Aufbruch zum roten Planeten

Der Mars ist immer eine Reise wert, insbesondere nachdem unbemannte Sonden unermessliche Rohstoffvorkommen unter der Oberfläche des roten Planeten entdeckt haben. Jetzt können wir uns selbst dorthin auf dem Weg machen: In der viktorianischen Steampunk-Welt von „Aufbruch zum roten Planeten“ starten zahlreiche Raketen, um Astronauten auf dem Mars abzusetzen, die im Auftrag der von den Spielern geleiteten Bergbaugesellschaften die Rohstoffe erschließen sollen.

von Michael Wilhelm

Der Mars als nächstgelegener Nachbar ist seit jeher Sehnsuchtsziel der Erdlinge. Was liegt also näher, als auf dem Nachbarplaneten nach Rohstoffen zu schürfen, um unseren Reichtum zu mehren? Neben Eis (zum künftigen Terraforming des Mars verwendbar) geht es vor allem um Sylvanit (einem unheimlich dichten Wundermaterial) und Celerium (eine Energiequelle, die tausendmal stärker ist als eine Dampfmaschine).

Zwei bis sechs Spieler schlüpfen in die Rolle des Vorsitzenden einer Bergbaugesellschaft. Zu unserer Unterstützung schnappen wir uns 22 Astronauten, detailreich gestaltete Plastikmännchen samt Raumanzug und Fähnchen, verfügbar in gelb, blau, orange, grün, violett und grau. Dazu nimmt man sich 9 Charakterkarten in derselben Farbe (mit unterschiedlichen Fähigkeiten, nummeriert von 1 bis 9). In der Tischmitte wird aus vier Vierteln aus Pappe der rote Planet, aufgeteilt in neun Regionen, aufgebaut, nebenan befindet sich der Papp-Marsmond Phobos und, ebenfalls aus Pappe, das Plättchen „Verschollen im All“, sozusagen der Astronauten-Friedhof.

Auf die Marsregionen und den Mond Phobos werden verdeckt Rohstoff-Marker verteilt (und aufgedeckt, sobald der erste Astronaut dort landet). Die zu den Rohstoffen korrespondierenden Punkte-Marker werden bereitgelegt. Ein Stapel Ereigniskarten wird gemischt und neben dem Mars platziert. Je nach Spielerzahl wird noch die Start-Rampe mit bis zu 6 Docks aufgebaut und an jedes Dock eine Schiffskarte angelegt. Das Spielmaterial ist hochwertig und sowohl in funktioneller als auch ästhetischer Sicht bestens geeignet, das viktorianische Steampunk-Flair zu vermitteln. Die Farben sind kräftig, der Druck der Kartentexte klar, die Karten aus festem Karton, und Startrampe und Mars einschließlich Mond aus stabiler Pappe. Auch der vor dem erstmaligen Spielen zusammenzubauende Rundenzähler ist funktionell und optisch spitze.

Ziel des Spieles ist mal wieder das Sammeln von Siegpunkten. Dazu werden zehn Runden lang Raumschiffe zu den neun Marsregionen und zum Mond Phobos geschickt. Diese sollen die Astronauten dort absetzen. Der Rundenablauf besteht aus 6 Phasen. Zuerst findet das gleichzeitige (verdeckte) Wählen einer der neun Charakterkarten statt. Anschließend werden reihum die Charakterfähigkeiten angewandt, absteigend von 9 bis 1. Dann wird der letzte Spieler als neuer Startspieler bestimmt. Als nächstes landen alle gestarteten Schiffe und freie Docks werden durch neue Schiffe vom Stapel aufgefüllt. Zuletzt wird der Rundenzähler weitergedreht.

Essentiell ist dabei die Wahl der Charakterkarten. Unter den thematisch passenden Figuren finden wir den Wissenschaftler (zwei Astronauten werden in angedockte Schiffe gesetzt und eine Ereigniskarte wird gezogen), die Femme fatale (ein Astronaut in ein Schiff setzen und einen gegnerischen Astronauten durch einen eigenen ersetzen), der Pilot (zwei Astronauten in Schiffe setzen und ein Schiff in eine andere Zielregion umlenken) oder der Saboteur (ein Astronaut in ein Schiff setzen und ein angedocktes Schiff zerstören). Ersetzte oder zerstörte Astronauten landen immer auf dem Pappmarker „Verschollen im All“.



