D&D Monster-Handbuch (v.3.5)

„Ihr kriecht durch das niedrige, feuchte Verlies, kommt um eine Ecke und plötzlich steht euch ein…?“ Der Spielleiter grinst diabolisch, schlägt ein dickes Buch auf und sucht sich eine neue, exotische Abscheulichkeit aus. Viele dieser so genannten „Monster-Kompendien“, vor allem jene, die im Zuge der extensiven Ausschlachtung der „d20“-Lizenz entstanden sind, genießen ja einen eher mittelmäßigen Ruf. Doch eines von ihnen kann mit Fug und Recht als Standardwerk der Rollenspiel-Literatur gesehen werden: das „Monster-Handbuch“ für „D&D v.3.5“.

von Frank Stein

 

Es gibt Rollenspiel-Bücher, in die verliebt man sich auf den ersten Blick. Das „Monster-Handbuch“ für die aktuelle Version der Mutter aller Dungeoncrawler „D&D“ gehört sicher dazu: ein 416 Seiten schwerer Wälzer im schicken Hardcover, der im Inneren mit sehr gutem Papier und einem Vollfarb-Design aufwartet, das durch die regelrecht verschwenderische Menge an überwiegend höchst ansehnlichen Illustrationen auch voll zur Geltung kommt. Ein oder zwei Lesebändchen zur Orientierungshilfe wären das Sahnehäubchen gewesen, aber auch so präsentiert sich das im Gegensatz zur Vorgängerversion um ca. 100 Seiten erweiterte Werk rundum ansprechend.

Den Löwenanteil des in Einleitung, sechs Kapitel und Glossar unterteilten Monstrums bilden mit fast 350 Seiten natürlich die „Kreaturen nach Alphabet“. Hat uns, nach einer sehr praktischen „Alphabetischen Liste der Monster“, die Einleitung ausführlich über den Aufbau der im eigentlichen Kompendium verwendeten Einträge aufgeklärt und nebenbei die Monster noch einmal nach Art und Unterart sortiert (derlei Listen sind für den Spielleiter wirklich extrem hilfreich), geht es dann von Aaskriecher bis Zwerg so richtig ans Eingemachte.

Die Auswahl ist dabei gewaltig und umfasst beispielsweise Drachen, Untote, Elementare, Externare, Feenwesen, Gestaltwandler, Riesen, Pflanzen, Konstrukte und vieles mehr. Klassiker wie Goblins, Gnolle, Orks und Oger stehen neben Kuriositäten wie Abolethen, Girallons, Mimiks, Ravids und dem Schwarzen Blob. Wer hier kein Monster für jeden Zweck findet, ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft, dem ist meines Erachtens wirklich nicht mehr zu helfen.

Jeder Kreatur wurde mindestens eine Seite zugestanden, existieren Unterarten weitet sich der Eintrag schon mal deutlich aus (etwa bei den Drachen). Der typische Aufbau einer solchen Seite besteht aus einem vorangestellten Datenblock, der alle wichtigen Informationen, wie Trefferwürfel, Bewegungsrate, Rüstungsklasse und Angriffsarten, aber auch besondere Eigenschaften, Fertigkeiten, Talente, Lebensraum und Gesinnung umfasst.

Es folgt ein mal mehr, mal weniger sinniger Absatz, der vom Spielleiter als Kurzbeschreibung vorgelesen werden kann, wenn die Gruppe ein bestimmtes Wesen zum ersten Mal trifft. Beim „Gorgonen“ steht beispielsweise: „Diese Kreatur hat den Körper eines Stieres, allerdings ist sie mit dunklen, metallischen Schuppen bedeckt. Sie hat silberne Hörner.“ Na ja… Manchmal sagt ein Bild eben doch mehr als Tausend Worte und deshalb findet sich zu jedem Monster auch eine nette Zeichnung, in diesem Falle die eines grünen Rauch schnaubenden Untiers (dessen Schuppen übrigens eher metallisch blau-grau sind).

Im Anschluss daran finden sich die Spielleiter-Informationen, die interessante Details zur Lebensweise, zum Charakter und (wenn vorhanden) zur Gesellschaftsform der Kreatur anführen. Diese fallen in der Länge sehr unterschiedlich aus, entsprechend der Wichtigkeit und Rolle, die ein Monster in einer Kampagne haben wird. Der Eintrag des Gorgonen ist etwa sehr kurz, Gedankenschinder dagegen werden ausführlicher beschrieben, inklusive Daten, wie man ein solches Wesen als SC verkörpert (ein netter Bonus, der manche Einträge ziert und vor allem experimentierfreudigere Gruppen ansprechen dürfte). Natürlich kann ein „Monster“-Handbuch keine Völkerbeschreibungen ersetzen und lässt aus Platzgründen zwangsläufig noch viele Leerstellen – aber das dürfte eigentlich jedem klar sein.

