Ringbote http://www.ringbote.de/ de-DE Ringbote Sat, 27 Jul 2024 11:00:10 +0200 Sat, 27 Jul 2024 11:00:10 +0200 TYPO3 EXT:news news-5358 Fri, 26 Jul 2024 10:51:00 +0200 Star Wars: Han Solo & Chewbacca 2 – Tot oder lebendig https://www.ringbote.de/rezensionen/star-wars-han-solo-chewbacca-2-tot-oder-lebendig Chewbacca steckt mal wieder in der Klemme. Von einem Häscher des Benelex Marshal Service eingebuchtet, hockt er auf dem Gefängnisplanet Gulhadar und macht sich dort direkt Freunde, die ihn umbringen wollen. Wie diesen riesigen Togruta beispielsweise. Die Ordnungskräfte stehen derweil nur daneben und schauen gelangweilt zu. Die sind eindeutig überbezahlt. Und was ist mit Han Solo? Ach so … den hat Greedo erschossen. (Und, ja, das ist grammatikalisch so richtig: „den“, nicht „der“.) von Ye Olde Jedi-Master

Natürlich wissen alle Fans von „Star Wars“, dass das dynamische Schmuggler-Duo so leicht nicht umzubringen ist. Dazu braucht es schon Yuuzhan Vong, die einem einen Mond auf den Kopf fallen lassen – oder einen missratenen Sohn mit Großvaterkomplex. Insofern wird sich Chewbacca natürlich aus der Klemme befreien, und für Solo gilt die alte Cthulhu-Weisheit: „Es ist nicht tot, was ewig liegt.“ Etwa am Strand eines abgelegenen Alien-Planeten.

In diesem Sinne mag der erste Teil des klassischen Abenteuers von „Han Solo & Chewbacca“ mit dem flotten Titel „Schnelles Geld“ zwar mit einem fiesen Cliffhanger geendet haben – okay, fies, wenn man tatsächlich bereit ist, für einen kurzen Moment alles zu vergessen, was man weiß, und glauben möchte, dass Han Solo echt tot sein könnte –, aber schon zu Beginn des zweiten Teils, der vielsagend „Tot oder lebendig“ heißt, sind die zwei schon wieder im Aufwind. So trifft Chewie zu seinem Glück auf die schurkische „Gruftie“ Phaedra sowie auf die scheinbar überall mitmischende Piratenkönigin Maz Kanata. Und Solo findet sich auf der beschaulich mediterranen Welt Escalan wieder, wo er von Greedo und anderen verärgerten Kriminellen abgeladen wurde und wo sich Geschwister von Abe Sapien (aus „Hellboy“) – will sagen: sanfte Amphibienmenschen – um ihn kümmern, bis er wieder auf die Beine kommt.

Unterdessen suchen die Kontrahenten der beiden – Greedo, Solos „Vater“ Corbus Tyra und weitere – unverändert nach der Urne, in der sich Asche (oder so) befinden soll, die Jabba dem Hutten eine Million Credits wert ist. Um die Jagd danach wird es dann auch den Rest des Comics gehen, wobei natürlich Han und Chewie zeitnah wieder mitmischen. Es geht zur galaktischen Hauptwelt Coruscant, wo uns ein bekanntes Gesicht erwartet, und zum Schmugglermond Nar Shaddaa, wo es zu einem Zusammenprall aller Parteien kommt, Raumschiff-Action und Blasterfeuer inklusive. Ach, und erwähnte ich es schon? Natürlich ist die Urne nicht ganz das, was sie sein sollte …

Der zweite Band „Han Solo & Chewbacca“ lässt sich wirklich nicht lumpen. Es geht rasant zur Sache, schnelle Orts- und Personalwechsel erfordern die Aufmerksamkeit des Lesers. Verrat, Gegenverrat, fragile Bündnisse, fliegende Fäuste, Schurkenstücke und gegen Ende doch ein bisschen Moral: Das alles bietet der Comic, was ihn zu einem höchst unterhaltsamen und höchst klassischen frühen Abenteuer der Schmugglerfreunde Han und Chewie macht. Soll heißen: Natürlich passiert eine Menge, die man sich zuvor ungefähr so hat denken können, aber die schwungvolle Erzählweise schafft es trotzdem, Langeweile zu verhindern. In der Tat kommt einem der Comic fast etwas zu kurz vor, obwohl er mit zusammengefassten fünf Comic-Heft-Ausgaben (#6-#10 der Reihe) ziemlich typische Länge hat.

Visuell bleibt alles wie gehabt, denn das bewährte Team um Autor Marc Guggenheim wurde komplett beibehalten. Phil Noto steuert schicke Cover bei, die das Erzählte jeweils an der Comic-Heft-Grenze trennen. David Messina illustriert weiterhin stilsicher und mit erfreulichem Ergebnis, diesmal allerdings unterstützt durch Paul Fry, der da qualitativ leider nicht ganz mithalten kann, sondern sichtlich gröber den Pinsel schwingt. Routiniert koloriert wurde das Abenteuer erneut von Alex Sinclair.

Fazit: „Tot oder lebendig“? Gute Frage. Die Geschichte bietet sehr typisches „Star Wars“ – Verfolgungsjagden, Blasterfeuer, dumme Sprüche, wir hatten es ja schon davon –, das ist Fluch uns Segen zugleich. Die einen mögen das wenig innovativ finden, die anderen können sich in das Bekannte wie in eine kuschelige Decke hüllen. Jedenfalls fühlt sich auch dieser zweite „Han Solo & Chewbacca“-Band sehr wie eine Han-Solo-&-Chewbacca-Geschichte an. Mir hat die flotte Urnenjagd mit ihren diversen Protagonisten gut gefallen, auch weil Marc Guggenheim darauf verzichtet, „Star Wars“ mit psychologischem Tiefgang oder einer politischen Agenda zu überfrachten. Wer sich selbst also als Wohnzimmer-Schurke der alten Schule begreift, der ist mit dieser Story perfekt bedient.

Star Wars: Han Solo & Chewbacca – Tot oder lebendig
Comic
Marc Guggenheim, David Messina u. a.
Panini Comics 2023
ISBN: 978-3-7416-3565-6
112 S., Softcover, deutsch
Preis: 15,00 EUR

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Comics Star Wars
news-5357 Thu, 25 Jul 2024 10:39:00 +0200 Das Reich der Verdammten (Das Reich der Vampire 2) https://www.ringbote.de/rezensionen/das-reich-der-verdammten „Das Reich der Verdammten“ ist die Fortsetzung von „Das Reich der Vampire“, beides Romane mit einem Umfang von über 1000 Seiten, und die Reihe wird noch fortgesetzt, wodurch man tief in die Handlung eintauchen kann. von Alice

Einst war der Halbvampir Gabriel ein Held, dann wurde er zu einem griesgrämigen Alkoholiker. Inzwischen befindet er sich in Gefangenschaft eines Vampirs und erzählt seine Lebensgeschichte. Er setzt die Geschichte an der Stelle fort, als er Dior, die auch der „Gral“ genannt wird, vor dem Tod bewahrt. Dadurch werden einstige Freunde jedoch zu Feinden, weshalb er mit seiner Schwester Celene und Dior flieht. Vampire, Halbvampire und weitere Gefahren machen eine Hetzjagd auf die Gruppe. Celene führt Gabriel und Dior zu einem Esani, einer der wenigen Vampire, die aus Gabriels seltener Blutlinie abstammen. Dort hofft Gabriel, mehr über sich selbst zu erfahren und auch herauszufinden, wie Dior den Tagestod beenden kann. Problematisch ist jedoch, dass er Celene nicht gänzlich vertraut, was sich als besonders fatal herausstellt, als er von der Gruppe getrennt wird und Dior seiner Schwester anvertrauen muss.

Wie bereits im ersten Band liest man abwechselnd von der Zeit in der Gefangenschaft und aus der Perspektive von Gabriel als Ich-Erzähler, sobald er von seiner Vergangenheit erzählt. Neu ist, dass ein weiterer Erzähler hinzukommt, wodurch man neue Szenen und teilweise auch dieselben Szenen aus einer anderen Sichtweise erlebt. Insgesamt handelt es sich weiterhin um eine düstere Geschichte mit reichlich brutalen Szenen und überraschenden, teils schockierenden Wendungen. Die Ausdrucksweise ist häufig derb, was vor allem an Gabriels Vorliebe fürs Fluchen liegt, eine Marotte, die immer wieder für Unterhaltung sorgt.

Bei über 1000 Seiten pro Buch freut sich jeder Vielleser, der gerne tief in eine Geschichte eintaucht, und da noch mindestens eine Fortsetzung folgen wird, gibt es weiterhin viel zu erleben. In Band eins war man lange damit beschäftigt, in der Welt anzukommen und ihre Eigenheiten zu verstehen, inzwischen sind diese vertraut, sodass man sogleich loslegen kann. Sollte man sich nicht mehr an alle Details des vorhergehenden Bandes erinnern, empfiehlt es sich, die Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse durchzulesen. Insgesamt liest sich die Geschichte deutlich flüssiger als der erste Band, da es diesmal weniger Zeitsprünge gibt.

Offene Fragen werden teilweise beantwortet, teilweise lässt die Auflösung weiterhin auf sich warten, was Neugierde weckt. „Das Reich der Verdammten“ endet mit einem Cliffhanger, der viel Spekulationsfreiraum lässt. Zudem besteht der Verdacht, dass es bereits einige Andeutungen und doppeldeutige Formulierungen gibt, die Hinweise geben. Dies verleitet zum Grübeln, sobald man den Roman fertig gelesen hat.

Das Buch liegt als hochwertiger Hardcover mit Schutzumschlag vor. Wer zu denjenigen gehört, die beim Lesen den Schutzumschlag gerne abnehmen, dem wird auffallen, dass das Buch selbst ebenfalls sehr ansprechend gestaltet ist. Schlägt man die erste Seite auf, erhält man sogleich eine Karte, was bei einer solch umfangreichen Geschichte erfreulich ist. Eine Besonderheit sind zahlreiche, über den ganzen Roman verteilte, vollflächige Illustrationen, welche mit viel Liebe zum Detail und in einem Stil umgesetzt wurden, der noch lange in Erinnerung bleibt. Am Ende des Buches findet man eine weitere Karte, auf der dieses mal die Reiseroute eingezeichnet ist. Das ist eine gute Idee, diese nicht gleich am Anfang zu offenzulegen.

Leseprobe

Fazit: Wer den ersten Band mochte, wird von „Das Reich der Verdammten“ begeistert sein. Die Geschichte liest sich nun deutlich flüssiger, und es gibt immer wieder neue Überraschungen. Trotzdem bleiben genug Fragen offen, um Neugierde auf die Fortsetzung zu wecken.

Das Reich der Verdammten (Das Reich der Vampire 2)
Fantasy-Roman
Jay Kristoff
Fischer Tor 2024
ISBN: 978-3-596-70042-4
1008 S., Hardcover, deutsch
Preis: 28,00 EUR

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Romane Fantasy
news-5355 Mon, 22 Jul 2024 08:00:00 +0200 Der Mann, der auf Urd fiel https://www.ringbote.de/rezensionen/der-mann-der-auf-urd-fiel Auch weit fortgeschrittene Charaktere, die sogenannten „Meister“, sollen etwas zu tun kriegen, wenn der „Schatten des Dämonenfürsten“ auf die Welt fällt. „Der Mann, der auf Urd fiel“ ist ein weiterer Abenteuerband für das grimmige Dark-Fantasy-Rollenspiel und wendet sich an sehr erfahrene Charaktere. von Jens Krohnen

Alle vier hier versammelten Abenteuer sind für sogenannte Meister, also sehr erfahrene Charaktere, gedacht. Die Abenteuer könnten problemlos hintereinander gespielt werden, verfügen aber über kein verbindendes Element – sieht man einmal von den titelgebenden Schatten des Dämonenfürsten ab.

Eröffnet wird der Abenteuerreigen mit dem Titel „Der letzte Zug nach Dunkelstadt“. Hier werden die Charaktere von einer Bahngesellschaft angeheuert, welche drei Züge auf der Route nach Dunkelstadt quer durch die nördliche Ödnis betreibt. Zwei Züge sind bereits verschwunden und die Charaktere werden beauftragt, den dritten und letzten Zug nach Dunkelstadt zu begleiten. Neben dem wahrlich herausfordernden Grund für das Verschwinden der anderen Züge erwarten die Charaktere natürlich auch noch Schwierigkeiten an Bord.

„Mit meinem letzten Schrei“ wiederum ist ein klassisches Spukhaus-Szenario, welches die Charaktere allerdings mit einer beinharten Herausforderung konfrontiert. Neben ein wenig investigativem Grusel gibt es also abermals für die Kämpfernaturen mehr zu tun.

Im dritten Abenteuer, „Tribut des Riesen“, müssen die Charaktere herausfinden, was hinter der Sinneswandlung eines marodierenden Riesen steckt. Denn dieser verlangt statt seiner üblichen Kost – Schafe und Bier – urplötzlich Menschenopfer von den umliegenden Dörfern. Zeit, dem riesenhaften Grobian ein paar ernsthafte Spielercharaktere auf den Hals zu hetzen.

Abgeschlossen wird der Band mit dem titelgebenden „Der Mann, der auf Urd fiel“. Als eines nachts ein blauer Riese vom Himmel fällt, kann sich niemand in dem verschlafenen Dorf, in dessen Marktplatz das Wesen landet, einen Reim auf die ganze Sache machen. Doch als eine Ritterin des „Wahren Gottes“ den Tod des Riesen fordert und plötzlich immer mehr Dämonen in die Realität kommen, wird klar, dass es hier ein Geheimnis zu lüften gilt.

Zwei der vier vorliegenden Szenarien verdienen den Titel „Abenteuer“ kaum. Stattdessen sind sie eher mit einer groben Rahmenhandlung versehene „Encounter“, welche in erster Linie auf stramme Kampfbegegnungen hinauslaufen. Dies gilt sowohl für „Der letzte Zug nach Dunkelstadt“ sowie „Mit meinem letzten Schrei“. Beide Szenarien sind natürlich beinharte Herausforderungen für Meister-Charaktere, allerdings bleibt die jeweilige Handlung äußerst dünn und eindimensional. Die beiden abschließenden Szenarien bieten etwas mehr Bewegungsfreiheit und im Falle von „Der Mann, der auf Urd fiel“ auch einige abgefahrene Ideen. Damit ist die Sammlung für Spielleiter einer „Meister“-Gruppe dank dem Abwechslungsreichtum zumindest interessant. Allerdings – und das ist bei diesem System natürlich Programm – sind alle Szenarien finster, dreckig und voller dunkelgrauer Charaktere. Das muss man mögen, doch Spieler dieses Systems sollten hier vollauf zufrieden sein.

Der Band ist vollfarbig. Das Layout orientiert sich dabei am Grundregelwerk und bietet eine gute Struktur und Lesbarkeit. Die Illustrationen sind hochwertig, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu spärlich eingesetzt. Insbesondere die mitgelieferten Karten sind aber von sehr ordentlicher Qualität und gut lesbar. Dem Lektorat und Korrektorat kann ich nur eine gute Note ausstellen, da mir kaum störende Fehler ins Auge gesprungen sind.

Fazit: Wie in jedem Abenteuerband für „Der Schatten des Dämonenfürsten“ gibt es gleich vier Szenarien von mindestens ordentlicher Qualität, welche dem geneigten Spielleiter noch einige Vorbereitung übriglassen, um aus den dünnen Handlungen abendfüllende Szenarien zu machen. Wer den Aufwand nicht scheut, erhält hier einige wirklich beinharte Herausforderungen.

Der Mann, der auf Urd fiel
Abenteuerband
Matt Forbeck, Richard Baker u.a.
System Matters 2019
ISBN: 978-3963780264
64 S., Softcover, deutsch
Preis: 12,95 EUR

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Rollenspiele Weitere Systeme
news-5354 Sun, 21 Jul 2024 08:00:00 +0200 Manifest Destiny 8: Sacrificium & Reditus https://www.ringbote.de/rezensionen/manifest-destiny-8-sacrificium-reditus Einst waren die USA „Terra incognita“ für die europäischen Siedler. Viel gab es zu entdecken, zu erforschen, zu vermessen. Einen großen Beitrag zur Erkundung der neu in Besitz genommenen Landschaften, ihrer Pflanzen, Tiere und auch Ureinwohner leisteten Meriwether Lewis und William Clark, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Auftrag des Präsidenten Thomas Jefferson durch das weite Land zogen. Ihre berühmt gewordene Expedition ist dem Team der Comic-Reihe „Manifest Destiny“ Grundlage eigener phantastischer Geschichten, mit dem Hardcover-Sammelband „Sacrificium & Reditus“ in deutscher Veröffentlichung zum achten und als Abschluss auch zum letzten Mal. von Simon Ofenloch

Im Jahr 1805 ist die Expedition von Meriwether Lewis und  William Clark beinahe am Ziel angelangt, und der Pazifische Ozean ist nahe. Die lange und gefährliche Reise nähert sich dem Ende, doch kurz vor dem Abschluss stehen die Entdecker weiterhin vor größten, lebensbedrohlichen Herausforderungen. Denn immer noch befinden sie sich in einem Gebiet, das von mysteriösen und gefährlichen Kreaturen besiedelt ist. Gleich mehrere übernatürliche Wesen greifen die Gruppe an und zwingen die Gefährten, ein weiteres Mal alle Kräfte zu mobilisieren, um zu überleben.

