Kartenspiele

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Thunderstone

Früher waren Sammelkartenspiele (in endlosen Starter- und Boostervarianten) total angesagt. Heute kaufen die Spieler nicht mehr so gerne die Katze im Sack. Entsprechend hat sich eine Variante dieses Prinzips, die erweiterbaren Kartenspiele (engl. „Living Card Games“), entwickelt. Diese erscheinen in festen Sets, der Kartenfundus wird durch Erweiterungen aber kontinuierlich vergrößert. Beispiele wären „Warhammer: Invasion“, „Dominion“ oder – ganz neu – „Thunderstone“.

von Frank Stein

Die Story hinter „Thunderstone“, das ursprünglich aus der Spieleschmiede der Alderac Entertainment Group (AEG) stammt und auf Deutsch von Pegasus Spiele vertrieben wird, ist ebenso dünn wie gradlinig: Zu Anbeginn der Zeit, als Gut gegen Böse kämpfte, wurden die sagenumwobenen Donnersteine geschaffen, Symbole der Macht. Im Laufe der Jahrtausende gingen die meisten Steine verloren, andere wurden sorgsam versteckt. Doch sowohl Monster als auch Helden trachten nach den außergewöhnlichen Artefakten, und so kommt an in den unwegsamsten Orten der Welt zum Kampf.

Im Grundset ist der Schauplatz das Verlies von Grimholds Festung, was aber im Grunde egal ist, weil es in „Thunderstone“ (zumindest im Basisspiel) ohnehin keine ortsspezifischen Karten gibt. Vielmehr stellt jeder Spieler einen Söldnertruppführer dar, der in einem nahen Dorf Helden rekrutiert, Ausrüstung einkauft und dann immer wieder in den Dungeon stürmt, um die dort lauernden Monsterhorden zu töten, bis das Versteck des Donnersteins gefunden ist. Das wirkt ein bisschen wie ein Egoshooter, denn egal sehr man auch um sich schlägt, ein steter Strom von Monstern rückt nach, bis wirklich alle hinüber sind und man am Ende den Schatz abgreifen kann.

Aber der Reihe nach …

Das Spiel kommt in der üblichen Midsize-Box daher und enthält 585 Karten und ein Regelwerk. Dabei bleibt natürlich einiges an Luft in der Box, aber dafür eignet sich die Plastikeinlage sehr gut zum Sortieren der Karten (Kartentrenner für jeden Kartentyp werden erfreulicherweise mitgeliefert, wobei sie leider einen Tick zu hoch sind, sodass der Karton nicht mehr richtig schließt, wenn man sie verwendet). Wer noch nicht weiß, wie „Thunderstone“ tickt, ist beim Auspacken ein wenig enttäuscht. Viele der Karten zeigen gleiche Illustrationen, manchen Kartentyp, wie die „Miliz“, gibt es sogar 30 Mal. Doch das ist Methode und keine Geldmacherei, wie sich rasch zeigt. Insofern ist das kein Abwertungsgrund, mal abgesehen von den Heldenkarten, deren Recken auch auf unterschiedlichen Levels gleich aussehen. Hier wäre eine auch visuelle Umsetzung der gesteigerten Spielwerte schön gewesen.

„Thunderstone“ arbeitet mit drei wesentlichen Elementen: den Kommandodecks der Spieler (in denen sich Helden, gekaufte Ausrüstung und besiegte Monster befinden), dem Dorf (in dem Helden, Dorfbewohner und Waren anzuwerben beziehungsweise zu kaufen sind) und dem Dungeon (in dem stets drei Monster auf den Positionen 1 = nah, 2 = mittel und 3 = fern warten). Vier Basiskarten (Miliz, Fackel, Dolch, Proviant) sind in jedem Spiel enthalten. Aus ihnen zieht sich jeder Spieler anfangs auch sein Startkommandodeck zusammen. Welche vier Heldentypen dann in der Schänke herumsitzen, welche acht weiteren Dorfbewohner und Waren auf die Spieler warten und welchen drei Monstergruppen man entgegentreten muss, wird danach durch Zufallskarten bestimmt, wodurch jedes Spiel eine eigene Note bekommt. Alternativ kann man auch einen thematischen Ansatz wählen und sich etwa dafür entscheiden, nur gegen Untote, Wildniswesen oder Geschöpfe der Verdammnis anzutreten.