Nicht immer ist die gewählte Charakterkarte in der Situation die passende. Abhängig davon, welche Schiffe (mit welchem Ziel und welcher Astronautenkapazität) zu Rundenbeginn verfügbar waren, und was die anderen Spieler machen, kann das auch mal ganz schön in die Hose gehen. So können mit der Reiseberaterin beispielsweise ganze drei Astronauten in ein Schiff gesetzt werden. Ist allerdings kein Schiff mit drei freien Plätzen vorhanden, fällt die Fähigkeit ganz aus. Und da die Reiseberaterin die Nummer 3 hat und damit eher zu Rundende an die Reihe kommt, wird das nicht selten der Fall sein. Dafür ist sie der einzige Charakter, der drei Astronauten in einer Runde einsetzen lässt.

So gilt es, vorausschauend zu planen und die Aktionen der Gegner anhand der bereits gespielten Charaktere vorherzusehen. Und zwar am besten, bevor mit dem Anwerber wieder alle Charaktere neu auf die Hand genommen werden.

Nach Runde 5, 8 und 10 geben die Marsregionen und der Mond Ertrag in Form von Punktmarkern im Wert von 1 (Eis), 2 (Sylvanit) oder 3 (Celerium) Siegpunkten. Den Ertrag erhält der die Astronauten-Mehrheit in der Region besitzende Spieler. Bei der ersten Wertung gibt es einen Punkte-Marker, bei der zweiten und dritten entsprechend zwei oder drei. Bei Gleichstand wird aufgeteilt, überzählige bleiben liegen für (eventuelle) spätere Wertungen. Vor einer Wertung gilt es, durch Bewegung von Astronauten (z.B. mit der Soldaten-Charakterkarte) in attraktiven Regionen die eigenen Wertungschancen zu verbessern.

Neben Punkten für die Rohstoffe gibt es weitere Siegpunkte für zu Spielbeginn erhaltene Aufträge (wie Anwesenheit in bestimmten Regionen, den Besitz bestimmter Rohstoffe oder Mehrheiten darin). Kurzfristige Auswirkungen haben die Ereigniskarten, während die im selben Stapel erhältlichen Entdeckungskarten nach Anlegen an eine Marsregion die abschließende Wertung (durch zusätzlichen Punktgewinn, Punktabzug oder Bonus-Rohstoffe) modifizieren.

„Aufbruch zum roten Planeten“ ist für 2 bis 6 Spieler gedacht. Mit zunehmender Spielerzahl wird es rasch eng auf dem Mars, was für manchen die Spannung erhöhen mag, aber auch zu einer gewissen Frustration führen kann, weil die Einflussmöglichkeiten entsprechend nachlassen. Andererseits werden beim Spiel zu zweit zwei zusätzliche neutrale Spieler eingesetzt. Diese Dummys werden jeweils von einem der Kontrahenten geführt. Was sich im ersten Moment merkwürdig anhören mag, funktioniert im Spiel dann doch überraschend gut. Natürlich haben die Dummies keine realistischen Siegchancen, aber das Spielfeld wird dadurch einfach besser gefüllt, um so auch mit zwei Spielern eine spannende Partie zu ermöglichen. Am besten läuft das Spiel jedoch mit drei bis vier Spielern, die gerne auch etwas jünger als die auf der Schachtel angegebenen 14 Jahre sein dürfen.

Fazit: „Aufbruch zum roten Planeten“ ist ein spannendes und kurzweiliges Familienspiel mit stimmungsvollen Illustrationen, hochwertigem Spielmaterial und einem interessanten Setting. Das Steampunk-Flair kommt bestens rüber. Und auch nach einigen Partien kann man noch neue Strategien zur Optimierung der Mars-Eroberung austüfteln. Lobenswert ist auch die simultane Charakterkarten-Auswahl, die nur kurze Wartezeiten während des Zuges der anderen Spieler bedingt.


Aufbruch zum roten Planeten
Brettspiel für 2 bis 6 Spieler ab 14 Jahren
Bruno Faidutti, Bruno Cathala
Heidelberger Spieleverlag 2016
EAN: 4015566023048
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,95

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