Während die äußeren Gefahren zunehmen, eskalieren auch die Spannungen innerhalb der Gruppe. Lewis und Clark müssen schwierige Entscheidungen fällen, die nicht nur Wohl und Weh betreffen, sondern auch ihre Menschlichkeit auf die Probe stellen. Captain Lewis wird von inneren Dämonen und Zweifeln geplagt, während Captain Clark versucht, die Moral aufrechtzuerhalten. Der Zusammenhalt der Gruppe wird durch Misstrauen und Konflikte erschüttert. Am Ende kommt es zu einer entscheidenden Schlacht gegen eine gigantische Kreatur, die sowohl die physischen als auch die psychischen Grenzen der Expeditionsteilnehmer strapaziert. Diese epische Konfrontation fordert das gesamte Können und die Tapferkeit der Gruppe und führt zu entscheidenden Opfern, darunter dem eines „Kriegskindes“.

Mit dem achten Band von „Manifest Destiny“, „Sacrificium & Reditus“, setzen Autor Chris Dingess und Zeichner Matthew Roberts zusammen mit Kolorist Owen Gieni die spannende und düstere Erzählung rund um die historische Lewis-und-Clark-Expedition nach eigener Auslegung fort und bringen ihre Geschichte zudem zum Abschluss. Der Titel „Sacrificium & Reditus“ benennt die zentralen Themen des Bandes: Opfer und Rückkehr. Die Expeditionsteilnehmer müssen schwerwiegende Opfer bringen, um ihr Überleben zu sichern. In diesem Band wird besonders der innere Konflikt der Charaktere beleuchtet, während sie mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen kämpfen. Die Expeditionsteilnehmer müssen erkennen, dass ihre Reise nicht nur physische Opfer verlangt, sondern auch moralische und emotionale, und dass selbst aus den engsten Partnern Widersacher werden können. Der gelungene Mix aus historischen Fakten und übernatürlichen Elementen sorgt dabei weiterhin für faszinierende Szenarien. Zum Abschluss der Serie tritt Sacagawea noch einmal sehr viel mehr in den Vordergrund, da sie eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des gefährlichen Gebietes spielt und tiefere Einblicke in ihre Vergangenheit und ihre Motivationen gewährt werden. Ihr Wissen und ihre Fähigkeiten sind entscheidend für das Überleben der Gruppe, aber auch sie muss sich großen persönlichen Herausforderungen und inneren Konflikten stellen.

Zeichner Matthew Roberts beeindruckt erneut mit seinem detaillierten und atmosphärischen Zeichenstil. Die Illustrationen fangen die bedrohliche und unheimliche Atmosphäre der Wildnis und das Grauen der teuflischen Kreaturen meisterhaft ein. Die Darstellung der Biester und Monster ist wie gewohnt kreativ und mitunter verstörend. Mit herausragendem Artwork und beeindruckender Handlungsdynamik, die „Manifest Destiny“ seit Beginn der Reihe 2013 auszeichnen, bringen Chris Dingess und Matthew Roberts ihre düstere, makabere Alternate-History-Serie zu einem würdigen und noch einmal auch heftig blutigen Abschluss. Die Geschichte endet mit einem emotionalen und dramatischen Höhepunkt.

Die letzten Seiten des Sammelbandes bündeln persönliche abschließende Worte zur gesamten Serie und deren Vollendung von einigen der kreativ Beteiligten, darunter auch Autor, Zeichner und Kolorist.  

Fazit: Ein würdiges, zufriedenstellendes Finale. Die hervorragend gezeichnete Reihe über das Alternativwelt-Szenario der berühmten US-amerikanischen Lewis-und-Clark-Expedition überzeugt bis zuletzt mit ihrer faszinierenden und originellen Mischung aus historischen Abenteuern und übernatürlichem Horror. Die Charakterentwicklung und die dynamische Handlung sorgen dafür, dass die Serie auch im letzten Sammelband spannend und unvorhersehbar bleibt. Wie die vorangegangen Bände besticht „Sacrificium & Reditus“ durch eine packende Erzählweise und beeindruckende Zeichnungen.

Manifest Destiny 8: Sacrificium & Reditus
Comic
Chris Dingess, Matthew Roberts, Owen Gieni
Cross Cult 2023
ISBN: 978-3-98666-071-0
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: 22,00 EUR

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Comics Manifest Destiny
news-5351 Fri, 19 Jul 2024 10:56:00 +0200 Der Mann, der vom Himmel fiel https://www.ringbote.de/rezensionen/der-mann-der-vom-himmel-fiel Nachdem der gleichnamige Kinofilm von Nicolas Roeg 1976 erschienen war, verhalfen ihm die kunstvolle Inszenierung, die beeindruckende Bildgestaltung und vor allem auch die Leinwandpräsenz von David Bowie bald zu Kultstatus. Die Geschichte nach einer Romanvorlage von 1963 mit dem gleichen Titel von Walter Tevis behandelt Themen wie die Bedrohung durch klimatische Veränderungen und die Gier kapitalistischer Unternehmen. Adaptiert als Graphic Novel erfahren diese immer noch aktuellen Inhalte aus Film und Buch eine neuerliche Bearbeitung. von Simon Ofenloch

Irgendwo in New Mexico landet ein außerirdisches Wesen, das die Gestalt eines Mannes angenommen hat. Er nennt sich Thomas Jerome Newton. Dank seiner fortschrittlichen wissenschaftlichen Kenntnisse wird Thomas durch zahlreiche bahnbrechende Erfindungen, die seine Firma auf den Markt bringt, unfassbar reich. Mit diesen finanziellen Mitteln plant er, eine kostbare Ressource von der Erde zu seinem Heimatplaneten zu transportieren: Wasser. Doch sein wachsender Reichtum und Ruhm bleiben der US-Regierung nicht verborgen. Und wie Thomas zudem erkennen muss: Das Leben als Mensch steckt voller gefährlicher Verlockungen.

Mit „Der Mann, der vom Himmel fiel“ präsentieren Dan Watters und Dev Pramanik die autorisierte Graphic-Novel-Adaption des Kultfilms mit David Bowie in der Hauptrolle und damit auch der ikonischen Geschichte, welche durch die besondere Kinoinszenierung von Regisseur Nicolas Roeg und die Darstellung von David Bowie berühmt geworden ist. Der Comic nimmt die Leser mit auf eine hintersinnige und visuell beeindruckende Reise, die die Themen des Originals aufgreift und erweitert.

Die Handlung entwickelt sich gut nachvollziehbar, eher ruhig, mitunter gar in träumerischer Gangart, mit verhandelten Konflikten zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Menschlichkeit und Misstrauen oder auch Fremdenfeindlichkeit. Die Themenansprache erfährt dabei gar eine philosophische Qualität.

Dev Pramanik liefert mit seinen Illustrationen eine beeindruckende visuelle Umsetzung der Geschichte, mit eindeutiger  Reverenz gegenüber der Filmvorlage. In variierenden, mal mehr mal weniger detailreichen Panels gelingt ihm eine packende, mitreißende Dynamik in passender Rhythmisierung. Die Farbpalette und das Spiel mit Licht und Schatten verstärken die mitunter unheimliche Atmosphäre der Erzählung. Besonders beeindruckend sind die Darstellungen von Newtons Sonderlichkeiten und der außerirdischen Handlungselemente.

Im Anschluss an die eigentliche Bildergeschichte folgen dem Comic am Ende des Bandes noch aufschlussreiche Informationen und Anschauungsmaterialien zum bildlichen Entwurf der Hauptfiguren, verschiedene Cover-Entwürfe, Einblicke in die Entwicklungs- und Arbeitsschritte beim Entstehen des Comics, Kurzbiographien zu den beteiligten Kreativen Dan Watters, Dev Pramanik, Jordi Escuin Llorach und Jim Campbell und ein interessanter Artikel über Nicolas Roegs Film, mit vielen tollen Fotos von den Dreh- und Produktionsarbeiten.  

Fazit: „Der Mann, der vom Himmel fiel“ von Dan Watters und Dev Pramanik ist eine gelungene Neuinterpretation der als Kult verehrten Filmvorlage und des ihr zugrundeliegenden Romans, vor allem aber der filmischen Umsetzung. Die Mischung aus tiefgründigem Inhalt und ebenso stimmungs- wie kunstvollen Illustrationen schafft ein intensives Graphic-Novel-Leseerlebnis, bei dem die existenziellen Fragen und emotionalen Konflikte der Charaktere und dabei auch der ganzen Weltgesellschaft gekonnt ins Bewusstsein rücken. „Der Mann, der vom Himmel fiel“ von Dan Watters und Dev Pramanik erweitert das Erbe des Films und bietet eine neue Perspektive auf die zeitlosen Themen, die ihn so unvergesslich gemacht haben.

Der Mann, der vom Himmel fiel
Comic
Dan Watters, Dev Pramanik
Cross Cult 2023
ISBN: 978-3-98666-114-4
130 S., Hardcover, deutsch
Preis: 25,00 EUR

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Comics Science-Fiction
news-5352 Thu, 18 Jul 2024 11:03:11 +0200 Die Hand aus dem Grab https://www.ringbote.de/rezensionen/die-hand-aus-dem-grab Einmal im Jahr dürfen sich Hobby-Detektive aller Art besonders freuen, erscheint doch pünktlich zu SPIEL in Essen neues Material für das Detektiv-Rollenspiel „Private Eye“. „Die Hand aus dem Grab“ ist der bereits vierzehnte Abenteuerband. von André Frenzer

Und Abenteuer gibt es tatsächlich noch einige mehr – sogar Abenteuerbände. Doch die vorhergehende Veröffentlichung, der Kampagnenband „Auf der Spur des Grauens“, wurde halt nicht als „Abenteuerband“ gezählt, sodass mit „Die Hand aus dem Grab“ nun erst die Folgenummer zu „Aller guten Dinge sind sechs“ aus dem Jahr 2019 vorliegt. Doch genug der Rechnerei, reden wir über den Kriminalfall!

Denn dieser hat es wieder einmal in sich. Alles beginnt 1887 mit einem Empfang, welchen Sir Jasper Hartnell zu Ehren der Verlobung seiner Enkelin gibt. Der Professor für Ägyptologie und Leiter der ägyptischen Abteilung des British Museums staunt allerdings nicht schlecht, als ein ägyptischer Diener eines Gastes plötzlich anfängt, wilde Flüche auszustoßen. Tod werde über die Frevler und Mumienschänder kommen. Der Empfang endet abrupt, und während die Familie Hartnell darum bemüht ist, den gesellschaftlichen Schaden gering zu halten, ist eine alte Freundin der Familie aufgeschreckt. Die resolute Lady Rosamund beauftragt nicht nur die Charaktere, herauszufinden, ob der Familie ein Unheil drohen könnte, sondern auch ein ihr vertrautes Medium.

In den nächsten Tagen kommt es dann tatsächlich zu einem grässlichen Mordanschlag auf einen angesehenen Ägyptologen. Zwar überlebt Mr. Meredith den Überfall, doch kann er nur von einer grobschlächtigen Gestalt berichten, die versucht habe, ihn zu erwürgen. Einen Tag später hat sein Kollege Charles Burton weniger Glück und kann nur noch tot und mit eingedrücktem Kehlkopf in seiner Wohnung gefunden werden. Die einzigen Spuren: alte Leinenbinden und ein harziger Geruch … Als auch noch der Fotograf Oliver Cox, spezialisiert auf ägyptische Fundstücke, Opfer eines Anschlags wird, ist der Fall für die Londoner Presse klar: Eine Mumie muss umgehen, um furchtbare Rache an den Frevlern zu nehmen. Können die Charaktere dem vermeintlich uralten Schrecken das Handwerk legen? Und welche Rolle spielt das von Lady Rosamund beauftragte Medium in diesem Fall?

„Die Hand aus dem Grab“ schafft eine reizvolle Atmosphäre. Das ägyptische Thema eignet sich hervorragend, um einen eigentlich mundanen Fall mit einer gesunden Portion Grusel zu paaren. „Die Hand aus dem Grab“ bietet sich damit auch hervorragend an, um von Agenten von S.P.E.A.R., der in „Auf der Spur des Grauens“ vorgestellten Organisation, gelöst zu werden. Autor Tobias Limberger schafft darüber hinaus eine interessante Figurenriege mit einem eng verwobenen Hintergrund, welcher von den Detektiven erforscht werden kann. Das weiß zu gefallen.

Ein wenig hadere ich in diesem Fall allerdings mit der Aufarbeitung des Szenarios. Denn der Autor hat sich für einen recht detaillierten Handlungsablauf entschieden, in dessen Verlauf der Täter mehrfach in Erscheinung tritt und seine Strategie ändert oder anpasst. Das erinnert an einen klassischen Agatha-Christie-Fall und ist damit sicher genregetreu; nichtsdestotrotz ist diese Herangehensweise für die Spielleitung natürlich recht komplex umzusetzen. Begeben sich die Charaktere zu früh – oder vielleicht auch gar nicht – auf die richtige Fährte, so sind weite Teile der vorkonzipierten Handlung nicht mehr nutzbar. Vielleicht wäre ein sandboxartiger Ansatz sinnvoller gewesen, auch wenn die Lektüre des Bandes so zugegebenermaßen mehr Freude gemacht hat. Wiederum vorbildlich gelungen sind die abschließenden Anhänge, in den Personen näher beschrieben, Hinweise zusammengefasst und aufgelistet, Zeitleisten gegeben und Handouts vorgestellt werden. Mithilfe dieser „Spickzettel“ lässt sich das Leiten durchaus erleichtern.

Der Band erscheint wie üblich als schwarz-weißes Softcover und ist passend bebildert. Das Layout zeigt sich gewohnt schlicht, aber sehr gut lesbar und gerade die Zusatzinformationen und Zusammenfassungen des Anhangs sind gut lesbar gesetzt. Das Cover gestaltete wieder einmal Manfred Escher, und es fügt sich gut in die Reihe der „Private Eye“-Abenteuerbände ein. Handouts wie Zeitungsartikel sind dieses Mal größtenteils aber eher praktisch als umwerfend schön gehalten, doch das schmälert ihren Nutzen nicht. Lektorat und Korrektorat haben gute Arbeit geleistet, womit ich für die technische Seite nur eine gute Note vergeben kann.

Fazit: „Die Hand aus dem Grab“ ist ein klassischer Kriminalfall mit gruseligem Anstrich, der es wert ist, von den Detektiven erlebt und gelöst zu werden. Die Aufarbeitung ist ein wenig unglücklich, doch wer sich die Mühe macht, die Geschichte auf die Handlungen seiner Detektive zu konvertieren, erhält einen absolut lohnenden Abenteuerband.

Die Hand aus dem Grab
Abenteuerband
Tobias Limberger
Redaktion Phantastik 2022
ISBN: 978-3946759850
72 S., Softcover, deutsch
Preis: 16,95 EUR

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Rollenspiele Private Eye
news-5350 Wed, 17 Jul 2024 10:54:00 +0200 Assassin’s Creed – Mirage – Die Tochter von Niemandem https://www.ringbote.de/rezensionen/assassins-creed-mirage-die-tochter-von-niemandem „Die Tochter von Niemandem“ erzählt eine Vorgeschichte zu „Assassin’s Creed – Mirage“. Man erfährt, wie Roshan von einer persischen Sklavin zu einer Assassinin wird. von Alice

Die Handlung spielt zwischen 819 und 824 und erzählt die Vorgeschichte von Roshan, die eines Tages Basim Ibn Ishaqs Meisterin wird. Roshan ist Tochter einer persischen Familie und wird als Sklavin verkauft, was zu dieser Zeit ein häufiges Schicksal von Frauen ist. Sie gerät damit in die Zwangsehe eines grausamen Mannes und soll ihm Nachwuchs gebären.

Roshan findet jedoch einen Ausweg aus diesem düsteren Leben: Ein raffinierter Erfinder erkennt ihre Intelligenz und bietet ihr einen Neubeginn an. Sie darf Lesen und Schreiben lernen, was für eine Frau eine Seltenheit ist. Im Gegenzug dazu soll sie für ihn geheime Aufträge ausführen, denn bei seinen Erfindungen handelt es sich häufig um außergewöhnliche Mordwaffen. Ihre Aufgabe erledigt Roshan geschickt und erfolgreich, bis sie eines Tages in Gefangenschaft gerät. Ihre Geschichte geht jedoch weiter, denn ihr gelingt ein Ausbruch und sie findet einen neuen Auftraggeber, für den sie ein geheimnisvolles Objekt stehlen soll, das auf der Seidenstraße nach Persien transportiert wird.

Für diese Mission arbeitet Roshan dieses Mal in einer Gruppe zusammen, was sie nicht gewohnt ist. Es fällt ihr schwer, den anderen zu vertrauen, was sich sogar als berechtigt herausstellt, denn es gibt in den eigenen Reihen einen Verräter. Somit darf man sich auf mindestens eine überraschende Wendungen gefasst machen.

Die Handlung ist eher einfach gehalten und hat wenig Tiefgang, dennoch erlebt man durchgehend Spannung und einige actionreiche Szenen, was für einen „Assassin’s Creed“-Roman passend erscheint. Der Bezug zu den historischen Details fehlt allerdings. „Assassin’s Creed“ ist eigentlich dafür bekannt, dass detailreich auf reale historische Ereignisse eingegangen wird, welche daraufhin mit Fiktion verbunden werden. Der Bezug dazu bleibt in diesem Roman jedoch eher oberflächlich. Das Ambiente an sich kommt dagegen gut zur Geltung. Der Konflikt zwischen Templern und der Bruderschaft, welcher sich durch die „Assassin’s Creed“-Reihe zieht, wird erst gegen Ende der Geschichte relevant. Dies mag zunächst merkwürdig erscheinen, hat aber seine Berechtigung.

Der Schreibstil liest sich durchgehend flüssig, wodurch man der Handlung gut folgen kann. Nur die Zeitsprünge sorgen hin und wieder für Verwirrung. Gelegentlich fühlt man sich aus spannenden Szenen herausgerissen, und um Verwirrung vorzubeugen, sollte man stets sehr genau auf die Jahreszahlen zu Kapitelbeginn achten, damit man sofort weiß, welchem Handlungsstrang man gerade folgt. Da die Ereignisse nur wenige Jahre auseinanderliegen, könnte das sonst etwas untergehen. Der Vorteil der Zeitsprünge liegt vor allem darin, noch mehr Spannung aufzubauen.