Dieses Zufallselement zu Beginn macht einen ersten großen Reiz des Spiels aus und öffnet natürlich zukünftigen Erweiterungen Tür und Tor. Im Basisspiel kann man aus 8 Monstergruppen, 11 Heldentypen und 19 Dorfkarten wählen. Die Mischung ist bunt und entspricht gängigen Fantasy-Abenteuern. Auf der Heldenseite warten zum Beispiel Ritter, Amazone, Priester, Diebin, Zwerg und Elfenzauberer auf den Spieler, zu den Monstern zählen Untote/Geister, Drachen, Zauberwesen und Schleim. Schön dabei ist, dass die Monstergruppen, die jeweils 10 Karten umfassen (ein Dungeon enthält am Ende also stets 30 Monsterkarten, in deren unteres Drittel der „Donnerstein“ gemischt wird), stets aus fünf unterschiedlichen Einzelmonstern bestehen. Für Abwechslung ist hier also gesorgt. Unter den Zauberwesen finden sich beispielsweise Pegasus, Nixe, Hund des Zwielichts, Greif und Sphinx.

Gespielt wird in Zügen, wobei jeder Spieler, der am Zug ist, genau eine Handlung durchführen darf. Er kann ins Dorf gehen und dort eine Karte einkaufen und beliebig viele Helden bis maximal Level 3 hochstufen (das nötige Geld respektive die Erfahrungspunkte vorausgesetzt). Er kann auch ins Dungeon ziehen und dort mit seiner Gruppe ein Monster bekämpfen. Oder er kann sich erholen und dadurch eine Karte abwerfen – das ist sinnvoll, um Krankheiten oder nicht mehr gebrauchte Ausrüstung loszuwerden. Dabei ist das Grundprinzip von „Thunderstone“ simpel: Der Angriffswert der Helden und ihrer Waffen wird mit den Lebenspunkten des Monsters verglichen. Ist er gleich oder höher, nimmt der Spieler das Monster, erhält Erfahrungspunkte, kann damit aufsteigen … Man kennt das.

Doch „Thunderstone“ weist eine Reihe sehr schöner Spielmechanismen auf, die ineinandergreifen und das Spiel deutlich komplexer machen. Da wäre zum einen das Kommandodeck. Man beginnt mit zwölf Karten, darf aber immer nur sechs Karten auf die Hand ziehen und muss damit den aktuellen Zug bestreiten. Anschließend wirft man alles auf den Ablagestapel und zieht sechs neue Karten für den nächsten Zug. Ist das Kommandodeck leer, mischt man den Ablagestapel und bildet ein neues Kommandodeck. Alle Helden, die man anwirbt, alle Ausrüstung, die man kauft, und alle Monster, die man besiegt, kommen auch in die Ablage, das heißt, sie rotieren später ins Kommandodeck hinein. Dieses wird im Verlauf des Spiels dadurch immer umfänglicher, was sowohl gut als auch schlecht ist. Denn hat man zu viele Karten, bekommt man die gewünschten Kombinationen aus Helden und Waffen vielleicht nicht auf die Hand, um starke Monster zu besiegen. Wirft man zu viele durch „Erholen“ ab, hat man nachher zu viele Monster auf der Hand, die zwar Siegpunkte einbringen, aber eben auch die Hand stören. Hier ist feines Management gefragt, um optimal im Spiel zu bleiben.

