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Aeon's End

Endzeitstimmung im Fantasy-Land. Vor Ewigkeiten wurde die Welt vom Bösen überrannt und mittlerweile ist sie eine lebensfeindliche Einöde. Die Reste der Menschen haben sich in die „Feste der letzten Ruhe“ zurückgezogen, die sie erbittert gegen Anstürme von Ungeheuern verteidigen müssen. Ihre Wächter sind die Riss-Magier, die aus Rissen im Gefüge der Zeit ihre Magie schöpfen, Artefakte schaffen und Zauber wirken. Werden die Menschen überleben?

von Frank Stein

„Aeon's End“ ist ein kooperatives Deckbau-Kartenspiel für 1 bis 4 Spieler ab 10 Jahren. Wie so viele erfolgreiche Spiele der letzten Jahre, erblickte es auf Kickstarter das Licht der Welt. Das war schon im Frühjahr 2016. Erstaunlich lange hat es gedauert, bis das Spiel seinen Weg nach Deutschland gefunden hat, und das, obwohl in der Zwischenzeit vier weitere Kickstarter-Projekte von der Langlebigkeit des Spiels Zeugnis ablegten. Nun also haben sich Frosted Games und Pegasus Spiele der Reihe angenommen, und neben den Inhalten der ersten Wave (Grundspiel + zwei Erweiterungen) wurde für die erste Hälfte 2021 bereits die Inhalte der zweiten Wave (neues Grundspiel + zwei Erweiterungen, alles voll kompatibel) angekündigt. Sieht so aus, als wäre „Aeon's End“ bei uns angekommen.

Das Spiel wird in einer Standard-Spieleschachtel von 30x30 cm geliefert, die nicht nur Platz für die 328 Karten (sogar in Sleeves), die 8 Riss-Magier-Tableaus, die 4 Erzfeinde-Tableaus, 16 Risse, 2 Drehscheiben, Kartentrenner, Regeln und einen Stapel Pappmarker bietet, sondern auch noch die Inhalte der ersten zwei Erweiterungen aufnehmen kann. Praktisch für Spieler, die ihre Sammlung gern platzsparend komprimieren. Wer übrigens Sorge hat, dass den deutschen Fans die Kickstarter-Stretchgoals von damals entgehen könnten, dem kann diese genommen werden. Der Großteil davon wurde in der zweiten Erweiterung „Das Namenlose“ zusammengefasst, die auch auf Deutsch existiert. Die fehlenden Promo-Karten sind teilweise schon bei Frosted Games erschienen und im Shop zu kaufen beziehungsweise sollen laut Machern sukzessive nachgeschoben werden. Sehr schön!


    Das Spielmaterial: viele, viele Karten.

Das Spielmaterial ist von angenehm guter Qualität. Tableaus und Marker bestehen aus stabiler Pappe, vielleicht einen Ticken dünner als man es bei anderen Spielen kennt, aber völlig ausreichend. Die Drehscheiben sind robust und leichtgängig. Alle Illustrationen sehen hochwertig aus und sorgen für Atmosphäre am Spieltisch. Das 20-seitige Regelwerk mag auf den ersten Blick etwas bunt und chaotisch im Layout wirken, aber eigentlich kommt man gut damit klar, und zieht man Spielmaterialübersicht, den Aufbau, ausführliche Beispiele und Glossar ab, bleiben auch nur 8 Seiten an Regeln übrig, plus einer mit Solo-Spiel-Regeln, die man aber auch als Solo-Spieler ignorieren kann, wenn man statt mit einem Magier einfach mit zweien ins Feld zieht – was problemlos möglich ist.


    Spielaufbau mit 2 Spielern - oder solo mit 2 Riss-Magiern.

Das Spielprinzip an sich ist einfach, knifflig wird es, wie bei vielen Deckbau-Spielen erst durch die Kartentexte und das Optimieren des eigenen Decks. Zu Beginn einer Partie wählt jeder Spieler einen Riss-Magier, die alle unterschiedliche Fähigkeiten haben (die allerdings nur aktiviert werden können, wenn man genug Energie gesammelt hat, das heißt sie kommen eher selten zum Einsatz). Jeder Magier erhält vier Risse, die zum Teil direkt aktiv sind (das heißt, man kann Zauber an sie binden und von dort wirken), zum Teil noch auf der dunklen Seite liegen und durch Einsatz von Aetherium (die virtuelle Währung des Spiels, die durch verschiedene Kristall-Karten geliefert wird) erst gebündelt und aktiviert werden müssen. Außerdem erhält jeder Spieler Startkarten auf die Hand (Anfänger-Zauber und kleine Kristalle) sowie ein Start-Deck (aus den gleichen Kartenarten), das im Laufe des Spiels verstärkt werden will.


    Die Risse sind aktiviert, ein paar schicke Zauber am Start - jetzt kriegt der Erzfeind Haue.

Danach wird ein Erzfeind gewählt und ein Vorrat mit 9 Kartenstapeln – immer bestehend aus 4 Zaubern, 3 Kristallen und 2 Artefakten – vorbereitet. Dieser Vorrat ist das wichtigste Element des Spiels, denn hier stellt man sich aus einer großen (und mit den Erweiterungen immer größer werdenden) Auswahl an Karten seine Strategie zusammen. Wählt man eher billige Kristalle, die schnelles Aetherium versprechen, oder teure mit starken Spezialeffekten? Lieber Schadenszauber oder solche, die Risse bündeln und Spieler heilen können? In diesem Tüfteln schon vor Spielbeginn liegt ein unbestreitbarer Reiz von Deckbau-Spielen, die gekonnt die Komplexitätslücke zwischen Sammelkartenspiel und Kartenspielen mit festen Decks schließen. Nun wird noch rasch das Reihenfolgedeck gemischt, denn „Aeon's End“ arbeitet nicht mit einer festen Reihum-Reihenfolge, sondern birgt jede Runde die Unwägbarkeit, wer wann dran ist – und ob der Erzfeind womöglich zweimal direkt in Folge zuschlägt und dadurch mitunter unaufhaltsame Zeiteffekte wirkt.