Mit Roshans Vorgeschichte erhält man einen direkten Bezug zum Videospiel – Fans können sich somit darauf freuen, mehr Hintergründe zu erfahren. Vorkenntnisse sind dennoch nicht erforderlich, weshalb jeder  an dem Roman Freude haben kann, der einfach eine spannende Meuchelmörder-Geschichte lesen möchte.

Fazit: „Die Tochter von Niemandem“ eignet sich sowohl für Fans, die mehr über Roshans Vergangenheit erfahren möchten, als auch für jeden, der eine spannende, kurzweilige Meuchelmörder-Geschichte lesen möchte.

Assassin‘s Creed – Mirage – Die Tochter von Niemandem
Fantasy-Roman
Maria Lewis
Cross Cult 2024
ISBN:  978-3-98666-448-0
384 S., Softcover, deutsch
Preis: 16,00 EUR

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Romane Fantasy
news-5348 Sun, 14 Jul 2024 20:00:00 +0200 Die Ghibliothek (überarbeitete Neuausgabe) https://www.ringbote.de/rezensionen/die-ghibliothek-ueberarbeitete-neuausgabe Hayao Miyazaki steht wie kein anderer für die Faszination von Anime-Filmen. Die Filme des Studio Ghibli, welches 1985 gegründet wurde, suchen ihresgleichen und begeistern Jung und Alt. Panini Comics hat nach dem neuesten Film „Der Junge und der Reiher“ (2023) die „Ghibliothek“ ergänzt und als Neuausgabe herausgebracht. von Daniel Pabst

„Die Ghibliothek“ trägt als Untertitel: „Der inoffizielle Guide zu den Filmen von Studio Ghibli“. Das 192-seitige Sachbuch wurde von Michael Leader und Jake Cunningham ins Leben gerufen. Beide sind Podcaster („Little Dots Studios Podcast“). Nachdem die Erstauflage aus dem Jahre 2022 bei Panini Comics vergriffen ist, war es in diesem Jahr dann Zeit für eine Neuausgabe. Die Autoren widmen sich darin jedem einzelnen Ghibli-Film und versuchen sich an einer Erklärung, warum die Erzählweise, die Bilder und die Musik der Filme einen regelrechten Ghibli-Hype ausgelöst haben und wie es sein kann, dass die Filme selbst heute noch weiter an Beliebtheit gewinnen.

Zu Beginn des Sachbuches gibt es eine Einleitung der beiden Autoren. Beide sagen darin, dass sie „besessen“ von Filmen, Podcasts und Filmpodcast seien und dennoch erst durch Zufall im Gespräch miteinander herausfanden, dass Jake Cunningham kaum einen Studio-Ghibli-Film gesehen hatte. Das musste aus der Sicht von Michael Leader sofort geändert werden. Und so schauten beide die Filme und ließen die Öffentlichkeit in ihrem Podcast über drei Jahre hinweg daran teilhaben (https://shows.acast.com/ghibliotheque/episodes).

Aus dieser Zusammenarbeit wurde schließlich das Sachbuch „Die Ghibliothek“. Sie soll die Essenz der Podcast-Jahre sein, in der die beiden Autoren sich in die zauberhafte Ghibli-Welt stürzten, mit den unterschiedlichsten Personen Interviews führten und das Ghibli-Museum sowie den Ghibli-Park besuchten. Zudem soll das Werk Lust machen, den richtigen Studio-Ghibli-Film für sich zu finden oder einfach nochmal aus einer anderen Perspektive anzusehen. Damit richtet sich das Buch sowohl an alle Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger – so wie es Jake Cunningham vormals war – als auch an Fans dieser grandiosen, nicht enden wollenden Phantasie-Welt.

Nach der Einleitung der Autoren, stellen sie die insgesamt 25 Filme des Studio Ghibli vor. Auf bis zum 10 Seiten pro Film sind die Hintergrundinformationen und Kommentare der Autoren – umrahmt von Filmplakaten und Bildern aus dem jeweiligen Film – zu lesen. Angefangen von „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ (1984) bis hin zu „Der Junge und der Reiher“ (2023) sind alle Filme enthalten. Dabei streuen die Autoren immer wieder Ausschnitte aus Interviews und Wissenswertes zur Entstehungsgeschichte und den Titeln der Filme ein. Zum Beispiel wird darüber informiert, ob es „Ghibli“ oder „Jibli“ in der Aussprache heißen muss. Denn das Wort stammt aus dem Italienischen und wurde dann erst ins Englische übersetzt. Ursprünglich steht es für einen heißen Sahara-Wüstenwind und wurde dann auch für das italienische Flugzeug „Caproni Ca.309 Ghibli“ genutzt.

Ein sich wiederholendes Gerücht wird in dem Sachbuch ebenfalls benannt. Denn wann immer ein Film von Miyazaki erscheint, werden Stimmen laut, dass es sich hierbei um seinen letzten Film handeln würde. Bereits bei „Kikis kleiner Lieferservice“ (1989) hab er mit 48 Jahren ernsthaft darüber nachgedacht, aufzuhören. Mit der Premiere von „Kikis kleiner Lieferservice“ wurde aber ein neuer „Höhenflug“ erreicht und der Film erzielte 1989 das höchste Einspielergebnis eines japanischen Films. Damit sollte es also noch lange nicht sein Ende haben. Im Juli 1997 beispielsweise verkaufte „Prinzessin Mononoke“ mehr als 12 Millionen Tickets und brach den Rekord der höchsten Einspielergebnisse inländischer wie ausländischer Produktionen in der japanischen Filmgeschichte.

Und auch der neueste Film „Der Junge und der Reiher“, welcher in die überarbeitete Neuausgabe des Sachbuches mit aufgenommen worden ist, sorgte für klingelnde Kinokassen – wenn auch keine potenziellen Merchandise-Figuren auftauchen, wie etwa die Baumgeister in „Prinzessin Monoke“. Auch gab es zunächst keinen Trailer für den Film zu sehen. Das alles wirkte, so die Autoren, wie ein großes Geheimnis, welches am Ende tatsächlich fertiggestellt wurde. Nachdem „Der Junge und der Reiher“ in Japan angelaufen war, wurde er auf internationalen Filmfestivals gezeigt. Bei der Premiere in Toronto, so liest man, hat Guillermo del Toro dann gesagt: „Wir haben das Privileg, in einer Zeit zu leben, in der Mozart Symphonien komponiert oder Van Gogh Gemälde malt, denn Miyazaki ist ein Meister von ähnlichem Format“. Braucht es noch mehr Worte für die Arbeit von Miyazaki?

Ein paar Worte muss man auf jeden Fall noch zum schönen Cover der „Ghibliothek“ verlieren: Das Cover zeigt – wie könnte es anders sein – eine der bekanntesten Figuren aus der Welt von Ghibi: Totoro. Hierzu wird im Buch Toshio Suzuki (Vorsitzender von Studio Ghibli) zitiert, der meint, dass diese ikonische Figur für Miyazaki zum „Dorn im Auge“ geworden sei, da nichts, was er machen würde, je Totoro übertreffen könne. Auch mit solchen Zitaten haben es die beiden Autoren des Sachbuches geschafft, die Faszination einzufangen. Miyazaki sagte zu seiner Motivation in einem arte-Interview („Ghibli et le mystère Miyazaki“, 2004): „Das 21. Jahrhundert ist ein hartes Zeitalter. Wir erleben schwere Zeiten. Die Menschen haben Angst vor der Zukunft. Heute muss alles, was bisher als selbstverständlich galt, neu überprüft werden. Das gilt auch für uns. Wir müssen unsere Arbeitsweise überdenken und die Filme derart anpassen. Egal, ob man damit Kinder oder Erwachsene ansprechen möchte. (…) Auch ich habe oft negative und pessimistische Gedanken. Aber ich habe nicht vor, diese in meinen Filmen auszudrücken. Ich möchte den Zuschauern – vor allem den Kindern – Freude bereiten. Deswegen denke ich ständig darüber nach, wie ich mit fröhlichen Bildern eine fröhliche Stimmung erzeugen kann.“

Dass Miyazaki für seine Filme nicht nur in Japan Erfolge feiern konnte, wurde mit der Oscarverleihung im Jahre 2003 manifestiert. Michael Leader und Jake Cunningham berichten im Artikel zu „Chihiros Reise ins Zauberland“, dass dieser Film ein „sofortiger Hit“ wurde und 2001 über 30 Milliarden Yen in Japan einspielte, was etwa so viel war wie die nächsten fünf einnahmestärksten Filme damals. Im Ausland gewann der Film den Goldenen Bären sowie den Oscar für den besten Animationsfilm. Damit ist er bis heute der einzige nicht englischsprachige Film, der diese Auszeichnung erhielt, erfahren wir von den Autoren des Buches. Als interessanten Fakt lesen wir, dass Miyazaki der Oscarverleihung fernblieb und erst später in einem Interview ausrichten ließ: „Die Welt befindet sich derzeit in einer sehr traurigen Lage und daher tut es mir leid, dass ich mich nicht recht über diesen Preis freuen kann. Dennoch bin ich all meinen Freunden dankbar für ihre Mühen, die ermöglicht haben, dass Chihiros Reise ins Zauberland in Amerika gezeigt werden konnte, und auch allen, die meinen Film so gut bewertet haben“.

Die fröhliche Stimmung der Ghibli-Filme fängt die Ghibliothek gekonnt ein. Am Ende der „Ghibliothek“ folgen ein Nachwort sowie ein Verzeichnis mit weiterführender Lektüre und Dokumentationen, Bildnachweise und ein Index. Das Buch ist im handlichen Hardcoverformat von 19,3 x 24,4 cm erschienen und macht einen hochwertigen Eindruck. Beim Lesen entsteht eine innere Ruhe und gleichzeitig stimmen einen die bunten Zeichnungen nachdenklich. Die vielen Bilder im Sachbuch wecken die schönen Erinnerungen an die Kinobesuche und Heimkinoabende, welche sich jetzt durch den Streamingdienstleister Netflix zu jeder Zeit wiederholen lassen (dort wurden fast alle Ghibli-Filme im April 2020 in das Programm aufgenommen).

Die Aneinanderreihung der 25 Filme im Buch lässt Gemeinsamkeiten hervortreten, wie etwa die am häufigsten wiederkehrende Themen: Natur, Umweltschutz, japanische Mythologie, Yokai, weibliche Identifikationsfiguren, Zauberei, magische Wesen und das Fliegen (technische Fluggeräte oder fliegende Wesen). Auch ziehen die Autoren Parallelen zwischen den Werken, beispielsweise weisen sie darauf hin, dass bei „Chihiros Reise ins Zauberland“ ein ähnlicher Anfang wie bei „Mein Nachbar Totoro“ gewählt wurde: Eine Familie, die in ihrem Auto zu ihrem neuen Zuhause unterwegs ist. All die darauf folgenden phantastischen Welten mit ihren liebenswerten Charakteren werden im Sachbuch auf hervorragende Weise präsentiert und für alle Interessierten näher gebracht.

Bei all des Lobes gibt es an diesem Werk auch Kritikpunkte. Zwar ist das gewählte Format handlich, jedoch hätte ein größeres Format die Bilder noch eindrucksvoller erscheinen lassen. Noch ärgerlicher – und damit auch der Hauptkritikpunkt an dem Sachbuch – ist, dass der Text in sehr kleiner Schrift abgedruckt worden ist. Da strengt das Lesen nach einer Weile an. Auch die zugehörige Schriftart trägt dazu bei, dass man das Buch nur in mehreren Etappen liest. Da es sich um eine Neuausgabe handelt, hätte man über ein größeres Format nachdenken können. Vielleicht traut man sich dies in einer dritten Ausgabe – nachdem dann ein neuer Ghibli-Film erschienen ist? Und ob mit 30,00 Euro der Preis zu hoch angesetzt worden ist, muss jede und jeder selbst entscheiden. Fans, die Totoro-Figuren und Plüschtiere für horrende Summen kaufen, werden sich davon sicher nicht abschrecken lassen ...

Abschließend soll für alle Lesenden dieser Rezension noch auf einen Satz aus der „Ghibliothek“ hingewiesen werden, der zu einem unverhofften Filmerlebnis führen könnte: „Wenn es in der Filmografie von Ghibli so etwas wie eine ‚versteckte Perle‘ gibt, ist es „Flüstern des Meeres“, und aus dem gesamten Katalog dürfte es der Film sein, der am meisten von der Zusammenarbeit des Studios mit den Streamingdiensten Netflix und HBO Max profitiert, die es haufenweise neuen Fans weltweit ermöglicht hat, diese Kuriosität zu entdecken und ihr neues Leben und einen neuen Stellenwert einzuhauchen“. „Flüstern des Meeres“ nämlich ist einer der Filme, die zwar vom Studio Ghibli produziert wurden, bei denen sich jedoch andere Künstler verwirklichen durften (Regie: Tomomi Michizuki, Drehbuch: Keiko Niwa, Veröffentlichungsjahr: 1993) und den die Autoren besonders hervorheben. Würde man den beiden übrigens „eine Pistole auf die Brust setzen“, so erfahren wir im Nachwort, würden beide Autoren den Film „Mein Nachbar Totoro“ als Miyazakis größtes Meisterwerk auszeichnen. Was meint ihr?

Fazit: Die Neuausgabe der „Ghibliothek“ trägt dazu bei, die Faszination des japanischen Filmstudios „Ghibli“ noch weiter zu verbreiten. Der Hype um die Filme von Hayao Miyazaki scheint seinen Höhepunkt noch immer nicht erreicht zu haben. Nachdem die Erstauflage vergriffen war, freut man sich über die Neuausgabe, die auch dem aktuellsten Film einen Artikel gewidmet hat. Einzig das Format und die Schrift hätten größer ausfallen müssen. Da man nach dem Lesen der „Ghibliothek“ den Fernseher anschalten wird, um einen Ghibli-Film zu schauen, haben die Autoren Jake Cunningham und Michael Leader jedoch alles richtig gemacht. Schön, dass es diesen inoffiziellen Guide gibt.  

Die Ghibliothek (überarbeitete Neuausgabe)
Sachbuch
Jake Cunningham, Michael Leader
Panini 2024
ISBN: 978-3-8332-4500-8
192 S., Hardcover, deutsch
Preis: 30,00 EUR

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Romane Sekundärwerke
news-5346 Fri, 12 Jul 2024 08:00:00 +0200 Meister der Dschinn https://www.ringbote.de/rezensionen/meister-der-dschinn Taucht ab in ein alternatives Ägypten des Jahres 1912 und erlebt, wie die Regierungsagentin Fatma einen Kriminalfall der etwas anderen Art löst. Ein Fanatiker plant von Kairo aus, die Welt auf den Kopf zu stellen. Er proklamiert ein System, das für mehr Gerechtigkeit stehen soll. Doch in Wahrheit scheint er andere Absichten zu haben! Als sich neben der Menschen auch die Dschinns dem Kult anschließen, droht Fatma der Fall zu entgleiten. Wie sollen sie und ihre Kollegen aus dem „Ministerium für Alchemie, Verzauberungen und übernatürliche Wesen“ dieses Unheil stoppen? von Daniel Pabst

Mit „Meister der Dschinn“ (Originaltitel: „A Master of Djinn“) hat P. Djèlí Clark seinen Debütroman veröffentlicht. Dieser umfasst 567 Seiten und wurde in der deutschen Erstveröffentlichung vom Cross-Cult-Verlag in einem Paperback mit Klappbroschüre abgedruckt. Die Protagonistin dieses Romans – Agentin Fatma el-Sha’arawi – hatte ihren ersten Auftritt bereits in der Kurzgeschichte „Ein toter Dschinn in Kairo“ (erschienen als eine der zwei Kurzgeschichten in der 176-seitigen Novelle „Der Spuk in Luftbahnwagen 015“). Nun steht sie vor umfangreichen Ermittlungsarbeiten. Der mysteriöse Fanatiker hat Kräfte, die das weltliche Denken übersteigen. Zum Glück kann Fatma auf ihre Freundin sowie auf die Hilfe einer jungen Agentin zählen, die ihr als frische Akademie-Absolventin zur Seite gestellt wurde. Zudem wird sie tatkräftig von der Kairoer Polizei unterstützt, die der Welt der Magie jedoch hilflos gegenübersteht. Wie gelingt dieser Fantasy-Mix?

Wie schon in der Novelle „Der Spuk in Luftbahnwagen 015“ funktioniert der Entwurf des alternativen Kairos im Jahre 1912 einwandfrei. Ohne Klischees nimmt P. Djèlí Clark die Leserinnen und Leser mit in die verwinkelten Straßen und Gebäude der Kairoer Innenstadt. Neben der Beschreibung der Umgebung, wie der abessinischen Cafés oder dem Königspalast, überzeugen auch die Charaktere. Die Protagonistin Fatma, die wortwörtlich die Hosen (und Krawatten) an hat, lässt sich trotz vieler Widrigkeiten nicht davon abhalten, den Fanatiker zu verfolgen. Einen ebenso starken Eindruck hinterlässt Siti, welche bereits in der Novelle „Der Spuk in Luftbahnwagen 015“ vorgestellt wurde und weiterhin mehr als nur eine Freundin von Fatma ist – und die wie von Geisterhand immer dort auftaucht, wo Fatma ihre Hilfe benötigt …

Aller guten Dinge jedoch sind drei. In „Meister der Dschinn“ folgt auf Fatma und Siti nämlich noch eine dritte starke Frauenfigur. Hadia, eine junge aufstrebende Agentin, hat es zu Beginn nicht leicht mir ihrer „Lehrerin“ Fatma. Doch weiß sie Fatma mit ihrem Wissen, ihrem Geschick und ihrem Kampf für Gleichberechtigung zu überzeugen. So wird dieser Fantasy-Roman in gewisser Weise aus der Perspektive von drei Frauen erzählt. Der Antagonist, der im Verlauf des Romans auch als „Hochstapler“ bezeichnet wird, scheint den Dreien dennoch immer einen Schritt voraus zu sein. Selbst als Fatma ihn in einem Rededuell vor Bewohnerinnen und Bewohnern von Kairo öffentlich bloßstellen möchte, weiß sich dieser zu behelfen und dreht den Spieß um. Wer wird am Ende triumphieren? Nun könnte man denken, dass die 28 Kapitel auf insgesamt 567 Seiten für ein „Katz-und-Maus-Spiel“ zu lang sein könnten. Das ist aber glücklicherweise nicht der Fall.

