Das Feuer des Mondes

Dank des Mantikore-Verlages haben Spielbücher wieder ein Zuhause. Zunächst bekamen nur Klassiker ein Quartier, die eine Neuauflage erhielten. Inzwischen nisten sich auch neue Spielbücher unbekannter Autoren ein. Der jüngste Mitbewohner heißt „Das Feuer der Mondes“ und stammt aus der Feder von Christian und Florian Sußner.

von Morgath

Christian und Florian Sußner sind bisher als Autoren ein ungeschriebenes Blatt (ich berücksichtige die Doktorarbeit des einen bewusst nicht, da sie vermutlich keinem Leser etwas sagen wird und der Autor damals noch kein Händchen für Begriffe wie Spannungsbogen, Charakterentwicklung und Phantasie zeigte). Weihnachten vor fast genau fünf Jahren entschlossen sie sich, ein Spielbuch zu schreiben. Die Idee mag spontan gewesen sein, sie wurde jedoch konsequent umgesetzt! Als das Spielbuch Gestalt annahm, wurde ein Verleger gesucht. Der Mantikore-Verlag bot sich an. Der Kontakt war schnell hergestellt und so traf man sich auf der Manticon 2012, um alles zu besprechen. Man wurde sich schnell einig. Dort war es auch, wo die Brüder Swen Harder kennenlernten. Auch er schrieb an einem Spielbuch („Reiter der schwarzen Sonne“), das kurz vor der Veröffentlichung stand. Er tat also das Gleiche wie sie, war ihnen aber etwa drei bis vier Jahre voraus. Es entwickelte sich ein reger Austausch, von dem alle profitierten. Schließlich entschied man sich, die Welt aufzuteilen: Harder als Dienstältester bekam die Sonne, die Sußners musste sich mit dem Mond zufrieden geben ...

Das Feuer des Mondes

In dem Spielbuch schlüpft der Leser in die Rolle eines einfachen Nachtwächters, dessen Aufgabe es ist, für Ruhe und Ordnung in der Stadt Waldheim zu sorgen. Doch „einfach“ bleibt er nicht lange: Durch einen „Dienstunfall“ wird er mit dem Fluch des Raben belegt, der im Endstadium zum Tod führen wird. Dabei erfährt er auch von einem Komplott gegen seine Heimatstadt. Der skrupellose Orden der Karden will die Macht an sich reißen. Der geheimnisumwitterte Anführer der Karben agiert im Verborgenen, hat den Stadtrat mit seinen Marionetten unterwandert und bedient sich einer geheimnisvoller Macht, die „Feuer des Mondes“ genannt wird. Nur sein Gegenspieler, der weise Orden der Eule, und der Leser stehen seinen Zielen noch im Wege. Der Spieler hat nun drei Aufgaben: Zunächst muss er in den südlichen Wald der Fei reisen, wo er in einem alten Heiligtum herausfinden soll, wie er den Fluch brechen kann. Er soll sodann in den nördlichen Wald Kalrir reisen, um herauszufinden, wie man das Feuer des Mondes löschen kann. Und schließlich gilt es, die Stadt von den Karben zu befreien, insbesondere deren Anführer besiegen. Kurz: Der Leser hat wahre Heldentaten vor sich!

Erscheinungsbild

Das Spielbuch ist in drei Bücher mit jeweils 200 Abschnitten eingeteilt (ich hätte die Bezeichnung Teile besser gefunden). Das erste Buch beinhaltet die Vorgänge in Waldheim, das zweite die Suche nach dem Heiligtum im Wald der Fei und das dritte die Suche nach dem Gegenmittel im Kalrir. Buch 1 ist die Haupthandlung, zu der der Leser immer wieder zurückkehrt. Buch 2 und 3 sind in sich geschlossene Teilabenteuer. Das Spielbuch ist übersichtlich gegliedert und sauber gelayoutet. Es gibt einen Spielbogen und einige Karten, die auch als Download zur Verfügung stehen. Das Titelbild ist erstklassig, die restlichen Illustrationen eher mittelmäßig. Und das Wichtigste bei Spielbüchern: Ich konnte keinen fehlerhaften Verweis finden! Kurz: eine technisch einwandfreie Arbeit!

Die Regeln

Die Regeln sind einfach: Es gibt Geschicklichkeit, die quasi für alles gilt, und Lebensenergie, um den Gesundheitszustand festzuhalten. Gewürfelt wird mit 2W6. Neu ist der Wert Menschlichkeit, der bei Null startet und zwischen -5 und +5 schwanken kann. Je nachdem, wie der Leser während des Abenteuers handelt, bekommt oder verliert er Menschlichkeit. Der Wert kann sich wiederum in einzelnen Situationen auswirken, beispielsweise wie Personen auf den Leser reagieren. Insgesamt eine schöne Bereicherung für das Spiel. Im Laufe des Abenteuers erhält der Leser die Möglichkeit, sich auszubilden (z. B. kann er etwas Magie lernen oder zu einem Bogenschützen werden, etc.), wodurch es einige Zusatzregeln gibt. Aber auch diese Regeln sind erfreulich kurz gehalten. Insgesamt gibt es nur wenig Regeln, aber die reichen aus, um alle Situationen abzuwickeln.

