Das letzte Einhorn

„Das Einhorn lebte in einen Fliederwald und es lebte ganz allein…“ – Wohl alle einer bestimmten Generation kennen den auf einem Roman von Peter S. Beagle basierenden Zeichentrickfilm „Das letzte Einhorn“ aus den 1980er Jahren, welcher nicht zuletzt durch die Musik ein großer Erfolg wurde. Wer jedoch nur den Film kennt, dem entgeht vieles vom Tiefgang der Geschichte. Das neue Hörbuch „Das letzte Einhorn“ füllt die Lücken der Geschichte.

von Lars Jeske

Das Einhorn erfährt, dass es das letzte seiner Art ist. Obwohl Einhörner primär Einzelgänger sind, kann und will es diese Schicksalswende nicht glauben, verlässt seinen Wald und begibt sich auf die abenteuerliche Suche nach seinen Artgenossen. Unterwegs kommt es zwangsläufig mit der Welt der Menschen in Berührung, wird sogar gefangen gesetzt, aber findet auch ihm wohl gesonnene Begleiter auf seiner Reise. Der drittklassige Zauberer Schmendrick und die verbitterte Molly Grue schließen sich dem Einhorn an, welches alsbald seinem Widerpart, dem roten Stier, begegnet. Im ungleichen Kampf jäh unterlegen, versucht Schmendrick das Einhorn zu retten und verwandelt es in eine Frau. Es wird zur anmutigen Lady Amalthea, welche sich in dieser Form dem Interesse des Stieres entziehen kann.

In dieser Gestalt verbleibend, erreichen das Einhorn mit den beiden anderen die verwahrloste Burg von König Haggard und dessen Sohn Prinz Lir. Dort will es, wie ihm geraten wurde, dem Schicksal der anderen Einhörner auf den Grund gehen. Während der unglückliche König weiterhin sein tristes Leben fristet, verliebt sich der Prinz in die Lady, welche im Laufe der Zeit immer mehr sein früheres Leben vergisst. Dennoch gelingt es, das Rätsel um die verschwundenen Einhörner und die Zusammenhänge mit König Haggard, der Burg und dem roten Stier zu lösen, und es kommt zur finalen Konfrontation des letzten Einhorns mit dem roten Stier. – Emotional untermalt wird all dies mit Orchestermusik und Songs, welche die Gruppe „America“ darbietet.

Soweit der in den frühen 1980ern erschienene Zeichentrickfilm, welcher auf dem gleichnamigen, erfolgreichsten Buch von Peter S. Beagle beruht. Da er das Drehbuch schrieb, blieb der Grundtenor der Geschichte erhalten, musste jedoch gekürzt werden. In 92 min. kann man selten eine Geschichte vollständig erzählen, die vorgelesen 503 min. lang ist. Jedoch ist es genau diese längere Geschichte, welche als Klassiker der Fantasy-Literatur gilt. Fantasy mit viel Symbolik und einer Prise Ironie. Hinzu kommt, was man selten findet, dass hier nicht viel Wert auf die Beschreibung einer weit ausgeschmückten, historisch akribisch detaillierten Umgebung gelegt wird, sondern die Handlungsträger im Vordergrund stehen. Konzeptionell ist es eher ein Märchen, denn es wird keine neue Fantasy-Welt entworfen, sondern nur das Nötigste erwähnt.

Der Film wird somit der Buchvorlage insofern nicht ganz gerecht, als dass er neben der eher kindlichen Aufbereitung und den nötigen Kürzungen auch auf einen Erzähler verzichtet. Ohne diesen allwissenden Erzähler bleiben Informationen unvermittelt, da sie in die Bildsprache transponiert wurden. Dadurch geht viel von den sprachlichen Ideen und der Melancholie verloren und man verkennt Intentionen, auf die die Geschichte wert legt.

Es obliegt den Zuschauern und Fans der Geschichte, diese via Buch oder Hörspiel in ihrer Gänze zu erfahren und neue Seiten und Wendungen zu entdecken. Eine Entdeckungsreise, die sich lohnt. Die Geschichte ist noch immer leicht zu verstehen, doch es gibt zusätzliche Handlungen, mehr Symbolik und einen größeren Tiefgang mit mehr Hintergrundwissen. Alles Zutaten, die einem im Prinzip die vertraute Geschichte nahezu neu erleben lassen. Die Figuren werden noch weiter ausgeformt und Prinz Lir sogar anders als im Film dargestellt.

Der bekannte Synchron- und Hörbuchsprecher Andreas Fröhlich hat die Geschichte vollständig gelesen, und sie wurde auf stattliche 7 CDs gebannt. Wie so oft kann er als Erzähler brillieren, hier sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Ihm gelingt es, „Das letzte Einhorn“ glaubwürdig und angemessen vorzutragen, auf jegliche Soundeffekte oder Musikuntermalung wurde verzichtet. Jeder Figur wird dessen Besonderheit abgewonnen und man erhört, wer gerade spricht, da ein jeder einen eigenen, unverwechselbaren Sprechstil hat. Besonders König Haggard und der mitunter verzweifelt wirkende Schmendrik wirken sehr lebensecht. Was im Film nur unzureichend oder gar nicht verarbeitet werden konnte, ist im Hörbuch umsetzbar gewesen und zweckdienlich aufbereitet.

Fazit: Wer den Film mag, muss unbedingt zu Buch oder Hörbuch greifen. Für alle anderen Fantasy-Begeisterten ist dieser zeitlose Klassiker zumindest ein Tipp. Eine willkommene Reise zurück in eine Zeit voller Romantik und Poesie liegt hier in einer gelungenen Hörbuchbearbeitung vor. Abseits von actiongeladenen Großschlachten und dramaturgischen Kniffen geht es in dieser ruhigen, poetischen Geschichte um die einfachen, die wichtigen Dinge des Lebens.


Das letzte Einhorn
Ungekürzte Lesung des Romans von Peter S. Beagle
Andreas Fröhlich (Erzähler)
Der Hörverlag 2009
ISBN: 978-3-86717-350-6
7 CDs, ca. 503 min., deutsch
Preis: EUR 29,95

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