Das liegt mitunter auch daran, dass hinter dem Autorenpseudonym P. Djèlí Clark der amerikanische Historiker Dexter Gabriel steckt. Er vermengt in dem Roman nicht nur Fantasy mit Steampunk-Motiven, sondern lässt gesellschaftliche Themen und Gefahren einfließen. Die offensichtlichste Gefahr, die angesprochen wird, liegt in der Figur des Fanatikers, welcher hinter einer goldenen Maske versteckt das Volk von Kairo verführt und mit seiner Illusionskunst an Einfluss gewinnt. Wie nur lässt sich diesem Lügner das Handwerk legen? Ein weiteres Thema, welches in abgewandelter Form behandelt wird, ist die des Geschlechts und der Identität. Denn die Dschinns in Kairo können jede Gestalt annehmen, und damit ihr Geschlecht wechseln. Auch wenn sich Fatma die Frage stellt, wie sie sich fortpflanzen, bleibt die Antwort ein Geheimnis. Als dann Siti eine Verwandlung durchlebt, bekommt die Liebesbeziehung der beiden einen ganz neuen Twist.

Die Männer nehmen in „Meister der Dschinn“ – bis auf den Fanatiker – eine untergeordnete Rolle ein oder werden nicht so dargestellt, wie man es aus klassischen (Fantasy-)Werken kennt. Beispielsweise taucht in regelmäßigen Abständen Ahmad auf, der Fatma mit Informationen versorgt. Mit jedem Auftreten nähert sich sein Körper dem eines Krokodils an. Er selbst hält sich für den Gott des Sobek-Kults, weswegen er Veränderungen an sich vornimmt (oder vornehmen lässt), um zu einem Krokodilmenschen zu werden. Ein weiteres Mal nimmt sich der Autor damit der Debatten um die eigene Identität an. Was anfangs unterschwellig zu lesen war, wird im Laufe des Romans immer offensichtlicher, was ein spannendes Unterfangen in einem Fantasy-Roman ist. Hinzu kommen fiktive Szenen und Andeutungen zur Kolonialpolitik, bei der sogar Kaiser Wilhelm II. auftaucht und der Autor seine Geschichtskenntnisse in ein alternatives Universum gegossen hat.

Wer die Novelle „Der Spuk in Luftbahnwagen 015“ gelesen hat, für den kommt dieser Roman gerade richtig. Es wird fortgesetzt, was die Novelle begonnen hat. Im Vergleich zu „Der Spuk in Luftbahnwagen 015“ erhaltet ihr bei „Meister der Dschinn“ zudem ein deutlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis (567 Seiten für 18,00 Euro statt 176 Seiten für 14,00 Euro). Interessanterweise wird hier die fiktive Stadt Kairo beinahe zur Kulisse für die Entfaltung der Innenwelt der einzelnen Charaktere. In einem Youtube-Interview hat der Autor auch betont, dass er in seinen Roman neben der Fantasy bewusst Themen eingebracht hat, die ihn interessieren und die ihm wichtig sind. Wer keinen starken weiblichen Figuren und Identitätsfragen folgen will, der sollte einen Bogen um diesen Roman machen. Für alle anderen ist er erfrischend.

Leseprobe

Fazit: „Meister der Dschinn“ ist ein Fantasy-Roman, der auf den ersten Blick eine Steampunk-Kriminalgeschichte über einen Fanatiker erzählt. Das fiktive Kairo des Jahres 1912 ist allerdings um Längen moderner und tiefsinniger als man es gedacht hätte. Das liegt zum einen an der starken Protagonistin und den (weiblichen) Nebenfiguren. Zum anderen liegt das an der innigen Beziehung von Fatma und Siti, die die Leserinnen und Leser in ganz verschiedenen Facetten miterleben dürfen. Dieses Werk ist divers, mehrdeutig und bricht bewusst mit klassischer Fantasy.  

Meister der Dschinn
Fantasy-Roman
P. Djèlí Clark
Cross Cult 2023
ISBN: 978-3-98666-334-6
567 S., Paperback, deutsch
Preis: 18,00 EUR

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Romane Fantasy
news-5344 Wed, 10 Jul 2024 08:00:00 +0200 H. P. Lovecraft. Das Werk II https://www.ringbote.de/rezensionen/h-p-lovecraft-das-werk-ii Laut Stephen King ist Howard Phillips Lovecraft (HPL) der bedeutendste Horror-Autor des 20. Jahrhunderts! Der vorliegende Band ist der zweite und abschließende Band der Lovecraft-Edition und behandelt eine Auswahl seiner Geschichten, die abseits vom sogenannten „Arkham-Zyklus“ liegen. Dabei werden die Storys nicht nur (meist) farbig reich bebildert, sondern auch ausführlich kommentiert. Die Neuübersetzung stammt aus der Feder zweier ausgewiesener Lovecraft-Kenner, die den speziellen Stil und die besondere Atmosphäre der Erzählungen des Horror-Schriftstellers abbilden. von Markus Kolbeck

Zu Horror-Autor H. P. Lovecraft, Herausgeber Leslie S. Klinger und den beiden Übersetzern Andreas Fliedner und
Alexander Pechmann habe ich bereits in meiner Rezension zu „H. P. Lovecraft. Das Werk“, dem ersten Band, etwas geschrieben, sodass ich hier gleich fortfahren will. Wer allerdings eine fundierte, umfassende und detaillierte Biographie von Lovecraft lesen will, sei auf „H. P. Lovecraft: Leben und Werk 1 & 2“ von S. T. Joshi verwiesen.

Der Band „H. P. Lovecraft. Das Werk II“ ist erstmals 2021 bei Fischer im Imprint Tor auf Deutsch erschienen (Originaltitel der englischen Ausgabe: „The New Annotated H. P. Lovecraft: Beyond Arkham“ (2019)). Das Hardcover mit Schutzumschlag umfasst 512 Seiten und ist mit fast 200 oft vierfarbigen Abbildungen von Originalillustrationen, Covern, Filmplakaten, Originalschauplätzen, Personen und vielem mehr versehen. Viele Aspekte von Lovecrafts Leben und Werk werden in Anmerkungen zum Text beleuchtet. Hier werden 25 von insgesamt 102 verfassten Geschichten (unter eigenem Namen oder als Kollaborationen) abgedruckt und somit nicht alle, auch nicht im Zusammenspiel mit Band 1, der 22 Geschichten enthält. Die Storys im vorliegenden Band wurden zwischen 1917 und 1935 verfasst und spielen fast alle in den USA.

Inhalt

Nach einer Einführung von Victor LaValle wird im Vorwort von Leslie S. Klinger kurz auf Literatur, Leben und familiären Verhältnisse von Lovecraft eingegangen. Die Erwähnung von Lovecrafts problematischer politischer Einstellung in Form von Rassismus und Antisemitismus wird nicht übersehen; auf diese und andere Charaktereigenschaften und politische Einstellungen wie seine Fremdenfeindlichkeit und mutmaßliche Frauenfeindlichkeit wird ausführlicher im Vorwort des ersten Bandes eingegangen. Es folgt noch eine Information zur Ausgabe des Bandes, dann geht es los mit HPLs Geschichten.

Gleich auffallend bei den Kurzgeschichten und Erzählungen sind die zahlreichen Anmerkungen am Rand der Seiten und auch die Bebilderung. Die Anmerkungen erläutern Fremdwörter (wie aus der Mythologie entlehnte Begriffe), Namen von Personen von Bedeutung (die man aber heute nicht mehr unbedingt kennt), Örtlichkeiten, Bücher, Zeitangaben und viele weitere Besonderheiten. HPLs Geschichten sind atmosphärisch dicht, was der Autor durch die Verwendung  zahlreicher Adjektive heraufbeschwört. Dafür ist er bekannt, so findet es sich auch in dieser Übersetzung.

Unter den Kurzgeschichten und Erzählungen sind unter anderem „Juan Romeros Übergang“, „Die Katzen von Ulthar“, „Der Tempel“, „Die Musik des Erich Zann“, „Unter den Pyramiden“ (auch als „Gefangen bei den Pharonen“ bekannt) und „Pickmans Modell“ zu finden. Einer der drei Kurzromane Lovecrafts, „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“, ist auch hier enthalten.

HPLs Geschichten beinhalten das Übernatürliche, jahrtausendealtes Unheil, Magie, schreckliche familiäre Schicksale, Wahnsinn, Hybris, Ghule, Traumreisen und vieles mehr.

Es gibt – quasi als Bonus – noch vier Anhänge, nämlich eine kurze tabellarische Chronik zu Leben und Werk von H. P. Lovecraft, eine Liste mit den Geschichten des Autors in der Reihenfolge ihres Entstehens, die sogenannte „Red Hook“-Beschwörung und ein längeres Verzeichnis aller in HPLs Geschichten erwähnten Orte. Den Abschluss des Bandes machen eine umfangreiche Bibliographie und eine Danksagung.

Kritik

Die Kritik einleitend will ich nur kurz auf HPLs Werk und seine Qualitäten eingehen. Der Autor probierte unterschiedliche literarische Stile aus, bevor er den endgültigen fand. Er geht dabei sicherlich eigene und als originell zu bewertende Wege! Der mittlerweile berühmte Schriftsteller schrieb facettenreiche, spannende und oftmals gruselige Storys. Die varianten- und ideenreichen Geschichten zeugen von einem großen Maß an Phantasie. Der*die Leser*in wird immer wieder überraschend mit neuen Themen und Aspekten konfrontiert. So hat Lovecraft das verfluchte Buch „Necronomicon“ und wohl auch die Traumlande erfunden, kurz den gesamten „Cthulhu-Mythos“ auf den Weg gebracht. Obwohl die Geschichten zuerst in Pulp-Magazinen erschienen, haben sie doch einen gewissen Anspruch. Raumschiffe und Laserpistolen gibt es nicht darin!

Was mich am meisten an diesem Band stört, ist, dass er mit „Das Werk II“ untertitelt ist, aber keine umfassende Werkausgabe darstellt, auch nicht mit dem ersten Band. Von den – wie bereits erwähnt – insgesamt 102 Geschichten des Horror-Autors werden hier nur 25 wiedergegeben. Man muss dabei aber berücksichtigen, dass mit dem ersten Band, „Das Werk“, weitere 22 Geschichten, die innerhalb des „Arkham-Zyklus“ angesiedelt sind, geboten werden. Trotzdem ist diese Verfahrensweise des Autors beziehungsweise des Verlags für mich enttäuschend! Die reichlich vorhandene Bebilderung, historisch und modern, sowie die Anmerkungen sind hervorragend recherchiert und stellen einen großen Zugewinn für die Lovecraft-Forschung dar! Sie sind aber auch für viele Lovecraft-Liebhaber*innen von Interesse, die mehr über das Werk eines ihrer Lieblingsschriftsteller erfahren wollen.

Zu den Klassikern unter den Geschichten gehören „Die Katzen von Ulthar“, „Die Musik des Erich Zann“, „Die lauernde Furcht“, „Die Ratten in den Mauern“, „Unter dem Pyramiden“, „Pickmans Modell“ und „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“, die wohl die Gunst der Leser*innen erringen werden oder bereits haben. Gefallen hat mir auch „Das Grauen von Red Hook“, da ich dessen Thematik und Handlung kaum noch in Erinnerung hatte und daher auf die ein oder andere Überraschung stieß. Diese Erzählung gilt aber als eine der rassistischsten von Lovecraft und ist daher nur mit Vorbehalt zu lesen! Der Kurzroman „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“ hat mir am besten gefallen, im Allgemeinen gilt dann auch, dass die Geschichten, je länger sie sind, umso ausgearbeiteter und gelungener ausfallen.

In „Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“ wird die Kreaturenbezeichnung „night-gaunts“ (im Original) üblicherweise als „Dunkeldürre“ übersetzt. Der Übersetzer Alexander Pechmann hat aber stattdessen den Begriff „Nachtstelzer“ gewählt. Das kann man so machen, auch Übersetzer haben natürlich ihre künstlerische Freiheit. Jedoch finde ich den alten Begriff „Dunkeldürre“ passender und stimmiger, außerdem ist er meiner Meinung nach auch atmosphärischer. Es gibt in den beiden Bänden noch mehr solcher Beispiele, bei denen die beiden Übersetzer neue Wege gegangen sind, jedoch halten sich die Neuerungen in Grenzen.

Die Neu-Übersetzung betrachte ich ansonsten als gelungen, der Stil und die Atmosphäre der Lovecraft’schen Storys wird gut eingefangen. Der hohe Preis von derzeit 78,- Euro für den Band ist dadurch zu rechtfertigen, dass er als Hardcover und mit sehr vielen, oftmals farbigen Bildern versehen ist. Allerdings sind diese nicht auf Hochglanzpapier abgedruckt, sondern zusammen mit dem Text auf normalem Druckpapier. Eine literaturkritische Analyse lässt der Band vermissen. Bevor man als Interessent*in jedoch den teuren Band (oder gleich beide) erwirbt, sollte man vielleicht erst eine der Geschichten, wie beispielsweise „Cthulhus Ruf“ (gibt es als Taschenbuch bereits für weniger als 5,- Euro), anderswo lesen. Damit kann man die Art des Autors, Grusel in seinen Geschichten  zu transportieren, testen. Obwohl HPL heutzutage populär ist, wird nicht jedem*r seine Geschichten gefallen.

Anmerkung

Wer unbedingt alle Geschichten von H. P. Lovecraft lesen will, sei auf die im Festa-Verlag als Taschenbücher erschienene preiswerte Edition „H. P. Lovecraft – Die Gesamtausgabe im Schuber“ verwiesen.

Fazit: Zum Abschluss meiner Rezension kann ich eigentlich nur schreiben, was ich auch schon zu „Das Werk“ geschrieben habe: Dieser Band ist ein Meilenstein in der Präsentation von HPLs Werk, was die zahlreichen Bilder und die noch zahlreicheren Anmerkungen betrifft. Er ist absolut hervorragend und aufwändig recherchiert und stellt einen großen Beitrag zur Lovecraft-Forschung dar. Davon, dass mit diesem und dem Vorgängerband nur eine Auswahl von Lovecrafts Geschichten veröffentlicht wird, sollte man sich als Fan eigentlich nicht abhalten lassen, auch wenn dies  kritikwürdig ist. Und für Neuleser stellt das Buch den idealen Einstieg in das Werk des berühmten Horror-Autors dar. Ansonsten sei auf die Gesamtausgabe verwiesen. Weil es sich auf einen Ausschnitt (wenn auch großen) aus dem Gesamtwerk beschränkt, muss letztendlich jede*r selbst wissen, ob er hier zugreift.

H. P. Lovecraft. Das Werk II
Horror/Mystery-Roman
Leslie S. Klinger (Hrsg.)
Fischer Tor 2021
ISBN: 978-3-596-70046-2
512 S., Hardcover, deutsch
Preis: 78,00 EUR

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Romane Horror/Mystery
news-5343 Tue, 09 Jul 2024 08:00:00 +0200 Fahrenheit 451 https://www.ringbote.de/rezensionen/fahrenheit-451 Was machst man, wenn man den Eindruck hat, einen Fehler gemacht zu haben? Wie lässt sich Sinn in dem finden, was man tut? Wofür soll man seine Zeit verwenden? Was geschieht, wenn eine Gesellschaft auf vergangenes Wissen sowie auf Literatur und Poesie verzichtet? Was wie eine willkürliche Aneinanderreihung von Fragen klingt, steht in direkter Verbindung zu Ray Bradburys Roman „Fahrenheit 451“. Diesem Klassiker wurde eine Graphic Novel gewidmet, die jetzt auch in der deutschen Übersetzung bei Cross Cult erhältlich ist. von Daniel Pabst

Die in diesem Jahr erschienene Graphic Novel „Fahrenheit 451“ von Víctor Santos soll der Geschichte von Ray Bradbury einen neuen Anstrich verleihen. Bereits mehr als 70 Jahre ist es her, dass Bradbury seinen Roman im Jahre 1953 veröffentlicht hat. Seitdem haben sich manche Vorstellungen bewahrheitet, andere dagegen sind ausgeblieben. Für wen ist die Graphic Novel geeignet? Braucht es überhaupt eine solche? Und wie hat der Künstler Santos den Roman umgesetzt?

Das Narrativ von „Fahrenheit 451“ wird vielen Leserinnen und Lesern dieser Rezension wohl bekannt sein – teils hat man das Buch aus Eigeninteresse gelesen oder es wurde von Freunden empfohlen, teils musste man es als Schullektüre lesen und analysieren. Im Roman geht es um eine dystopische Zukunft, in der Bibliotheken und der Besitz von Büchern verboten sind. Wer Bücher bei sich aufbewahrt, den besuchen „Feuermänner“, die statt Brände zu löschen, die Aufgabe haben, Brände zu verursachen und die beschriebenen Seiten mit Flammenwerfern vernichten und nichts als Asche hinterlassen.