Den Abschluss eines Eintrags bildet ein Textblock zum Kampf, der beschreibt, wie ein Monster den Helden begegnen wird und über welche Spezialfähigkeiten es im Falle einer aggressiven Konfrontation verfügt.

Kapitel zwei und drei widmen sich sehr zusammenfassend (hier gibt es keine Bilder und Vorlesetexte) den „Tieren“ und dem „Ungeziefer“. Wer gegen Krokodil, Schwertwal oder Riesenameise antreten will, findet hier die nötigen Spieldaten. Ein sinnvoller Zusatz für Kampagnen, in denen es nicht von magischen Kreaturen nur so wimmelt.

Kapitel vier und fünf richten sich dann an den kreativen Spielleiter, der entweder „Monster verbessern“ oder „Monster erschaffen“ möchte. Auf je einer Hand voll Seiten wird knapp aber präzise beschrieben, wie sich etwa Klassenstufen, Größenvariationen oder die Anwendung von Kreaturenart-Schablonen (etwa Pflanze oder Drache), die im Anschlusskapitel zu finden sind, auf die Ausgangswerte von Monstern auswirken beziehungsweise wie man Schritt für Schritt ein komplett neues Geschöpf entwickelt. Die Anleitung zum Erschaffen neuer Monstrositäten geht dabei nicht nur auf Datenblöcke ein, sondern ermuntert regelrecht dazu, sich ein paar weiterführende Gedanken zu Art und Eigenschaften seiner Schöpfung zu machen.

Eine neue Fertigkeit und ein paar Talente, die speziell von Monstern angewendet werden, finden sich zuletzt in „Kapitel 6: Fertigkeiten und Talente für Monster“.

Der einzige echte Schwachpunkt des Buches ist der Glossar (a.k.a. „Kapitel 7“), der dem Anspruch nach „Definitionen und Beschreibungen aller Fähigkeiten, die ein Monster besitzt“ aufführen soll. Denn dieser ist leider alles andere als vollständig. Fähigkeiten heißt hier de facto „Besondere Eigenschaften“, denn „Besondere Angriffe“ werden beim Eintrag des Wesens selbst erklärt und „Talente“ muss man im Spieler-Handbuch nachschlagen. Aber schon ein willkürliches Aufschlagen offenbart Lücken: Bei der „Seekatze“ etwa wird die Eigenschaft „Dämmersicht“ im Glossar beschrieben, „Luft anhalten“ findet sich nur beim Wesenseintrag und „Dunkelsicht“ ist nirgendwo erklärt. Beim „Mantler“ das Gleiche: „Dunkelsicht“ nirgendwo, „Schatten verschieben“ nur beim Eintrag selbst. Oder beim „Tiefenhauser“: „Dunkelsicht“ nirgendwo, „Erschütterungssinn“ Glossar, „Immunität gegen Gift“ nirgendwo, „Stein formen“ Wesenseintrag. Das mag den Veteranen nicht stören, Einsteigern in das System werden diese Lücken im Glossar jedoch einige Mühsal bereiten.

Der Anhang sortiert die Monster noch einmal sehr praktisch nach Herausforderungsgrad.

Fazit: Jeder, der auch nur mit dem Gedanken spielt, in die Welt von „D&D“ einzusteigen, kommt an diesem gewichtigen Standardwerk der Monsterkunde nicht vorbei – nicht ohne Grund gilt es als Buch drei der Grundregelwerk-Dreifaltigkeit „Spielleiter-Handbuch“, „Spieler-Handbuch“, „Monster-Handbuch“. Toll aufgemacht und inhaltlich unglaublich abwechslungsreich lässt der Wälzer kaum Wünsche offen. Am Glossar hätten die Macher noch etwas feilen können, aber ansonsten schnürt dieses Buch ein Rundum-sorglos-rundum- glücklich-Paket, das übrigens auch für alle sonstigen „d20“-Systeme empfehlenswert ist, denn viele der Kreaturen lassen sich natürlich mit wenigen Handgriffen in andere Settings einbinden. Top!


D&D Monster-Handbuch (v.3.5)
Grundregelwerk
Monte Cook, Jonathan Tweet, Skip Williams u. a.
Feder&Schwert 2006 (2. Aufl.)
ISBN: 3-937255-27-3
416 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 38,95

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