Almanach der verlorenen Schätze

Wer stundenlang durch finstere Höhlen und Verliese kriecht, sich garstigen Kreaturen im tödlichen Zweikampf stellt, wirre Ränke in höfischen Intrigen spinnt oder versucht, anhand kleiner Hinweise einen schrecklichen Mord aufzuklären, hat es auch verdient, mit Schätzen belohnt zu werden. Eine Sammlung hierzu enthält der „Almanach der verlorenen Schätze“.

von Tobias Dworschak

 

Das Werk ist 68 Seiten lang. Vollfarbig, zweispaltig gesetzt und mit unterschiedlichen Illustrationen gespickt, entspricht der Almanach optisch den Erwartungen an Publikationen aus dem Hause Ulisses. Die Illustrationen zeigen vor allem die im Einzelnen beschriebenen Schätze und sind deshalb häufig wenig spektakulär.

Das Impressum nennt elf Autoren, unter denen ich auch einige mir unbekannte Namen entdecke. Das erste Durchblättern erschreckt mich. Ab Seite 14 fängt die Beschreibung der verlorenen Schätze an, und diese endet erst mit dem Buch. Vorher finde ich ein kurzes Kapitel über das Suchen von Schätzen. 52 Seiten Schätze. Ist das ernst gemeint?

Zum Glück entpuppt sich die Lektüre als spannender als zuerst befürchtet. Doch der Reihe nach.

Der Almanach beginnt mit dem Feldbericht eines Kundschafters. Diese Rubrik ist schon aus den „okkulten Geheimnissen“ bekannt und bietet eine stimmungsvolle Hinleitung zum Thema des vorliegenden Bandes, indem ein Kundschafter Hauptmann potenzielle Schätze vorstellt.

Wie diese gefunden werden können, untersucht das zweite Kapitel unter dem schlichten Titel „Schatzjagd“. Die Überschrift weckt meine Skepsis. Zuerst lerne ich, wie ich von verschollenen Schätzen erfahre (Allgemeinwissen, Recherche und so weiter). Und dann wartet das Kapitel mit zwölf verschollenen Schatzhorten auf. In kurzen Abschnitten bis maximal eine halbe Seite werden Lage, Herrscher und typische Bewohner dieser Orte präsentiert, jeweils garniert mit einem kurzen Text dazu, was diesen Hört so besonders macht. Es gibt eine Karte der Inneren See, auf der die Horte verzeichnet sind; diese macht deutlich, dass hier überall etwas zu finden ist – und dass ich jede Kampagne mit einem dieser Horte bereichern kann. Ich finde einen verschollenen Piratenschatz, einen Tempel der Kröte oder eine überwucherte Stufenpyramide. Erstaunt bin ich darüber, dass es den Autorinnen und Autoren vielfach mit wenigen Worten gelingt, die besondere Atmosphäre eines Hortes zu skizzieren. Das lässt dem Spielleiter viel Raum für eigene Ideen, weckt aber zweifellos die Kreativität.

Nicht ganz so überzeugend finde ich die neuen Flüche oder die unterschiedlichen Schatztruhen, zu denen bissige Truhen oder fliegende Truhen gehören.

Dann beginnt der Hauptteil des Almanachs: verlorene Schätze. Zuerst lese ich in einer kurzen Einleitung, wie ich als Spielleiter gewöhnliche Schätze zu etwas Besonderem aufwerten kann. Es folgen die Beschreibungen von 46 besonderen Gegenständen. Viele davon sind magisch, andere legendär, aber dazwischen sind immer wieder auch ganz weltliche Dinge zu finden. Jede Beschreibung nimmt mindestens eine Seite in Anspruch und gliedert sich in eine Darstellung des Gegenstandes, wie ich es von (magischen) Schätzen kenne, einschließlich der Spielwerte und der Voraussetzungen für die Erschaffung eines Gegenstandes. Der Eintrag bringt mir auch die Geschichte und die Bedeutung des Gegenstandes näher. Zum Abschluss finden sich unter der Überschrift „Vermächtnis“ Ideen, wie ich den Schatz in einer Kampagne einsetzen oder gleich ein ganzes Abenteuer dazu stricken kann.

Besonders gut gefällt mir dabei der Umstand, dass ich es hier nicht nur mit besonderen magischen Schätzen zu tun habe. Gaspodars Siegelring zum Beispiel ist „nur“ das Zeichen des rechtmäßigen Königs von Cheliax und als solches ein wichtiges Symbol in Kampagnen, die in diesem infernalen Staat spielen; insbesondere dann, wenn tapfere Recken zu Beginn gar nicht wissen, was sie da für einen merkwürdigen Ring gefunden haben. Natürlich gibt es auch magische Waffen und wundersame Gegenstände. Diese sind aber allesamt in stimmungsvolle Geschichten eingebettet und eröffnen mir als Spielleiter eine wahre Quelle guter Ideen.

Beim Lesen habe ich nie das Gefühl, hier neue Ausrüstung für noch mächtigere Charaktere zu erhalten. Der Band will Gegenstände mit Geschichten präsentieren, und das gelingt ihm auf sehr schöne Art und Weise. Viele Gegenstände und Ideen sind dabei überraschend originell.

Fazit: „Der Almanach der verlorenen Schätze“ hat mich positiv als Nachschlagewerk für Abenteuerideen überrascht. Anstatt Seite um Seite mit neuer Ausrüstung zu füllen, gibt er dem Spielleiter eine Fülle sehr guter Ideen an die Hand, die sich um eine bunte Mischung teils außergewöhnlicher Schätze aus allen Teilen Golarions entspinnen.


Almanach der verlorenen Schätze
Quellenbuch
Judy Bauer, Savannah Broadway, John Compton u.a.
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 978-3-95752-1-453
64 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,95

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