In diesem wahr gewordenen Albtraum, bei dem Ray Bradbury bewusst Bezug nimmt auf die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten, scheint dieses Vorgehen zur Normalität zu gehören. Die Bürgerinnen und Bürger verlieren mit dem gesammelten Wissen auch ihre Fähigkeit, selbst kritisch zu denken und die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. Ihr Mitgefühl wird durch die Brände ebenso „ausgelöscht“ wie auch ihr Interesse an Geschichten. Statt sich über gesellschaftliche Themen und vergangene Ereignisse sowie Persönlichkeiten zu unterhalten und miteinander zu streiten, lassen sich die Menschen in „Fahrenheit 451“ von digitalen Belanglosigkeiten berieseln. Wie lange kann das gutgehen?

Der Protagonist aus „Fahrenheit 451“ ist der Feuer(wehr)mann Guy Montag. Er übt seinen Beruf seit 10 Jahren aus und hat seine Arbeit bislang nie hinterfragt. Doch eines Tages trifft er auf eine neue (etwas seltsam erscheinende) Nachbarin, die ihm sagt: „Ich bin 17 Jahre alt und ich bin verrückt“. Sie macht gerne nächtliche Spaziergänge und mag es, durch den Regen zu laufen – eine Figur, zu der Bradbury einst in einem Interview gesagt hat: „(She) was in love with books and libraries and life. (…) Clarisse is me“. Die Unterredung mit ihr entfacht einen Funken, den Montag nicht mehr im Keim ersticken kann und der sich immer weiter ausbreitet. Der Feuermann fängt an, die Einstellung der Gesellschaft und sein eigenes Verhalten zu hinterfragen. Zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht, welche Folgen das eigene Denken mit sich bringen kann …

Viel mehr soll vom Inhalt dieses Klassikers – den Ray Bradbury passenderweise in einer Bibliothek geschrieben hat – nicht verraten werden. Von den insgesamt 160 Farbseiten dieser Graphic Novel befindet ihr euch inhaltlich jetzt auch erst auf Seite 30. Es wird also noch so einiges passieren, und der Feuermann wird sich mit der Frage konfrontiert sehen, wie weit er gehen möchte und auf wen er in seinem Umfeld zählen kann, wenn es hart auf hart kommt. Dadurch, dass viele Details offen gelassen werden, kann „Fahrenheit 451“ auf die unterschiedlichsten Themen und Fragen angewendet werden. Es ist kein Wunder, dass dieser Roman daher auch heute noch gelesen und in Debatten herangezogen wird.

Kommen wir nun zur Umsetzung des Romans in die vorliegende Graphic Novel. Bereits bei der Übersetzung hat Silvano Loureiro Pinto darauf aufgepasst, dass die Doppeldeutigkeit des Wortes „Fireman“ nicht verloren geht. Hier lesen wir nämlich das Wort Feuermann, welches sowohl als Brandstifter als auch als Feuerwehrmann ausgelegt werden kann. Das ist gut gelungen. Víctor Santos Zeichnungen folgen einem minimalistischen Ansatz. Wie schon auf dem Cover zu betrachten ist, stellt er das Wesentliche in den Vordergrund. Die drei Kapitel „Herd und Salamander“, „Sieb und Sand“ sowie „Lichterloh“ werden ergänzt durch vier Seiten mit Charakterdesigns. Die Zeichnungen sind in Pastelltönen gehalten, was der Geschichte etwas Märchenhaftes gibt. Dieser Effekt erzielt seine Wirkung. Die Dystopie erscheint dadurch in weiter Ferne und lässt immer wieder erschaudern, wenn man begreift, wie nah manche Inhalte von „Fahrenheit 451“ bereits sind.

Dass sich Brandstifter ihrer Taten nicht immer bewusst sind, hat bereits der Schriftsteller Max Frisch mit dem Werk „Biedermann und die Brandstifter“ (Hörspiel-Version von 1953) gezeigt. Das von Bradbury verwendete Bild der Feuermänner, welche Brände nicht löschen, sondern entfachen, ist eine ebenso eindrucksvolle Warnung. Ob man dieses Bild auf die Welt des (Medien-)Konsums, des sozialen Miteinanders, der Digitalisierung, der Politik oder auf andere Bereiche überträgt, bleibt den Lesenden überlassen. Wie schon Ray Bradbury lässt auch Víctor Santos in seinen Zeichnungen und der engen Bindung an das Original ausreichend Raum für die eigenen (kritischen) Gedanken.  

Fazit: Diese Adaption macht den Klassiker von Ray Bradbury zugänglicher. Die Zeichnungen von Víctor Santos tragen dazu bei, dass sich die warnenden Bilder noch stärker im Gedächtnis einprägen. Die Graphic Novel bleibt dem Werk treu und erfindet nicht viel hinzu. Die Botschaften von Bradbury kommen weiterhin an. Es scheint schwer möglich, einen Brand zu löschen, wenn die einzigen, die dazu in der Lage wären, ihn selbst entfacht haben! „Fahrenheit 451“ bleibt daher aktuell und bietet erschreckend viele Anwendungsmöglichkeiten. In einer Welt, in der die Aufmerksamkeitsspanne durch soziale Medien immer stärker zurückgedrängt wird, kommt die Graphic Novel „Fahrenheit 451“ gerade noch rechtzeitig, um dafür zu werben, dass Bücher zum Lesen da sind und Lesen sehr gut investierte Zeit ist. Oder mit den Worten von Ray Bradbury höchstpersönlich (aus dem Interview: „The Big Read: A Conversation with Ray Bradbury“): „Libraries is people. It’s not books. People are waiting in there. Thousands of people who wrote the books (…). Books are smart and brilliant and wise.“

Fahrenheit 451
Comic
Ray Bradbury, Víctor Santos
Cross Cult 2024
ISBN: 978-3-98666-478-7
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: 22,00 EUR

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Comics Science-Fiction
news-5342 Mon, 08 Jul 2024 08:00:00 +0200 Ferryman https://www.ringbote.de/rezensionen/ferryman Das Leben auf der Insel Prospera verläuft dank des Wohlstands unbeschwert. Nach dem Tod geht es weiter in einem neuen Körper. Proctor begleitet als Fährmann die Menschen in ihren letzten Minuten vor der Wiedergeburt und kommt dabei einem düsteren Geheimnis auf die Spur. von Alice

Das Leben auf Prospera verläuft zwar unbesorgt und in Wohlstand, ist aber auch streng reguliert. Jeder hat die Möglichkeit, eine Arbeitsstelle und eine Unterkunft zu erhalten. Eheverträge sind zeitlich begrenzt, sodass es leicht fällt, seinen Partner zu wechseln, wenn man den aktuellen Vertrag nicht verlängern möchte. Leibliche Kinder gibt es auf Prospera nicht, stattdessen kommen diese von einer anderen Insel und werden im Jugendalter adoptiert. Wie ihre Kindheit davor verlief, ist den Prosperanern nicht bekannt. Sowohl der physische als auch der psychische Gesundheitszustand der Prosperaner wird über einen mit dem Körper verwachsenen Monitor durchgehend kontrolliert. Sinkt die Zahl der Anzeige, wird es Zeit, einen Arzt aufzusuchen. Der Grund dafür kann eine Krankheit, Verletzung, aber auch Altersschwäche oder ein psychisches Problem sein.

Gibt es keine Möglichkeit, dem Patienten langfristig zu helfen oder dauert die Behandlung zu lange, muss er Prospera verlassen. Ein Fährmann wickelt die Bürokratie ab und begleitet die Betroffenen in ihren letzten Momenten auf Prospera, bis diese von einer Fähre abgeholt werden und auf die Insel gebracht werden, von der sie einst kamen. Proctor ist einer dieser Fährmänner, und als er seinen eigenen Vater fortbringt, stellt er sich zum ersten mal die Frage, was es genau mit der Wiedergeburt auf sich hat und wer eigentlich die Ereignisse auf Prospera lenkt und steuert. Bei seiner Recherche kommt er schon bald mit Menschen in Kontakt, die kein privilegiertes Leben auf Prospera führen dürfen. Es gibt Widerstandsgruppen, die gegen die soziale Ungleichheit aufbegehren. Proctors Leben gerät aus den Fugen, und er folgt der Spur eines düsteren Geheimnisses.

Sobald sich Proctor zum ersten mal die Frage stellt, wer die Ereignisse auf Prospera eigentlich lenkt, möchte man das Buch nicht mehr zur Seite legen. Seine Recherche ist durchgehend spannend, mit reichlich überraschende Wendungen. Der Weg hin zur Auflösung wurde grandios umgesetzt. Man liest immer wieder verwirrende, abgedrehte Szenen und stellt später fest, dass diese tatsächlich einen tieferen Sinn hatten, der sich logisch erklären lässt. Derartige Momente entstehen unter anderem durch Proctors Träume. Diese werden gekonnt erzählt, denn sie sind so wirr, wie es häufig in Träumen der Fall ist, gleichzeitig sind sie mit wichtigen Hinweisen gespickt, was Neugierde weckt. Träumen gilt auf Prospera als Krankheit, weshalb Proctor nur mit wenigen Menschen darüber spricht. Er hat zudem den Verdacht, dass es sich bei seinen Träumen um Erinnerungen handeln könnte, möglicherweise aus einem vorherigen Leben.

Die Auflösung des Romans basiert auf einer grandiosen Idee. Es könnte das Bedürfnis entstehen, das Buch ein zweites mal zu lesen, da man mit dem neu erlangten Wissen viele rätselhafte Szenen nun mit ganz anderen Augen sieht, was durchaus interessant ist.

Leseprobe

Fazit: „Ferryman“ ist durchgehend spannend, sodass man das Buch nicht mehr zur Seite legen möchte. Überraschende Wendungen wissen den Leser immer wieder zu verblüffen, und hinter all dem steckt eine geniale Idee.

Ferryman
Science-Fiction-Roman
Justin Cronin
Goldmann 2024
ISBN: 978-3-442-31526-0
720 S., Hardcover mit Schutzumschlag, deutsch
Preis: 28,00 EUR

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Romane Science-Fiction
news-5341 Sun, 07 Jul 2024 08:00:00 +0200 Star Wars: Han Solo & Chewbacca – Schnelles Geld https://www.ringbote.de/rezensionen/star-wars-han-solo-chewbacca-schnelles-geld Mit seinem ersten Auftritt 1977 in „Star Wars“ – wir erinnern uns: rauchige Cantina, Mos Eisley, Tatooine – machte Han Solo gleich klar, was für ein cooler Typ er ist. Im Team mit seinem Wookiee-Kumpel Chewbacca mauserte er sich zum Fan-Liebling, dem schon 1979 erste eigene Buch-Abenteuer „vor der Saga“ spendiert wurden. Mit „Solo“ wurde ihm 2018 ein ganzer eigener Film gewidmet, 10 Jahre vor seinen Abenteuern mit Luke, Leia und Co angesiedelt. Dieser Comic schlägt in die gleiche Bresche. von Frank Stein

Der 160 Seiten starke Sammelband „Schnelles Geld“ umfasst die US-Ausgaben „Han Solo & Chewbacca (2022)“ #1-5 sowie das Special „Star Wars: Live Day (2022)“ #1. Der „Han Solo“-Teil wurde von Marc Guggenheim getextet, von David Messina gezeichnet und von Alex Sinclair koloriert. Das „Live Day“-Special bietet gleich vier Kreativenteams auf, ist es doch in eine Rahmenhandlung und drei Binnenerzählungen unterteilt. Mit Cavan Scott, Justina Ireland und Jody Houser sind drei „Star Wars“-Veteranen mit als Autoren an Bord, unterstützt von Neuling Steve Orlando.

Han Solos Abenteuer beginnt absolut typisch. Er ist in diesen Tagen, zwei Jahre nach seinem Zusammenstoß mit Crimson Dawn (gezeigt im „Solo“-Film), gerade als Gauner-für-alles beim Hutten-Gangster Jabba in Diensten. Sein aktueller Job: Chewie und er sind als „Fluchtwagenfahrer“ für einen Raub auf dem Casinoplaneten Galator III engagiert worden. Aber als es hart auf hart kommt, macht der Falke natürlich Probleme, und alle Beteiligten entkommen nur um Haaresbreite – was Solo die nächsten Leute einhandelt, die ihm was heimzahlen wollen.

Jabba lassen so Fehden unter seinen Untergebenen kalt, weswegen er Solo gleich den nächsten Job zuschiebt. Er soll eine Urne stehlen, die dem Hutten ungewöhnlich viel Geld wert ist. Haken Nummer 1: Der Rodianer Greedo, dessen Ruf alles andere als gut ist, soll Solo begleiten. Dass die zwei keine Freunde werden, wissen wir aus der berühmten Cantina-Szene in „Star Wars“. Haken Nummer 2: Die Urne befindet sich auf Corellia, dem Planeten, auf den Han nie zurückkehren wollte (wieder ein Verweis auf den „Solo“-Film). Dennoch: Die Summe ist hoch genug, um den stets klammen Schmuggler zuschlagen zu lassen. Natürlich wird der Job ein reines Chaos, nicht zuletzt, weil mehr als nur ein paar andere Parteien auch noch mitmischen wollen.

Doch Comic zieht sehr gradlinig das durch, was er sein will: ein typisches Schurken-Abenteuer mit Han und Chewie, aus ihrer Zeit in Unterweltkreisen. Action, Gaunereien, ein bisschen Humor und diverse Cameos bilden eine unterhaltsame Mischung, die einen als Leser bei der Stange hält. Der Heist-Plot hat vielleicht nicht gerade „Ocean’s Eleven“-Niveau, eine interessante Täuschungsaktion wird eigentlich zu früh enthüllt und der Cliffhanger am Schluss ist auch eher albern (wenn auch eine lustige „Vorwegnahme unter umgekehrten Vorzeichen“) – aber das sind Schwächen, über die man hinwegsehen kann, zumindest wenn man ein Fan von Han Solos frühen Abenteuern ist.

Auch optisch kann sich der Comic sehen lassen. Die Figuren sind durch die Bank gut erkennbar, wenngleich mir Han ein wenig zu alt erscheint. Er erinnert eher an Harrison Ford aus „Das Imperium schlägt zurück“ als ein zehn Jahre jüngeres Ich. Aber die Mimik passt, die Hintergründe sich angenehm ausgestaltet und die Kolorierung mit ihren Licht- und Schatten-Effekten gelungen. Ein echter Hingucker ist immer wieder der Millennium Falke – vor allem wie er anfangs eingeführt wird, ist ein echt kinoreifer Auftritt.

Über das „Live Day“-Special kann ich nicht so viel Positives sagen. Han und Chewie landen irgendwann vor der Filmhandlung von „Das Erwachen der Macht“ am Lebenstag auf Batuu und haben dort Stress mit dem Kanjiklub. Zwischen einiger Herumballerei erinnert sich Han an eine Geschichte aus der Zeit der Alten Republik, an einen Zusammenstoß mit Trandoshanern und an eine Party im Rebellenkreis. Immer geht es dabei irgendwie um den Lebenstag, jenen Wookiee-Feiertag, der seinerzeit im berüchtigten „Star Wars Holiday TV Special“ etabliert wurde und offenbar auch den Disney-Kanon-Kahlschlag überstanden hat, weil er halt an Weihnachten erinnert und rührselig machen soll und zum Verkauf von passenden Produkten anregen darf. Die Geschichten sind hingeworfene Happen, teilweise arg rasant aufgelöst, teilweise etwas konfus. Just die von „Star Wars“-No-Name Steve Orlando weiß am ehesten zu überzeugen. Dazu kommt in keinem Fall eine Optik, die vollends begeistert. Ein netter „Nachtisch“ für den Han-Solo-Comic, aber ganz sicher kein Kaufgrund.

Eine Cover-Galerie gibt es keine, aber immerhin werden die einzelnen Heftausgaben jeweils durch ihr Cover eingeleitet, was dem Sammelband eine angenehme Kapitelstruktur verleiht.

Fazit: Wer Lust auf ein klassisches Gaunerstück aus Han Solos Frühzeit hat, der bekommt mit dem Comic genau das. Die Handlung mag keinen Innovationspreis gewinnen, aber sie liest sich kurzweilig und erfreut durch ein paar nette Cameos. Die Figurenkonstellation macht auch Spaß, vor allem Greedo aus der Versenkung zu holen, war eine clevere Idee. Das „Live Day“-Special ist dagegen eher banal und ein Produkt des Disney-Marketings – als Nachtisch nicht unbedingt ein Sahnehäubchen.

Star Wars: Han Solo & Chewbacca – Schnelles Geld
Comic
Marc Guggenheim, David Messina u. a.
Panini Comics 2023
ISBN: 978-3-7416-3348-5
160 S., Softcover, deutsch
Preis: 20,00 EUR

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Comics Star Wars
news-5340 Sat, 06 Jul 2024 08:00:00 +0200 Gruselkabinett 190: Schauermärchen 1 https://www.ringbote.de/rezensionen/gruselkabinett-190-schauermaerchen-1 Bereits in der 188. Ausgabe der langlebigen „Gruselkabinett“-Reihe wurde mit Heinrich Seidels „Der Hexenmeister“ eine Geschichte vorgestellt, die eher an ein Märchen denn eine klassische Gruselmär erinnerte. Nun geht Marc Gruppe, Drehbuchschreiber hinter der Reihe, noch einen Schritt weiter und vertont gruselige Märchen der Gebrüder Grimm. von André Frenzer

Der Dienst, welche Jacob und Wilhelm Grimm – besser bekannt als „Gebrüder Grimm“ – der Literatur erwiesen haben, ist nahezu unermesslich. Ihre Sammlung deutscher Märchen und Sagen hat zweifellos dabei geholfen, unzählige dieser einst nur mündlich oder im lokalen Volksgut existierender Geschichten in die heutige Zeit zu retten. Und auch wenn viele Märchen mit Kindergeschichten gleichsetzen, so ist das doch keineswegs richtig. Gerade die originalen Versionen, welche zumeist eine moralische Botschaft vermitteln sollten, sparten nicht mit drastischen Darstellungen oder Handlungen.

