Das Magische Messer

„Der Goldene Kompass“ hat seinen Auftritt gehabt. Als nächstes braucht es etwas Handfesteres: „Das Magische Messer“. Das so bezeichnete Instrument spielt nicht nur eine große Rolle in Philip Pullmans Fortsetzung seiner Fantasyreihe um Parallelwelten, sondern dient dem zweiten Band auch als Titel. Rufus Beck hat das Buch gelesen. Laut, für alle die schon an seiner Interpretation des ersten Abenteuers Freude hatten. Und unter dem Label „Silberfisch“ bringt Hörbuch Hamburg die Aufnahme dieser ungekürzten Lesung routiniert unters Volk.

von Simon Ofenloch

 

Die Geschichte um Lyra, das freche, mutige Mädchen aus „Der Goldene Kompass“, geht weiter. Aber zunächst nicht mit Lyra, sondern mit einer neuen Hauptfigur: Will Parry. Das Schicksal des zwölfjährigen Jungen ist dem von Lyra nicht unähnlich. Auch er hat Probleme mit seinen Eltern und muss sich notgedrungen erwachsener verhalten als es seinem Alter unter normalen Umständen entspräche. Wie Lyra ist Will auf der Suche nach seinem Vater. Der Polarforscher verschwand vor einigen Jahren spurlos. Für den Verbleib von Wills altem Herrn interessieren sich auch dubiose Dunkelmänner, die den Jungen und seine psychisch angeschlagene Mutter bedrängen. Anstatt zurückzustecken, ergreift Will die Initiative. Er versteckt seine Mutter bei einer Bekannten und macht sich auf den Weg, das Geheimnis um seinen verschollenen Vater zu lüften.

Dabei stößt er auf ein Fenster in eine andere Welt, und dort auf Lyra. Zusammen mit ihrem ständigen Begleiter Pantalaimon ist Lyra wiederholt auf der Suche nach ihrem Vater Lord Asriel. Schnell erkennen die beiden Kinder, dass sie einander nützlich sein können, und tun sich zusammen. Gemeinsam wandeln sie zwischen der Welt, in der sie sich getroffen haben, und Wills Welt, die dem Rezipienten aus eigenem Erleben ungemein vertraut erscheint, hin und her und bekommen es dabei mit Geisterwesen, gewaltbereiten anderen Kindern, Lyras Mutter und Nemesis Miss Marisa Coulter und anderen Gegnern zu tun.

Natürlich stoßen sie auch auf das titelgebende „Magische Messer“, entdecken seine außergewöhnlichen Fähigkeiten und lernen es zu gebrauchen. Tatsächlich fällt Will eine besonders verantwortungsvolle Rolle in Bezug auf diesen bedeutsamen Gegenstand zu, verbunden mit einer schmerzhaften Erfahrung.

Die Fortsetzung zum Saga-Auftakt „Der Goldene Kompass“ erzählt nicht nur Lyras Geschichte weiter. Auch andere bereits bekannte Figuren tauchen wieder auf. Die Hexe Serafina Pekkala und ihr Klan haben sich auf den Weg gemacht, um Lyra zu helfen, ebenso Iorek Byrnison und der texanische Aeronaut Lee Scoresby. Sie alle steuern wie Lyra und Will auf den unvermeidlichen finalen Kampf zwischen Gut und Böse zu, der im dritten Teil seinen Höhepunkt erreichen mag.

„Das Magische Messer“ erweitert den im Vorgänger etablierten Kosmos nicht nur um eine weitere Hauptfigur, sondern auch um weitere Dimensionen – sprich Welten – und inhaltliche Tiefe. Der philosophische Hintergrund wird spielerisch fortentwickelt, nicht als schwere Kost, sondern als natürlich wirkender Bestandteil einer durchweg spannenden, interessanten und äußerst unterhaltsamen Abenteuergeschichte.

Nett ist auch, dass Pullman im letzten Abschnitt unter dem Titel „Laternenbilder“ noch einige Zusatzinformationen liefert, die für das Verständnis der Geschichte nicht zwingend notwendig sind, aber als Bonusmaterial einige Abschnitte entscheidend bereichern.

Wie beim ersten Teil wurde die Hörbuchfassung von Philip Pullmans „Das Magische Messer“ mit Rufus „The Voice, oder besser: The Voices“ Beck realisiert. Beck gilt zu Recht als Großmeister der Hörbuchproduktion. Seine Lesungen muten fast wie Hörspiele an, versteht es der verdiente Schauspieler doch wie kein Zweiter, zahlreichen auftretenden Personen nuancierte Einzelstimmen zu verleihen. Im Grundton des Erzählers ist seine Stimme angenehm wie die eines vertrauten, lieben Freundes, dessen Worten man gerne lauscht.

In der äußeren Gestaltung der CD-Box hat sich der Verlag an der Verfilmung des ersten Teils orientiert. Nur konsequent, suchte doch die CD-Box zu „Der Goldene Kompass“ in ihrer Optik auch mehr die Nähe zum Film als zum zugrunde liegenden Buch. Eine Adaption von „Das Magische Messer“ für die Kinoleinwand lässt noch auf sich warten, aber für eine ansprechende CD-Box hat das Gedankenspiel einer möglichen Realisierung schon einmal genützt.

Fazit: Ein Abenteuer für Jung und Alt. Spannend, ideenreich und außergewöhnlich. Äußerst dicht spinnt Pullman seine in „Der Goldene Kompass“ begonnene Geschichte fort. Und wer könnte diese Erzählung besser vortragen als Rufus Beck?


Das Magische Messer
Hörbuch nach einem Roman von Philip Pullman
Rufus Beck (Erzähler)
Hörbuch Hamburg 2008
ISBN: 978-3-86742-018-1
11 CDs, 718 min., deutsch
Preis: EUR 39,95

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