Des Weiteren wären da Dinge wie das Waffengewicht. Jeder Held hat eine gewisse Stärke, die durch Proviant erhöht und durch Kampfeffekte verringert werden kann. Nur wenn er stark genug ist, kann er auch die Waffen tragen, die besonders viel Schaden erzeugen. Oder er muss sich teure Ausrüstung kaufen, die dafür leicht ist und effektiv ist. Teure Ausrüstung kann man dagegen nur erwerben, wenn die sechs Handkarten eines Zuges genug Goldwert aufweisen – und nicht immer sind die starken Karten besonders viel wert! Darüber hinaus ist der Lichtabzug zu bedenken. Im Dungeon ist es dunkel, und je weiter ein Monster entfernt ist, desto schwerer ist es zu treffen, wenn man nicht genug Licht dabei hat. So gibt es Abzüge von -2, -4 und -6 auf den Kampfwert, wenn man nicht 1, 2 oder 3 Lichtquellen dabei hat, um den Abzug der drei Positionen im Dungeon (1 = nah, 2 = mittel und 3 = fern) auszugleichen. Und natürlich sind es nicht unbedingt die kampfstärksten Karten, die Licht geben. Man muss daher ständig abwägen, welche Karten einem wann was bringen. Ist ein Schwert, das viel Wumms hat, aber auch viel wiegt, besser als eine leichtere Waffe, die dafür aber einen höheren Goldwert hat? Ist ein Elfenmagier, der von sich aus Licht mitbringt, besser als ein Zwerg mit massivem Angriffswert? Werfe ich eine gute Waffe (wie den Speer) ab, um einen starken Einzeleffekt zu erzielen, oder behalte ich sie lieber für künftige Kämpfe?

All diese Erwägungen machen „Thunderstone“ zu einem Spiel, das zum Mitdenken anregt, ohne dass es eine eindeutige Strategie vorschreiben würde. Natürlich bieten sich gewisse Helden gegen gewisse Monster an. Und manche Karten (wie der extrem teure „Feuerball“) sind so gut, dass man mit ihnen nicht viel falsch machen kann – es sei denn, man stößt auf Monster, die gegen Magie immun sind. Alles in allem sind die Wertigkeiten aber so ausgewogen, dass man verschiedensten Ansätzen nachgehen und damit siegen kann. Das zeichnet das Spiel wirklich aus. Das Spiel endet, wenn der „Donnerstein“ aus dem Dungeondeck aufgedeckt und an Position 1 gerückt ist (man beachte: Lücken, die in der ausliegenden Dreierformation der Monster entstehen, werden stets durch nachrückende Karten vom Dungeondeck geschlossen – daher der oben erwähnte Egoshooter-Vergleich). Wer zum Spielende, die meisten Siegpunkte – in Form besiegter Monster – in seinem Kommandodeck hat, gewinnt. Der titelgebende „Donnerstein“ ist dabei gar nicht mehr so wichtig. Er bringt allein 3 Siegpunkte und entscheidet bei Gleichstand über den Sieg.

Fazit: „Thunderstone“ ist der Dungeoncrawl im Kartenformat – und macht als solcher echt Spaß. Natürlich muss man das Spielprinzip (Helden rekrutieren, Ausrüstung kaufen, Monster verkloppen) mögen, aber jeder Fantasy-Spieler, der solch einem schlichten Spielziel etwas abgewinnen kann, wird hier ein erfreulich komplexes und kurzweiliges Spiel finden, das seine angegebene Spielzeit von einer Stunde auch brav einhält und durch seine Spielkonzeption wunderbar erweiterbar ist. Für mich die erste Empfehlung des Jahres 2011!


Thunderstone
Kartenspiel für 2 bis 5 Spieler
Mike Elliot, Jim Pinto, Jason Engle u.a.
AEG / Pegasus Spiele 2010
EAN: 4250231703461
585 Karten, Regeln / deutsch
Preis: EUR 29,95

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