Vier dieser eher drastischen Märchen hat Marc Gruppe nun ausgewählt, um sie als 190. Ausgabe der „Gruselkabinett“-Reihe zu vertonen. Enthalten sind die Märchen „Blaubart“, „Das Mädchen ohne Hände“, „Der Räuberbräutigam“ und „Der liebste Roland“. Allen Geschichten ist gemein, dass es wenig zimperlich zugeht: Da werden dem Teufel Versprechen gemacht, es wird gemordet, gebrandschatzt und geraubt. Rache und Hass sind gängige Motive, und natürlich darf auch finstere Magie nicht fehlen.

Bezüglich der thematischen Gestaltung dieser Ausgabe bin ich ein wenig hin- und hergerissen. Vielleicht war es längst überfällig, auch einmal klassische Märchen, gerade solche mit einer eher grausigen Handlung, in dieser Reihe zu vertonen. Vielleicht zeigt es aber auch, dass viele der klassischen Gruselgeschichten einfach bereits erzählt sind und der Reihe so langsam aber sicher die Luft ausgeht. Ich bin unsicher.

Technisch gibt es jedenfalls auch an dieser Ausgabe des „Gruselkabinetts“ nichts auszusetzen. Die Sprecher, welche oftmals in unterschiedliche Rollen in den einzelnen Märchen schlüpfen, arbeiten souverän. Die Toneffekte sind von gewohnt hochwertiger Qualität. Bodo Primus gibt einen hervorragenden Erzähler. Ertugrul Edirnes Cover, welches die Schlüsselszene aus „Blaubart“ aufgreift, ist wieder einmal hervorragend gelungen. Die Umsetzung als Hörspiel aller Geschichten erfolgt absolut überzeugend. Und wer Märchen mag, vielleicht sogar sammelt, der wird mit dieser Vertonung sicherlich keinen Fehlkauf tun.

Einzig und allein die thematische Verwässerung finde ich ganz persönlich ein wenig schade. Tatsächlich sind die hier versammelten Märchen nun einmal doch in erster Linie das: Märchen.

Fazit: „Schauermärchen 1“ ist eine qualitativ absolut überzeugende Vertonung einiger Grimm’scher Märchen. Nicht mehr, nicht weniger.

Gruselkabinett 190: Schauermärchen 1
Hörspiel nach Jacob und Wilhelm Grimm
Marc Gruppe
Titania Medien 2024
ISBN: 978-3-7857-8640-6
1 CD, ca. 83 min., deutsch
Preis: 8,29 EUR

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Hörspiele/-bücher Gruselkabinett
news-5339 Fri, 05 Jul 2024 08:00:00 +0200 Spider-Man: Im Netz des Grauens https://www.ringbote.de/rezensionen/spider-man-im-netz-des-grauens „Spider-Man: Im Netz des Grauens“ verspricht, die vertraute Welt des beliebten Marvel-Superhelden in eine düstere und unheimliche Dimension zu verwandeln. Die nette Spinne aus der Nachbarschaft geistert plötzlich durch eine albtraumhafte Welt. Was ist denn da passiert? Kommt mit auf eine schaurige Reise, bei der nichts so ist, wie es scheint … von Daniel Pabst

Der Comic „Spider-Man: Im Netz des Grauens“, geschrieben von Saladin Ahmed und mit den Zeichnungen von Juan Ferreyra, versucht sich an etwas sehr seltenem im „Spider-Man“-Storytelling, nämlich einer Spider-Man-Story ganz im Zeichen des Horrors. Auf den 188 Seiten bekommt ihr die deutsche Übersetzung der Reihe „Spine-Tingling Spider-Man“ aus dem Jahre 2023 (aufgeteilt in die Kapitel: „Traumlose Hölle“, „Ausradiert“, „Die Folterkammer“, „Der Ausbruch“ und „Showdown“). Der gesamte Einzelband kann übrigens ohne Vorwissen über den „Spider-Man“-Kosmos gelesen werden, wobei Kenntnisse nicht schaden.

In „Traumlose Hölle“, welche ursprünglich als digitaler Cartoon erschienen ist, werden die Lesenden mit einem auch ihnen leider nur allzu bekannten Phänomen konfrontiert, das da lautet: Schlafmangel. Auch Peter Parker hat seit geraumer Zeit keinen richtigen Schlaf mehr genossen. Schuld daran sind jedoch nicht zu viel Arbeit, die innere Unruhe, die Angst vor der Zukunft oder ein zu voller Helden-Stundenplan, sondern vor allem eine abscheuliche Melodie in Peter Parkers Kopf. Immer wenn die folgenden Zeilen einsetzen, wird der Schlaf unmöglich: „Close your eyes. Go to sleep. The man with the knife cuts down the sheep“. Wieso tobt ein solch schreckliches Lied in Peters Kopf? Wie nur diesen Zeilen entkommen?

Was zu Beginn – neben dem ungewöhnlichen Horror-Genre für „Spider-Man“ – besonders ins Auge springt, sind die Zeichnungen und Kolorierungen von Juan Ferreyra. Der Künstler schöpft diverse Möglichkeiten der modernen Panelgestaltung aus, um die Seite so lebendig und schockierend wie möglich werden zu lassen. Hierfür löst er sich beispielsweise gehäuft von den klassischen Panels, indem er keine Rahmen zeichnet. Oder aber er legt einzelne Panels übereinander. Dann wiederum verzichtet Ferreyra bewusst auf Hintergründe, wodurch Parkers Schlafmangel nochmal eindrücklicher wird und lässt ihn zum Beispiel von der oberen linken Seite in die untere rechte Seitenecke in sechs kleinen Zeichnungen fallen. Hinzu kommen „unfertige“ Zeichnungen im Stile eines Skizzenbuchs. Diese Vielfalt sieht man selten.

Auch die weiteren Kapitel starten mit einer realen Sorge. Statt des Schlafmangels ist es diesmal die Frage: Was wäre, wenn man plötzlich alle Beziehungen verlieren würde? Es tut weh, Spider-Man auf den Seiten zu begleiten und zu sehen, wie er von seinen engsten Familienmitgliedern und Freunden abgewiesen wird. Seine Tante May hält ihn für einen Telefon-Betrüger, der den „Enkeltrick“ anwendet, und Mary-Jane, Peters große Liebe, sieht in ihm lediglich einen verrückten Stalker. Statt wie so oft schon gelesen, sind es diesmal nicht die Widersacher, die in einem Spinnennetz zappeln, sondern Spider-Man höchstpersönlich. Kann man einem solchen dichten Netz (der Lügen) entkommen? Zu allem Überdruss wurden dem Netzschwinger seine übernatürlichen Sinne und Kräfte geraubt. Wer steckt hinter diesem Wahnsinn?

Wie schon zu Beginn überzeugen die Zeichnungen von Juan Ferreyra auch im weiteren Verlauf. An Schockern und blutigen Szenen wird nicht gespart. Dadurch wird dieser Comic für Fans von Spider-Man oder Freunde von Superheldengeschichten zu keiner leichten Kost. Aber auch für Fans von Horrorgeschichten sind einzelne Illustrationen nur schwer auszuhalten. Da trifft der Titel „Im Netz des Grauens“ voll ins Schwarze. Inhaltlich muss sich dieser Comic ebenfalls nicht verstecken. Saladin Ahmed hat seine dunklen Ideen durchdacht und eine zusammenhängende Geschichte erdacht, die bis zum Ende überzeugt. Vor allem der Einstieg mit den wiederkehrenden Horrormelodien bleibt in Erinnerung und bereitet Gänsehaut.

Fazit: Das Experiment einer „Spider-Man“-Horror-Story hat verblüffend gut funktioniert. Durch die Kombination einer spannungsvollen Geschichte mit sehr kreativen Illustration werden die Lesenden von Seite eins an gepackt. Wie so oft bei Horrorgeschichten hat man auch hier zwar keine echte Chance, mitzuraten, wer der Drahtzieher hinter dem irren Wahnsinn ist, man wird jedoch bestens unterhalten und geschockt. Die starken Zeichnungen von Ferreyra und die Story von Ahmed machen diesen Comic-Einzelband zu einem eindrucksvollen Ausflug in das Horror-Genre. Gruselig gut!

Spider-Man: Im Netz des Grauens
Comic
Saladin Ahmed, Juan Ferreyra
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-3643-1
188 S., Softcover, deutsch
Preis: 24,00 EUR

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Comics Superhelden
news-5338 Thu, 04 Jul 2024 08:00:00 +0200 Artefakte https://www.ringbote.de/rezensionen/artefakte Geheimnisvolle und schreckliche Artefakte gehören zu „Cthulhu“ ebenso wie muffige Folianten oder tentakelbewehrte Gottheiten. Mit dem Band „Artefakte“ wird diesen obskuren Geräten – oder um was es sich auch sonst immer handeln mag – erstmals ein eigener Band gewidmet. Lohnt sich die Anschaffung? von Jens Krohnen

Quellenbände für die wichtigsten Komponenten cthuloiden Grusels gehören eigentlich schon immer zum festen Repertoire des „Cthulhu“-Produktportfolios. Sei es das „De Vermis Mysteriis“ – beziehungsweis sein Vorgängerband „Necronomicon“ –, in dem cthuloide Folianten vorgestellt werden, das „Malleus Monstrorum“, also der cthuloide Kreaturenkatalog, oder das „Grand Grimoire der Mythos Magie“. Eigentlich verwunderlich, dass mit „Artefakte“ jetzt erst eine Sammlung cthuloider Artefakte vorliegt.

„Artefakte“ beginnt – ähnlich wie das „De Vermis Mysteriis“ – mit einem aus mehreren Tabellen bestehenden Generator, mit dessen Hilfe sich der geneigte Spielleiter sein eigenes cthuloides Artefakt bauen kann. Leider ist dieser Generator deutlich weniger gelungen als im Band über Mythos-Bücher. Er besteht nur aus wenigen Tabellen, die eher Schlagworte denn spieltischorientierte Informationen liefern. So erhält der Spielleiter schlussendlich eher eine sehr vage Vorstellung von seinem Artefakt, welches es nun noch auszuarbeiten gilt. Da gibt es durchaus nützlichere Varianten.

Anschließend erfolgt die Vorstellung unterschiedlichster Artefakte. Diese werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt und stammen aus allerlei möglichen Quellen. Natürlich sind Lovecrafts Geschichten sowie jene seiner Mitstreiter, welche wir heutzutage dem „Cthulhu-Mythos“ zusortieren, eine Primärquelle. Doch im Laufe mehrere Jahrzehnte des cthuloiden Rollenspiels haben auch zahlreiche Rollenspielautoren Artefakte erdacht, um welche sich die verschiedensten Abenteuer gedreht haben. Entsprechend groß ist die folgende Auflistung und gleich über 200 Artefakte sind hier versammelt. Dabei wurden außerirdische Artefakte ebenso berücksichtigt wie jene Geräte oder Werkzeuge, welche von Menschenhand stammen.

Die schiere Materialfülle ist tatsächlich überwältigend, und die Fleißarbeit, welche die Autoren in diesen Band haben fließen lassen, ist wirklich beeindruckend. „Artefakte“ dürfte die mit Abstand kompletteste Sammlung cthuloider Apparaturen und Gerätschaften sein, die man als Fan im Moment in die Finger bekommen kann. Die Aufbereitung der einzelnen Einträge – die von wenigen Zeilen bis zu mehreren Seiten sehr unterschiedlich groß ausgefallen sind – ist dabei übersichtlich und so spieltischnah wie möglich gehalten. Wo Spielwerte benötigt werden, werden diese zumeist in Extrakästen dargestellt, etwaige Sonderregeln als einzelner Abschnitt im Fließtext. Damit findet man sich eigentlich recht gut zurecht.

Leider muss ich aber auch hier die Kritik wiederholen, welche ich bereits an „De Vermis Mysteriis“ anbringen musste: Durch die schiere Menge unterschiedlicher Artefakte stellt sich bereits nach wenigen Seiten eine gewisse Beliebigkeit ein. Auch hat die alphabetische Sortierung hier seine Tücken – eine Kategorisierung der Artefakte in beispielsweise „Waffen“, „Zauberzutaten“, „Werkzeuge“ oder ähnliches wäre in meinen Augen zielführender gewesen, um einem Spielleiter auf der Suche nach einem bestimmten Artefakt besser zu unterstützen. Zu guter Letzt ist der großen Masse unterschiedlichster Artefakte der Platz zum Opfer gefallen, der notwendig gewesen wäre, um diese Gegenstände auch inspirierend und möglicherweise gleich mit einer Abenteueridee versehen vorzustellen. So ergeht sich der Band zwar pflichterfüllend vollständig, aber wenig anregend, in einer langatmigen Aufzählung immer wieder ähnlicher Artefakte. Hier wäre weniger in meinen Augen mehr gewesen. So bleibt „Artefakte“ eher eine cthuloide Lesefibel, an deren Ende kaum ein Artefakt sonderlich im Gedächtnis geblieben ist – was wirklich schade ist, da viele der vorgestellten Gegenstände mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.

Optisch ist „Artefakte“ recht gut gelungen. Der Band erscheint als farbiges Hardcover mit Lesebändchen. Der Band ist spärlich, aber auf einem ordentlichen Niveau illustriert. Auch das Korrektorat und Lektorat haben eine ordentliche Arbeit geliefert – technisch ist einmal mehr alles in Ordnung.

Fazit: „Artefakte“ ist wohl die kompletteste Sammlung von Mythos-Gegenständen. Leider mangelt es dem Band an der notwendigen Tiefe, um die unterschiedlichen Artefakte auch als Abenteueraufhänger zu präsentieren. Die schiere Materialfülle macht zudem eine spieltischgerichtete Orientierung schwierig. Es bleibt ein interessantes Thema, in welches der geneigte Spielleiter aber noch reichlich Arbeit stecken müsste.

Artefakte
Quellenband
Julia Erdmann, Heiko Gill u. a.
Pegasus Press 2024
ISBN: 978-3-96928-119-2
156 S., Hardcover, deutsch
Preis: 29,95 EUR

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Rollenspiele Cthulhu (Edition 7)
news-5337 Wed, 03 Jul 2024 08:00:00 +0200 LEGO Star Wars: Lexikon der Figuren, Raumschiffe und Droiden (2024er Ausgabe) https://www.ringbote.de/rezensionen/lego-star-wars-lexikon-der-figuren-raumschiffe-und-droiden-2024er-ausgabe 25 Jahre wird die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen LEGO und „Star Wars“ in diesem Jahr alt. Was 1999 mit ein paar Sets zu „Episode I“ und der klassischen Trilogie begann, ist heute ein unglaublich vielfältiges Multimedia-Cross-Franchise der zwei bekannten Marken. Zum Jubiläum ist, neben einigen Jubiläums-Spielsets, auch ein neues Begleitwerk erschienen. Das „Lexikon der Figuren, Raumschiffe und Droiden“ liegt hier in der 3. Ausgabe vor. „Komplett neu“, wie der Werbe-Untertitel verspricht. Stimmt das? von Frank Stein

Das „LEGO Star Wars: Lexikon der Figuren, Raumschiffe und Droiden“ hat schon eine lange Tradition. 2009 erschien die erste Ausgabe mit Luke-Skywalker-Minifigur. 2019 kam eine deutlich erweiterte Version mit Finn-Minifigur heraus. Diesmal kommt bereits fünf Jahre später schon die nächste Ausgabe. Dabei sind die Kerndaten im Wesentlichen gleich geblieben: Hardcover, Vollfarbe, großformatig (25,8 x 30,7 x 3,3 cm). Die 6 mm mehr in der Dicke haben nichts mit dem Inhalt zu tun. Der ist mit 160 Seiten exakt so umfangreich wie der des Vorgängerbands. Vielmehr liegt es an der etwas breiteren Papphülle für die exklusive Minifigur eines Darth Maul mit 25-Years-of-LEGO-Star-Wars-Rückenprint. Dass die Seitenzahl exakt gleich geblieben ist, obwohl fünf Jahre an Produkten hinzugekommen sind, stimmt mich etwas nachdenklich. Mal schauen, wie sich das im Inneren niederschlägt.

Erneut ist das Buch voll und ganz den reinen LEGO-Sets gewidmet. Dass es zu „LEGO Star Wars“ auch Videospiele, TV-Serien, Comics und mehr gibt, spielt hier keine Rolle. Zugegebenermaßen wird das auch nirgendwo versprochen. Ein kleiner Überblick am Ende wäre aber schön gewesen. Stattdessen stehen also die Raumschiffe, Fahrzeuge und Figuren im Zentrum. An die 650 Sets sind im Laufe der letzten 25 Jahre entstanden, und auch wenn viel auf den 160 Seiten Platz findet, warnt der Rückseitentext des Buchs, dass nur „das Beste aus 25 Jahren“ dargeboten wird.

Das beginnt nach einer kurzen Einleitung mit einer sehr schönen Zeitleiste, die sich über fünf Seiten erstreckt und  bedeutende Momente in der Entwicklung der Spielsets darstellt, etwa das erste „Ultimate Collector Series“-Modell im Jahr 2000 (ein TIE-Interceptor), Rekorde wie den zweiten Todesstern mit seinen 3449 Teilen im Jahr 2005, den ersten Adventskalender im Jahr 2011 oder die erste reine „LEGO Star Wars“-Figur JEK-14 aus dem Jahr 2013. Dieser Überblick bietet einen schönen Einstieg und reicht bis zu den Mech-Modellen und dem ersten Spielset zur Animationsserie „Die Abenteuer der jungen Jedi“ aus dem Jahr 2023.