Gesamteindruck

Buch 1 ist ein Stadtabenteuer mit einer linearen Handlung und dem eigentlichen Ende des Spielbuches. Es beinhaltet auch die Ausbildung und Entwicklung des Helden. Dieser Teil erinnert oft an einen Roman und zeigt die schriftstellerischen Fähigkeiten der Autoren. Die Geschichte wird kontinuierlich vorangetrieben und endet in einem Showdown, bei dem der Leser die ein oder andere knifflige Entscheidung zu treffen hat.

Buch 2 und Buch 3 sind sich von der Struktur her ähnlich: Der Leser irrt durch ein Wald-Labyrinth auf der Suche nach seinem Ziel. Es wird geraten, eine Karte über den Wald anzulegen. Dazu gibt es sogenannte Wegpunkte, die man auf der Karte einzeichnen kann. Da man jederzeit an Orte zurückkehren kann, an denen man schon war, erleichtert dies die Übersicht ungemein. Zudem gibt es bei vielen Wegpunkt sogenannte Zufallsereignisse, um Abwechslung in die Geschichte zu bringen.

Im Wald hat man zahlreiche Aufgaben zu meistern, wobei die meisten nicht kämpferischer Natur sind. Beispielsweise kann man bei Wegpunkt A einen Hinweis oder Gegenstand finden, den man bei Wegpunkt B brauchen kann. Das Schöne ist, dass man nicht jede Aufgabe meistern muss, um am Ende das Ziel zu erreichen. Die Aufgaben sind oft nicht sonderlich schwierig, fördern aber ungemein den Spielspaß, da man ständig auf der Suche nach etwas ist oder sich fragt, wozu man die gerade erhaltene Information noch benötigen wird. Wenn man etwas kritisieren möchte, dann dass die Aufgaben oft in keinem spezifischen Zusammenhang zu der Welt stehen.

Durch das Buch sind an geeigneter Stelle immer wieder Rätsel gestreut. Die Rätsel haben ein angenehmes Niveau – sprich man kann sie nach etwas Nachdenken gut lösen. Eines war allerdings eine echt harte Nuss; schön, dass im Anhang die Lösung steht! Lobenswert ist auch, dass das Lösen der Rätsel dem Spieler einen Vorteil bringt, das Nicht-Lösen ihn aber nicht aus dem Abenteuer wirft.

Charakteristisch für das Spielbuch sind auch viele Anspielungen auf bekannte Literatur- oder Filmvorlagen, die einen zum Schmunzeln bringen. Auf die ein oder andere hätte ich aber getrost verzichten können (z.B. die Killerkaninchen), aber das ist natürlich Geschmackssache.

Abgerundet wird das Buch durch diverse Anhänge, bei denen einem unter anderem die Lösungen der Rätsel oder die Anspielungen verraten werden. Tolle Information! Ich finde es immer schön, wenn Autoren einen Einblick in ihre Gedankengänge gewähren.

Insgesamt ist „Das Feuer des Mondes“ eine runde Sache. Die Autoren haben ihr Handwerk gelernt und setzen die Geschichte gekonnt um. Spielbuchtechnisch ist es einwandfrei: Die Regeln sind gut. Man bekommt stets vernünftige Entscheidungsmöglichkeiten. Zu keiner Zeit hatte ich den Eindruck, dass ich etwas machen wollte, was mir aber nicht als Option angeboten wurde. Das Abenteuer ist spannend, abwechslungsreich und steckt voller Herausforderungen. Der Spielspaß ist sehr hoch, da man oft zum Mitmachen angeleitet wird. Wenn ich man etwas kritisieren möchte, dann dass die Welt nur wenig ausgearbeitet wirkt. Letztlich findet man nur eine Stadt und zwei Wälder vor. Der Rest bleibt im Dunkeln, wobei man den Rest für das Abenteuer auch nicht braucht. Sofern es eine Fortsetzung gibt, würde ich mir einen tieferen Einblick in die Welt Anmar wünschen.

Fazit: „Das Feuer des Mondes“ ist ein gelungenes Debüt der beiden Sußner-Brüder. Das Spielbuch ist technisch einwandfrei umgesetzt, verfügt über eine spannende und gut durchdachte Handlung und macht einfach Spaß zu spielen. Allen Spielbuchfans daher wärmsten ans Herz zu legen! Wer die beiden Autoren einmal kennenlernen möchte, dem sei der Besuch der Manticon empfohlen, wo sie regelmäßig anzutreffen sind. 


Das Feuer des Mondes
Abenteuer-Spielbuch
Christian Sußner, Florian Sußner
Mantikore Verlag 2014
ISBN: 978-3-939212-63-8
420 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 14,95

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