eltern begeistern ließ, wie er erste Gehversuche in verschiedenen Jobs unternahm und wie er schließlich zum Wargaming kam, jenem Spielstil, der später in „Dungeons & Dragons“ mündete.

Das nächste Schlaglicht gilt Dave Arneson, dem Co-Autoren von „Dungeons & Dragons“. Wie auch Gygax war Arneson ein begeisterter Wargamer. Beiden war es zu eigen, an den vorgegebenen Regeln herumzubasteln, um immer und immer wieder das Spielgefühl zu verändern und zu verbessern. So schufen die beiden zunächst „Chainmail“, den Wegbereiter für „Dungeons & Dragons“. Das Buch zeigt dabei recht deutlich eine Rollenverteilung zwischen Gygax und Arneson. Während Gygax eher der Regelfanatiker war und immer mehr Details hinzufügen wollte, ging es Arneson eher um das Spielgefühl. Schließlich mündeten die verschiedenen Verbesserungen und Veränderungen am Spielgefühl in der ersten Version von „Dungeons & Dragons“.

Da Gygax keinen Publisher für sein Spiel auftreiben konnte, publizierte er „Dungeons & Dragons“ gemeinsam mit einem alten Schulfreund, Don Kaye. Sie gründeten die Firma „Tactical Studies Rules“, kurz TSR, die in den folgenden Jahrzehnten den Rollenspielmarkt dominieren sollte. In der Folge beschreibt „Der erste Spielleiter“ die wechselvolle Geschichte von TSR und natürlich „Dungeons & Dragons“, das zunächst ein riesiger Verkaufsschlager wurde, später aber unter Verdacht geriet, eine Anleitung zur Teufelsanbeterei zu sein. Allen Widrigkeiten zum Trotz gelang es sowohl TSR als auch „Dungeons & Dragons“ die Jahre zu überstehen. Besonderen Wert legt „Der erste Spielleiter“ dann noch in einem Kapitel darauf, welchen Einfluss „Dungeons & Dragons“ auf die Populärkultur hatte, vom Zeichentrickfilm bis zum Computerspiel, bevor der Band schließlich mit dem Tod der beiden Erfinder schließt.

Inhaltlich bin ich nicht völlig zufrieden mit „Der erste Spielleiter“. Der Band ist zweifelsohne eine wundervolle Hommage an die beiden Erfinder von „Dungeons & Dragons“, und an Gary Gygax im Speziellen. Auch erfährt man manches Detail und auch der eigene Erinnerungsapparat wird aktiviert, wenn man einige Stationen von TSR Revue passieren sieht. Das ist hübsch nostalgisch, aber auch ein wenig weichgespült. Ob die Entscheidung, Arneson nicht in TSR einzubinden, wirklich so harmonisch verlief, wie hier beschrieben wird, kann wohl nicht abschließend beantwortet werden. Aber auch die wirtschaftlichen Talfahrten von TSR werden hier nur am Rande gestreift, bis Gygax die Firma in den 1980ern verließ. So finden letztendlich fast ausschließlich die positiven Aspekte der Geschichte ihren Platz in „Der erste Spielleiter“.

Nicht wirklich warm geworden bin ich mit Shadmis comichaftem Stil. Die in Schwarz-Weiß gehaltenen Bilder sind sauber gestaltet und auf gleichbleibendem Niveau, dabei aber jedoch ein wenig detailarm und mit wenig Dynamik versehen. Gut gelungen sind allerdings großformatige Porträts, die gut die Stimmung der einzelnen Charaktere einfangen. Grafisch bleibt „Der erste Spielleiter“ damit aber auf einem mittleren Qualitätsstandard.

Fazit: Wer einen groben Überblick über die Entstehung von „Dungeons & Dragons“ erhalten möchte, wird hier fündig. Man merkt dem Comicband aber an, dass es zwischen den Zeilen mehr zu sagen gäbe, als es hier platzbedingt möglich war.

Der erste Spielleiter
Comic
David Kushner, Koren Shadmi
Feder & Schwert 2018
ISBN: 978-3867623032
144 Seiten, Hardcover, deutsch
Preis: EUR 27,95

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