Im Anschluss daran ist das Buch in fünf Bereiche unterteilt. Die ersten drei widmen sich den drei „Star Wars“-Trilogien.  Grob den Ereignissen der Filme folgend, werden dann jeweils auf Doppelseiten einzelne Themen beleuchtet, darunter Ereignisse wie Podrennen, Schauplätze wie Tatooine, Gruppen wie der Jedi-Orden oder Gefechtsdroiden, Einzelpersonen von Anakin Skywalker bis Kylo Ren und natürlich Raumschiffe von der Jedi-Flotte bis zu den Streitkräften der Ersten Ordnung.

Diese Doppelseiten sind alle ähnlich aufgebaut. Im Zentrum stehen mehrere Abbildungen der vielen unterschiedlichen LEGO-Modelle, die sich nicht nur optisch ausgesprochen hübsch gruppieren, sondern dem jahrelangen Sammler auch Anregungen bieten, dass man seine Vitrine mal in diese oder jene Richtung thematisch umräumen könnte. Jüngere Fans, an die sich das Buch richtet, werden dagegen die Erkenntnis ertragen müssen, wie viele Sets sie bereits verpasst haben. (Wobei man merkt, dass sich das Buch Mühe gibt, den Fokus auf die letzten Jahre zu lenken. So wurden einige ältere Modelle, etwa das Jedi-Shuttle oder das Kanonenboot, durch aktuelle Versionen ersetzt.)

Jedes präsentierte Set erhält einen kleinen Infokasten, der Erscheinungsjahr, Teilezahl, Artikelnummer und die Filme beziehungsweise Serien nennt, in denen es zu sehen war. DK-typisch sind die Bildbeschriftungen, wie immer mal produktionshistorisch („Die Gussform des Kopfes wurde 2011 überarbeitet.“), mal deskriptiv („Servomotorscheibe“), mal überflüssig („Eins von zwei Schwertern“ – deutet auf eins von zwei Lichtschwertern in Asajj Ventress’ Händen) und mal zum schmunzeln („Geschätzter Filzhut“). Auch drumherum wird einiges an Text geboten – in Form leicht verdaulicher Block-Häppchen.

Diese sind locker flockig und direkt Kinderleser ansprechend formuliert. Hier merkt man deutlich, dass das Wort „Lexikon“ auf der Cover nur in Ermangelung eines besseren Begriffs gewählt wurde. Das hier ist kein erschöpfendes Nachschlagewerk für Sammler, es handelt sich um ein unterhaltsames Buch zum Stöbern und Staunen. Hier und da verstecken sich allerdings durchaus kleine Wissenshäppchen zur LEGO-Modellgeschichte. So kann man etwa erfahren, dass im Modell des Sternenzerstörers von 2006 ein transparenter Stein mit Aufkleber für den Effekt eines Imperator-Hologramms sorgen sollte. Oder dass das Modell des T-16-Lufthüpfers eine Seltenheit ist, weil es eine einzelne Mini-Figur enthält, die keinen Namen hat.

In Abschnitt 4 stehen dann „Spezielle Sets“ im Rampenlicht. Dazu zählen beispielsweise die riesigen UCS-Modelle, Planeten-Sets, Microfighters, baubare Figuren oder LEGO-Technik. Den Abschluss bildet – neben einem Register – in Kapitel 5 ein Blick hinter die Kulissen. Hier kommen die Entwickler in einem Interview kurz selbst zu Wort.

Am Schluss möchte ich noch einmal auf den Untertitel „komplett neu“ zu sprechen kommen. Das stimmt nicht. Nicht einmal ansatzweise. Genau das Gegenteil ist der Fall. Denn in Wahrheit wurde zunächst das komplette Konzept der 2019er-Ausgabe genommen. Dann wurde ein bisschen das Layout modernisiert. Danach wurden ein paar Einträge umgestellt oder Bilder verkleinert, um neue Sets einfügen zu können. Hier und da wurden gleichartige Sets ausgetauscht (Stichwort: Kanonenboot). Unterm Strich sind damit an die 90% des Inhalts komplett identisch oder sehr ähnlich zum älteren Buch. Neu hinzugekommen sind vor allem ein paar Seiten zu den TV-Serien, namentlich „The Mandalorian“, „Book of Boba Fett“ und „Ahsoka“. Dadurch kamen ca. 10 neue Seiten (von 160) hinzu. Diese wurden vor allem hinten in Kapitel 5 „Hinter den Steinen“ eingespart. Das war 2019 noch umfangreicher. In den Kapiteln zuvor wurden dafür erfreulicherweise keine Einträge gekürzt. Vor allem wurde hier auf kleinere Bilder und kleineren Text gesetzt, um Platz für Neues zu schaffen. Unterm Strich hat man also die Informationsdichte nochmal erhöht.

Fazit: Das „LEGO Star Wars: Lexikon der Figuren, Raumschiffe und Droiden“ ist zwar nicht wirklich ein Lexikon, aber das macht gar nichts, denn auch „bloß“ als bilderreiches Unterhaltungswerk funktioniert es ganz großartig. Die einfach gehaltenen Texte sprechen vor allem junge Fans an (naheliegend, bei einem Buch zu Spielzeug), doch der Veteran, der seit 25 Jahren LEGO sammelt, schmökert ebenso gern durch die Seiten und erfreut sich an der Vielfalt an Figuren und Spielsets. Für neue Fans rundweg zu empfehlen, bleibt für Besitzer der 2019er-Ausgabe die Warnung, dass weite Teile des Buchs identisch sind. Im Wesentlichen wurden die Seiten für die TV-Serien hinzugefügt, auf Kosten des Blicks hinter die Kulissen. Die übrigen Änderungen sind weitestgehend kosmetischer Natur.

LEGO Star Wars: Lexikon der Figuren, Raumschiffe und Droiden (2024er Ausgabe)
Sachbuch
Simon Beecroft, Jason Fry, Simon Hugo u. a.
Dorling Kindersley 2024
ISBN: 978-3-8310-4959-2
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: 26,95 EUR

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Romane Sekundärwerke
news-5336 Tue, 02 Jul 2024 08:00:00 +0200 Das Traumbestiarium des Mr. Providence https://www.ringbote.de/rezensionen/das-traumbestiarium-des-mr-providence H.P. Lovecraft ist „in“. Und das gilt nicht nur für seine Geschichten. Gerade in Comic-Form gab es in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Versuche, sich Lovecraft auch als Person anzunähern – mal autobiographisch, mal mit viel künstlerischer Freiheit. Daria Schmitt hat sich eindeutig für den zweiten Weg entschieden. von André Frenzer

Nach ihrem Studium der Geschichte und Architektur arbeitete Daria Schmitt für verschiedene Unterhaltungsunternehmen, wo sie Bühnenbilder und Storyboards entwarf. Mehrere Jahre lang unterrichtete sie an einer Kunstgewerbeschule und begann später auch an Comics zu arbeiten. Im Jahr 2022 schließlich erschien ihr „Das Traumbestiarium des Mr. Providence“, eine Hommage an H.P. Lovecraft und die Fantasy-Literatur, auf Französisch. Nun legt der Splitter-Verlag die deutsche Übersetzung vor.

Um was geht es? Daria Schmitt bedient sich reichlich an der Person des H.P. Lovecraft – auch wenn er hier Mr. Providence – genannt wird, ohne tatsächlich autobiographisch zu werden. Mr. Providence arbeitet – wohl schon seit jeher – als Wächter in einem Park. In diesem Park geht es nicht ganz mit rechten Dingen zu, denn schon immer sind die Wände der Realität hier dünn, und grausige Kreaturen drohen in unsere Wirklichkeit einzudringen. Solange Mr. Providence hier allerdings nach dem Rechten sieht, ist das kein Problem. Nun aber geschehen zwei Dinge, welche das bislang so beschauliche Leben des Parkwächters durcheinanderbringen. Zum einen wäre das die neue Parkdirektorin. Diese hat für die okkulten Spinnereien des alten Mr. Providence nichts übrig und möchte lieber über Besucherakzeptanz, neue Managementmethoden, Kompetenzen und Businesszahlen diskutieren. Zum anderen wäre da ein seltsames Buch, welches Mr. Providence im Park findet, welches die bizarren Geschöpfe des Parks in Unruhe versetzt.

Wie erwähnt ist „Das Traumbestiarium des Mr. Providence“ keine Autobiographie. Dennoch greift Schmitt – natürlich – einige Motive aus Lovecraft Leben und insbesondere aus seinem Werk auf, um die Geschichte zu erzählen. Sei es das Verlieren in den Traumlanden oder die besondere Beziehung des alten Parkwächters zu Katzen: Man kann durchaus das Gefühl haben, es mit dem grummeligen Parkwächter-Ich von H.P. Lovecraft zu tun zu haben, während man der Geschichte folgt. Schmitt spart dabei die unschönen Seiten von Lovecrafts Wesen komplett aus, ohne ihren „Mr. Providence“ aber allzu sympathisch zu charakterisieren. Dennoch oder gerade deswegen kann man tief in die Geschichte eintauchen und sich auf diese ganz eigene Version Lovecrafts hervorragend einlassen. Die Menge skurriler Charaktere in dieser Geschichte ist wahrlich hoch – seien es die drei Seniorinnen, welche dem Parkwächter unermüdlich zur Seite stehen, die Direktorin – welche ihre „Meetings“ stets hoch zu Ross abhält –, die nervigen Nachbarskinder oder auch die anderen Mitarbeiter des Parks. Die oftmals bizarren Dialoge und seltsamen Charaktere ergeben eine Melange, auf die man sich einlassen können muss, die aber viel Spaß macht, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat. Während Mr. Providence versucht, das Leben aller im Park zu schützen und gleichzeitig den neuen Methoden seiner ungeliebten Chefin wahlweise zu entgehen oder ihnen irgendwie gerecht zu werden, ist melancholisch und lustig zugleich. Die Tiefe der Geschichte, welche ein rundes Ende findet, ist beeindruckend.

Optisch ist „Das Traumbestiarium des Mr. Providence“ ein wahrer Augenschmaus. Größtenteils in Schwarz-Weiß gehalten ist die Detailtiefe, mit welcher Schmitt auch an den kleineren Panels zu Werke geht, absolut beeindruckend. Die Anwesenheit der Traumbestien wird dann stets durch den Einsatz von Farben, zumeist Pastelltönen, visuell abgesetzt. Diese Mischung hat eine sogartige Wirkung, die den Leser tief in die Seiten des Comics ziehen kann, wenn man sich darauf einlassen mag. Die Seitenaufteilung der Panels ist zumeist klassisch, die Zeichnungen oftmals eher ruhig. Das Schmitt aber auch Dynamik umsetzen kann und man Mr. Providence auf so manch actionreichem Pfad folgen darf, zeugt von dem Abwechslungsreichtum der Geschichte ebenso wie von der Qualität der Zeichnungen.

Leseprobe

Fazit: „Das Traumbestiarium des Mr. Providence“ ist eine hervorragende Traumlande-Hommage und eine Verbeugung vor Lovecraft als Künstler gleichermaßen. Optisch ein Leckerbissen, ist diese Graphic Novel für alle Fans dieser Themen absolut empfehlenswert.

Das Traumbestiarium des Mr. Providence
Comic
Daria Schmitt
Splitter-Verlag 2023
ISBN: 978-3-98721-140-9
120 S., Hardcover, deutsch
Preis: 29,80 EUR

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Comics Horror/Mystery
news-5335 Sun, 30 Jun 2024 11:05:38 +0200 The Elder Scrolls V – Skyrim: Das Abenteuerspiel https://www.ringbote.de/rezensionen/the-elder-scrolls-v-skyrim-das-abenteuerspiel „Skyrim“, das fünfte Videospiel der beliebten „The Elder Scrolls“-Reihe von Bethesda, gehört ohne Zweifel zu den besten und erfolgreichsten Computer-Rollenspielen aller Zeiten. 2011 erschienen, verkaufte es sich über sechzig Millionen Mal. 2021 wurde groß der 10. Geburtstag gefeiert. Dazu gehörte auch eine Kickstarter-Kampagne von Modiphius, die uns „Skyrim: The Adventure Game“ brachte. Nun ist das Spiel auf Deutsch bei Asmodee erschienen. von Frank Stein

Bevor wir zum Spiel selbst kommen, eine Anmerkung vorab: Ich habe „The Elder Scrolls: Arena“ ein wenig, „The Elder Scrolls II: Daggerfall“ ein wenig mehr und „The Elder Scrolls III: Morrowind“ sogar recht viel gespielt. Aber das ist Jahrzehnte her. Bei „Skyrim“ kam ich aus Zeitgründen irgendwie nie über das erste Dorf hinaus. Was ich damit sagen will: Meine Kenntnisse des Hintergrunds sind beschränkt (was ich auch beim Spielen bemerkt habe), das heißt, ich werde das Spiel vor allem hinsichtlich seines Unterhaltungswerts als Abenteuerspiel bewerten, weniger nach seiner trefflichen Verschränkung mit der Videospiel-Vorlage. Kenner mögen es mir nachsehen.

Nachdem das gesagt ist, ein kurzer Blick zurück: „The Elder Scrolls V: Skyrim – The Adventure Game“ erblickte als Kickstarter-Projekt im November und Dezember 2021 das Licht das Welt. Neben dem Grundspiel wurden gleich zwei Erweiterungen – „Dawnguard“ und „From the Ashes“ – mitfinanziert, dazu der übliche Deluxe-Schnickschnack wie eine 5-8-Spieler-Erweiterung, Metallmünzen, eine Neoprenmatte des Spielfelds und ein „Miniatures Upgrade Set“, das man netterweise nicht nur für „Skyrim“ nutzen konnte und kann, sondern auch als Einstieg in das andere „The Elder Scrolls“-Spiel von Modiphius, das Miniaturenkampfspiel „A Call to Arms“.

Gut 7200 Backer investierten insgesamt 1,25 Millionen Pfund – plus Pledge-Manager-Einnahmen – und machten den Kickstarter damit zu einem veritablen Erfolg. Anfang 2023 wurden die Spiele dann an die Backer ausgeliefert, ein gutes Jahr später zieht nun Asmodee mit einer deutschen Übersetzung nach. Allerdings wird einstweilen nur die Grundbox erhältlich sein, ob die Erweiterungen noch kommen, dürfte vom Verkaufserfolg eben jener abhängen.

„Skyrim: Das Abenteuerspiel“ ist ein Spiel für 1 bis 4 Personen und in Grundzügen ein klassisches Abenteuerspiel. Ihr übernehmt eine Heldenfigur mit einer Basisausstattung und bewegt diese über eine Landkarte der Provinz Himmelsrand (alle Namen wurden im Spiel eingedeutscht), um Kampf-Begegnungen in Verliesen zu bestehen, Ereignisse in der Wildnis und in Städten zu erleben, umherstreifende Monster zu bezwingen, Questen zu übernehmen und dabei stetig stärker und besser zu werden, sowohl durch neu erlernte Fertigkeiten als auch Ausrüstung, die man in Form von Schätzen findet oder auf dem Markt der Städte kaufen kann. So weit, so typisch.

Vor Spielbeginn ist eine gewisse Hürde zu nehmen: das Regelwerk. Dieses hat 54 Seiten, auch wenn zehn davon überblättert werden können, weil sie Dinge wie das Inhaltsverzeichnis, Völkerbeschreibungen, Fertigkeitenlisten und ähnliches enthalten. Doch auch was bleibt, ist nicht ganz trivial. Das liegt nicht mal so sehr an der Komplexität des Spiels selbst, denn so schlimm ist „Skyrim“ da gar nicht. Da kenne ich schlimmere Kandidaten, die sich in deutlich mehr Mikromanagement verlieren. Stattdessen sind Informationen teilweise etwas unpraktisch verteilt. Außerdem sind dann doch einige Sonderregeln, die nicht intuitiv sind, weil „typisch“ für solche Spiele, in Einzelsätzen verteilt, wodurch man dazu neigt, sie zu übersehen. Schließlich fehlt auch die eine oder andere Detailinformation. Hier ist man auf ein englischsprachiges FAQ angewiesen oder muss nach gesundem Menschenverstand hausregeln.

Ergänzend kann man noch die „Einführung“ spielen, ein geskriptetes Abenteuer in vier Zügen, das auf der einen Seite ein kleiner Prolog zum Rest des Spiels darstellt, auf der anderen durch die Grundzüge der Regeln führt. Allerdings werden viele Spezialfälle dabei nicht berücksichtigt, sodass man um das Regelstudium dennoch nicht herum kommt.

Das Spiel kommt mit zwei kleinen Kampagnen zu je drei Kapiteln daher, die man entweder als lange Kampagne, in zwei Geschichten getrennt oder als Einzelabenteuer spielen kann. Obendrein listet das Regelwerk noch einen „Freien Modus“ auf, der ohne die Hauptquest-Karten arbeitet und einfach ein Durchwandern von Himmelsrand und ein Erleben der zahlreichen persönlichen Questen und Weltquesten erlaubt. Des Weiteren gibt es einen recht simplen Solo-Modus sowie einen sogenannten „Freien Wettkampfmodus“, bei dem ihr rein kompetitiv auf Punktejagd geht, wobei Punkte durch verschiedenste Aktionen in der Partie gewährt werden. Anregungen, wie das Spiel erschwert oder vereinfacht werden kann, gelten für alle Modi. Das klingt abwechslungsreich, im Grunde spielt sich alles aber immer verdammt ähnlich – egal ob Story oder frei, egal ob kompetitiv oder kooperativ –, nur in kleinen Details wurde am Regelgerüst geschraubt.