    Aber auch der weiß schwere Geschütze aufzufahren. Diese Monsterriege macht Ärger.

Eine Runde ist in einzelne Züge unterteilt, die jeweils mit dem Ziehen einer Reihenfolgekarte beginnen. Ist ein Spieler an der Reihe, darf er zunächst Zauber wirken, die an seine Risse gebunden sind. Diese verursachen meist Schaden beim Erzfeind (der in der Regel über recht viele Lebenspunkt verfügt; 70 ist fast die Regel). Danach werden Aktionen ausgeführt, das heißt neue Zauber von der Spielerhand an die Risse gebunden, Artefakte ausgelegt und sofort genutzt, Kristalle gespielt, die Aetherium bieten, wofür man einkaufen oder Risse bündeln kann, etc. Hier muss man gut vorausplanen, denn gerade die Zauber werden in der Regeln nicht sofort gewirkt, sondern eben erst beim nächsten Spielerzug. Gleichzeitig lohnt es nicht, Karten auf der Hand zu behalten, denn man zieht am Ende immer auf fünf Karten auf, und normalerweise will man bei Deckbauspielen sein Deck schnell durchrotieren, um die mächtigen Karten immer und immer wieder in die Hand zu bekommen.

Ist stattdessen der Erzfeind am Zug (was zweimal pro Runde passiert), werden zunächst bei ihm ausliegende Monster- und Plan-Karten aktiviert. Danach wird eine neue Karte vom Erzfeind-Stapel gezogen, die entweder Monster, Plan oder Angriff ist. Angriffe werden gleich ausgespielt und bedeuten meist Schaden für die Feste der letzten Ruhe oder die Spieler. Monster und Pläne werden unter dem Erzfeind ausgelegt und sorgen dann in Folgezügen des Erzfeinds für Unheil, bis die Spieler sie beseitigt haben.


    Ist das Spiel noch zu retten?

Ziel des Spiels ist es, den Erzfeind auf 0 Lebenspunkte zu bringen, bevor dieser entweder alle Spieler erschöpft (auf 0 Lebenspunkte gebracht) hat oder aber die Feste der letzten Ruhe zerstören konnte – die im Standardspiel 30 Lebenspunkte hat, also meist weniger als die Hälfte des Erzfeindes.

„Aeon's End“ ist vom Schwierigkeitsgrad her solide, aber schaffbar, sofern man sich an die leichteren Erzfeinde hält, also jene mit Schwierigkeitsgrad 2, 3 oder 4. Bis 10 geht die Skala, und wer da oben mitspielen will, braucht neben einem wirklich guten Vorrat und einem Händchen für die effektive Nutzung der Karten auch ein gerüttelt Maß an Glück, um zu bestehen. Aber das Spiel zeichnet sich dadurch aus, dass es vielfältige Anpassungsmöglichkeiten des Schwierigkeitsgrads zulässt. So kann man die Lebenspunkte von Magiern, Erzfeind und der Feste anpassen oder Reihenfolgekarten nutzen, die den Spielern die Wahl lassen, wer am Zug ist. Somit dürfte, auch wenn sich das Spiel an Kenner richtet, für viele Spielertypen der richtige Schwierigkeitsgrad einstellbar sein.


    Ist es! Volle Zauberbreitseite!

Ansonsten bleibt nur noch abschließend zu sagen, dass das Spiel wirklich einen Heidenspaß macht. Die Mechanismen greifen gut ineinander. Man hat in fast keinem Zug das Gefühl, völlig nutzlose Karten auf der Hand zu halten. Irgendwas kann man damit immer anstellen. Die Karteneffekte erlauben schon beim Zusammenstellen des Vorrats verschiedene Strategien, die man etwa auf die Spezialfähigkeiten der Magier und den Erzfeind abstimmen kann. Und das Optimieren des eigenen Decks während der Partie erfreut jeden Hobbytaktiker. Was man trotz der atmosphärischen Optik und der Hintergrundtexte allerdings nicht erwarten darf, ist ein tiefes Einsteigen ins Abenteuer, in die andere Welt. „Aeon's End“ ist kein Living Card Game, sondern ein Deckbuilder wie etwa „Thunderstone“ oder der Klassiker „Dominion“. Die Mechanik und das Optimieren des Decks stehen hier eindeutig im Vordergrund. Dass man hierbei Riss-Magier spielt, die Ungeheuer bekämpfen, um die eigene Stadt zu retten, ist vor allem hübsche Kulisse.


    Das nennt man ein Photo Finish!

Fazit: „Aeon's End“ ist ein spannendes Deckbau-Spiel, das Spieler als Riss-Magier gegen mächtige Erzfeinde eintreten lässt (also ein sogenanntes Boss-Battler-Spiel). Die neuen Mechanismen, wie Reihenfolgedeck oder Risse, fügen sich gut in den klassischen Deckbau ein, die Herausforderung ist hoch, aber nicht unfair. Die Vielfalt an Karten reicht für einige Partien locker aus. Nachschub ist mit den ersten zwei Erweiterungen auch schon vorhanden. Und noch mehr ist angekündigt. Wer das Knobeln um gute Kartenkombos mag und gern taktisch übermächtige Gegner in die Knie zwingt, wird mit „Aeon's End“ viel Spaß haben.

Aeon's End
Kartenspiel für 1 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
Kevin Riley
Frosted Games/Pegasus Spiele 2020
EAN: 4250231726989
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

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