Hat man sich für eine Spielart entschieden, Charaktere verteilt und das Spielfeld vorbereitet, geht es los. Jeder Spielzug (eigentlich eine Spielrunde, aber so heißt es halt im Regelwerk) ist in mehrere Phasen unterteilt, die in der Regel nacheinander im Uhrzeigersinn abgehandelt werden, vom Startspieler aus beginnend – der mit jedem Zug wechselt. Zu Beginn eins Zugs nimmt der Startspieler eine Ereigniskarte. Die löst ein Ereignis aus, das entweder nur in dem Zug oder als Weltquest oder Aktives Ereignis auch länger das Geschehen beeinflusst. Beispielsweise taucht ein Riese in der Wildnis auf oder man bekommt einen einmaligen Einkaufsrabatt oder man muss sich einer Herausforderung stellen. Anschließend bewegen sich umherstreifende Kreaturen, sofern es ein Regeltext bestimmt. Danach kann sich jeder Charakter entweder vier Felder weit über Straßen bewegen oder mit einer Kutsche von Stadt zu Stadt, wobei pro überschrittener Grenze eines Fürstentums ein Septim (das ist die Währung) an Wegzoll fällig wird.

Danach führt jeder Charakter eine Zugaktion aus. Befindet er sich auf einem Verliesfeld, kann er dieses erkunden. Je nachdem, ob er dabei in eine Mine, ein Grab, eine Ruine etc. vordringt, kommt es zu unterschiedlichen Begegnungen, die in den zwei Kampagnen von Kapitel zu Kapitel schwerer werden. An Feindklassen gibt es beispielsweise Tiere, Humanoide, Untote oder Daedra (Dämonen), die je ihre eigenen Kartenstapel haben und unterschiedlich schwere Begegnungen enthalten, von der Level-0-Schlammkrabbe bis zum Level-7-Totenbeschwörermeister.

Steht man auf einem Wildnis- oder Stadtfeld, kann man stattdessen die Wildnis oder Stadt erkunden, wozu man eine Karte vom entsprechenden Stapel zieht und oft eine kleine Aufgabe zu lösen bekommt, die sich mitunter zu einer mehrteiligen „persönlichen“ Nebenquest ausweitet. In einer Stadt kann man zusätzlich einen Marktbesuch machen, um Gegenstände zu kaufen, zu verkaufen, zu verbessern, zu verzaubern oder herzustellen. Auch die Materialien Erz, Pflanze und Seelenstein (die oft bei Fertigkeitsproben helfen) gibt es dort im Angebot.

Questen erfordern häufig, dass ihr einen Hinweismarker auf einen anderen Ort legt, um anzuzeigen, dass euer Charakter dorthin reisen muss, um bei der gestellten Aufgabe voranzukommen. Beendet er seine Bewegung auf einem solchen Ort, könnt ihr die Quest lösen, was ebenfalls als Zugaktion gilt. Zu guter Letzt könnt beziehungsweise müsst ihr umherstreifende Kreaturen bekämpfen, auf deren Feld euer Charakter im Rahmen seiner Bewegung landet. Manchmal kann man diese umgehen, aber manchmal muss man sie auch gezielt suchen, um zu verhindern, dass zu viele von ihnen auf dem Spielbrett landen, was je nach Szenario zu einem Ende mit Schrecken führen kann.

Am Ende eines Zugs heilen alle Charaktere wieder komplett, dann wechselt der Startspielermarker und der nächste Zug beginnt.

Wie in eigentlich allen Abenteuerspielen möchtet ihr auch in „The Elder Scrolls V – Skyrim“ im Wesentlichen drei Dinge: Ihr wollt Erfahrung sammeln, um die Charakterwerte (Gesundheit, Ausdauer, Magicka) zu verbessern sowie neue Fertigkeiten zu erlernen, die Bonuswürfel bei Proben gewähren. Ihr wollt Schätze erbeuten oder Geld sammeln, um Ausrüstung in der Stadt zu kaufen und zu verbessern, was vor allem dabei hilft, im Kampf mehr Schaden auszuteilen oder abzufangen. Und ihr wollt die Story vorantreiben, denn nur so wird ein Kapitel abgeschlossen.

Geschichten gibt es übrigens so einige zu erleben. So kommt das Spiel mit fast 300 Questkarten und fast 70 speziellen Begegnungskarten daher, die unterschiedlichste kleine Abenteuer erzählen, mal tragisch, mal lustig, mal absurd (mir kommt da ein gewisser Pakettransport mehrmals quer durch Himmelsrand in den Sinn …). Dabei werden regelmäßig Fertigkeitsproben und/oder Kämpfe fällig, die – wie es heute so beliebt ist – mit sechsseitigen Spezialwürfeln ausgefochten werden, die je eine Raute, zwei Drachen und drei Ornamente zeigen, also letztlich die Ergebnisse A, A, A, B, B, C. Je nach Schwierigkeitsgrad eine Probe wird dann Symbol A, B oder C fällig, manchmal auch zweimal A, B oder C.

Jede Fertigkeitsprobe – egal ob auf Schleichen, Schmiedekunst, Verzauberung oder Schießkunst – wird mit drei Basis-Würfeln durchgeführt. Pro passender Fertigkeit kommen ein bis zwei Würfel dazu. Passende Ausrüstung kann weitere Boni mit sich bringen. Erfreulicherweise ist es in Questen so, dass ihr nur selten wirklich komplett versagt. Meist bringt ihr euch zwar um eine Belohnung, wenn der Würfelwurf scheitert, dürft aber trotzdem an der Stelle weiterspielen.

Gewöhnungsbedürftig, weil „etwas anders“, ist der Kampf im Spiel. So beginnt beispielsweise jede Begegnung mit einem Schleichangriff. Ist der erfolgreich, kriegt euer Charakter einen Angriff ohne Gegenangriff umsonst. (Oder er neutralisiert einen „Hinterhalt“, der auf Feindesseite ein Angriff ohne Gegenangriff wäre.) Danach könnt ihr, je nach mitgeführter Waffe, mit drei verschiedenen Schadensarten angreifen: leicht, schwer oder magisch. Dabei ist schwer nicht besser als leicht, nur anders, gewissermaßen ein Hammerschlag dort und ein flinker Schwertstich hier. Eine erfolgreiche Angriffsprobe macht festen Schaden, von dem der Rüstungswert des Gegners abgezogen wird.

Auch die Rüstungen unterteilen sich in schwer, leicht oder magisch. Trägt ein Verteidiger eine passende Rüstung, wird deren Schutzwert komplett vom Schaden subtrahiert, erst danach wird der Rest von der Gesundheitsleiste abgezogen – bei Helden. Bei Gegnern reduziert stattdessen der Restschaden die Rüstung, wodurch diese bei Folgeangriffen schwächer schützt – und ist sie komplett weg, ist der Feind besiegt. (Bei Feinden mit mehreren Rüstungsarten müssen alle entsprechend zerstört sein.)

Feinde greifen übrigens in Kampfrunden immer zuerst an und sie würfeln auch keine Probe, sondern nur mit einem Feindwürfel, der über fünf verschiedene Symbole und ein Leerfeld verfügt, welche die Art der ausgeführten Attacke anzeigen. Mit Glück erwischt man dann ein Symbol, das auf der Begegnungskarte dieses Feindes nicht vorkommt (oft haben Feinde nicht alle Symbole Angriffen zugeordnet). Dann verfällt sein Angriff.

„The Elder Scrolls V: Skyrim“ ist, wie erwähnt, kein sonderlich komplexes Spiel – für Kenner von Abenteuerspielen und Dungeon Crawlern zumindest nicht. Trotzdem muss man auch hier Einzelregeln im Kopf behalten, die nicht immer intuitiv sind. Beispielsweise werden nach einer Begegnung alle Verliesgegner aus dem Spiel entfernt, deren Level kleiner/gleich dem Level des sie bekämpfenden Helden (zwischen 0 und 4) ist. So werden zu einfache Begegnungen entfernt, was sinnvoll ist. Auch wichtig: Nachdem man ein Verlies verlassen hat, bekommt man neben den Belohnungen auf den Gegnerkarten noch einen „einfachen“ oder „prächtigen“ Schatz extra (je nach Gegnerlevel). Außerdem werden alle Gegner, die nicht aus dem Spiel entfernt wurden, mit der obersten Karte des verbleibenden Gegnerstapels in der jeweiligen Klasse (Tier, Humanoid etc.) gemischt und zurückgelegt. So soll gewährleistet werden, dass man nicht zu früh zu schweren Gegnern über den Weg läuft, denn die Stapel sind tatsächlich zu Spielbeginn nach Level sortiert.

Oder: Mehrere Gegner (in Verliesen oder bei Quests etwa) werden meist nacheinander bekämpft. Ausdauer und Magicka darf man zwischen Begegnungen regenerieren, Gesundheit aber erst am Ende aller Kämpfe. Muss man die Gegner indes gleichzeitig bekämpfen, darf man immer nur den Gegner ganz links angehen – und auch die Feinde prüfen von links nach rechts, wer nach dem Wurf des Feindwürfels zuschlagen darf. Alles schön sauber der Reihe nach. Das wirkt dann eher technisch als logisch.

Optisch bewegt sich das Abenteuerspiel in der Mittelklasse. Das Regelwerk ist sehr schön aufgemacht. Die Spielmarker sind zweckdienlich, auch wenn man Septime und Pflanzen-Marker der ähnlichen Farbe wegen verwechseln kann. Die sechs Heldenfiguren liegen als hübsche Miniaturen vor, leider gibt es für die umherstreifenden Kreaturen keine Minis, nicht einmal Standees, sondern nur kleine Papp-Marker, die auf dem Spielbrett nur schlecht zu erkennen sind, da das Spielbrett in meinen Augen etwas zu dunkel gedruckt wurde. Das ist übrigens ein verbreitetes Problem. Alle Ausrüstungs- und Gegnerkarten sind mit Motiven aus dem Videospiel bebildert, und die kommen oft etwas dunkel und detailarm rüber. Man kann zwar erkennen, was man vor sich hat, mit der visuellen Opulenz anderer Spiele kann „The Elder Scrolls V: Skyrim“ aber nicht mithalten.

Zu guter Letzt: Die Erfahrung, die man mit dem „Skyrim“-Videospiel machen kann und konnte, lässt sich in dem Abenteuerspiel natürlich nicht nachbilden. Die Immersion ist einfach auf einem völlig anderen Level. Dennoch ist das Brettspiel, so habe ich mir sagen lassen, in vielerlei Hinsicht schön an das „Skyrim“-Setting angedockt. Die Schauplätze, die Völker, die Konflikte ... das alles weckt „Skyrim“-Erinnerungen. Eine der zwei Kampagnen greift auch direkt eine Episode des Videospiels auf. Hier ist man sehr nah dran.

Fazit: „The Elder Scrolls V: Skyrim“ ist ein absolut unterhaltsames Abenteuerspiel im Fantasy-Setting. Die Nähe zum Videospiel ist groß, im Fall der Optik mit den Videospielbildern vielleicht etwas zu groß. Die zwei Kampagnen durchzuspielen (dauert etwa sechs Mal vier Stunden, wenn man nicht zu sehr hetzt), ist reizvoll, zumal sehr viele unterschiedliche Questen für gute Unterhaltung sorgen. Inwieweit es aber danach noch Spaß macht, weitere „freie“ Partien zu spielen, sei mal dahingestellt. Wie alle Abenteuerspiele lebt auch dieses vom Entdecken neuer Ausrüstung, neuer Gegner und neuer Geschichten. Findet man keine mehr, sollte das Spiel zumindest eine Weile ins Regal zurück – bis man die Questen wieder vergessen hat. Der Preis von etwa 125 Euro (+/- 20 Euro) erscheint mir etwas hoch gegriffen. Dafür hätte das Spielmaterial ruhig etwas opulenter ausfallen dürfen.

The Elder Scrolls V – Skyrim: Das Abenteuerspiel
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Javier Angeriz-Caburassi, Juan Echenique, Stefano Guerriero u. a.
Modiphius Entertainment/Asmodee 2024
EAN: 3558380108863
Sprache: Deutsch
Preis: ca. 125,00 EUR

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Brettspiele Fantasyspiele
news-5333 Fri, 28 Jun 2024 11:00:00 +0200 Star Wars Marvel Comics-Kollektion 80: Darth Vader – Skywalker im Visier https://www.ringbote.de/rezensionen/star-wars-marvel-comics-kollektion-80-darth-vader-skywalker-im-visier Anakin alias Vader hat seine Lektion gelernt: Seiner toten Frau Padmé oder seinem widerspenstigen Sohn Luke nachzuheulen, kommt beim Imperator nicht gut an. Ein Sith muss stark sein – oder er stirbt. Und da Luke offenbar ein Weichei ist – er will schließlich nicht über die Galaxis herrschen –, muss er auch sterben. Aber erst einmal nimmt Vader die Freunde seines Juniors ins Visier, vor allem diesen elenden Schmuggler Han Solo. Wie dumm nur, dass Vader den gerade an Boba Fett übergeben hat … von Ye Olde Jedi-Master

Da ist er also! Der 80. und finale Band der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“. Mit ihm wird der „Krieg der Kopfgeldjäger“ komplettiert, den wir bereits in den Bänden 75, 77, 78 und 79 aus verschiedenen Perspektiven durchleben durften. Zur Erinnerung: Der „Krieg der Kopfgeldjäger“ setzt praktisch direkt nach dem Film „Das Imperium schlägt zurück“ ein, denn kaum hat Boba Fett den steifgefrorenen Han Solo übernommen, um ihn zur fiesen Riesenschnecke Jabba nach Tatooine zu bringen, kommen aus allen Löchern Freunde und Feind gekrochen, die Solo auch gern hätten. Und dann geht die Schießerei los, am Boden wie im Weltraum.

Vorliegend nun also das Ganze nochmal aus der Sicht von Darth Vader. Der hat gerade vom Imperator symbolisch mit der Rute auf den Hintern gekriegt, weil er sich in einem nostalgischen Jammertal verloren hat, kaum dass ihn die Begegnung mit seinem Sohn an seine Ex-Frau Padmé erinnert hatte. Jetzt schleppt er sich stinkwütend heimwärts und entscheidet sich, umzudenken – ich erwähnte es bereits im Teaser. Sein Plan also: Solo finden und mit ihm Luke anlocken und dann seinem missratenen Spross ein Ende setzen. Dafür verbündet sich Vader einstweilen mit dem Hutten-Halbstarken Bokka, der Solo für ihn finden soll, schließlich ist der in Unterweltkreisen verloren gegangen.

Der Weg führt unweigerlich zu Crimson Dawn, die Solo auf Jekara versteigern wollen. Das wissen wir aus den anderen Comic-Bänden, das ist kein Spoiler. Dazu gesellt sich die unvermeidliche imperiale Intrige, die praktisch alle „Vader“-Comics durchzieht und für extra Würze sorgt. Am Ende kommt es dann zur großen Schlacht, und die Frage, wer Freund und wer Feind ist, verwischt bei schnell wechselnden Szenen und Loyalitäten immer mehr. Und weil das selbst einen großen Vader verwirrt, räumt der mit dem Lichtschwert kräftig auf.

Anfangs läuft der Comic noch in leidlich verständlichen Bahnen, wobei vor allem die blutroten Erinnerungen gefallen, die Vader immer wieder heimsuchen. In der zweiten Hälfte dann springt die Handlung stellenweise ziemlich kräftig, was den Comic für sich allein grenzwertig lesbar macht. Fast schon zwingend sollte man sich „Krieg der Kopfgeldjäger“ vorher zu Gemüte geführt haben. Dann wird ein Schuh draus, und zudem einer, der optisch absolut ansehnlich daherkommt. Sowohl Guiu Villanova als auch Raffaele Ienco leisten hier, unterstützt durch ein fünfköpfiges Team aus Koloristen, wirklich gute Arbeit.

Was das Bonusmaterial betrifft, kann man nur sagen: Zum Abschied schießt Panini noch mal den Vogel ab. Denn diesmal wurde die Covergalerie einfach komplett weggelassen. Nicht mal mehr Briefmarkencover wurden den Lesern spendiert. Wahrscheinlich wollten sie unseren Trennungsschmerz dadurch mildern …

Zum Schluss noch ein Abschiedswort von mir zu Reihe an sich. Sie hatte ihre Stärken und Schwächen. Ich mag definitiv Hardcover-Bände zum fairen Preis. Auch die kurzen Einführungen waren stets nett, wenn auch nicht wirklich besser als die Intro-Texte der regulären Softcover-Sammelbände. Der uneinheitliche Umgang mit den Covern am Ende jedes Bandes war regelmäßig ein Ärgernis. Und von rein praktischer Seite hätte ich mir tatsächlich eher Titel auf dem Buchrücken gewünscht statt ein Buchrückenbild über 80 Bände. Denn da die Sammlung mehrere Comic-Reihen in bunter Mischung brachte, muss man sich schon eine Übersicht neben die Bände ins Regal legen, denn sonst findet man nichts wieder, wenn man einen Einzelband sucht.

Fazit: „Darth Vader – Skywalker im Visier“ beendet den „Krieg der Kopfgeldjäger“-Plot und zugleich die „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“. Als Schlusspunkt ist der Band nicht schlecht gewählt, allerdings frustriert ein bisschen, dass die Folgewerke des Crimson-Dawn-Handlungsbogen (es ging dann ja mit „Crimson Reign“ und „Hidden Empire“ noch weiter) nicht mehr Teil der Sammlung sein durften. Der vorliegende Comic ist ohne Zweifel spannend und actionreich, aber auch echt konfus, sodass man ihn auf jeden Fall nach „Band 78: Der Krieg der Kopfgeldjäger“ lesen sollte.

Star Wars Marvel Comics-Kollektion 80: Darth Vader – Skywalker im Visier
Comic
Greg Pak, Guiu Villanova, Raffaele Ienco u. a.
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-3793-3
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: 17,00 EUR

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Comics Star Wars