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Rolemaster

Vor Kurzem ist ein alter Rollenspielklassiker wieder in deutscher Sprache aufgelegt worden. Die Rede ist von „Rolemaster“, dem eine starke Regel- und Tabellenlastigkeit nachgesagt wird und mir schon als unspielbar vorgestellt wurde. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele „Rolemaster“-Freunde, die auf dieses System schwören. Für mich als langjährigen Rollenspieler, der noch nie was mit „Rolemaster“ zu tun hatte, ist die Neuauflage der Sonnenfeste die Gelegenheit gewesen, einen unbefangenen Blick auf das Spiel zu werfen – und ich bin sehr positiv überrascht worden.

von Nicolas Hohmann

Im Juli hat Sonnenfeste, ein Newcomer unter den Rollenspielverlagen, das Grundregelwerk zu „Rolemaster“ in deutscher Sprache veröffentlicht. Es handelt sich dabei um eine neue Übersetzung der „Rolemaster“-Variante „Rolemaster Fantasy Roleplaying Game“ aus dem englischen Verlag ICE.  Sonnenfeste hat sich einen engmaschigen Terminplan für seine Veröffentlichungen gesetzt, und bislang sieht es so aus, als würden sie diesen ohne Verzögerungen einhalten können, eine beachtliche Leistung. So werden im Oktober – wohl pünktlich zur SPIEL – der Sichtschirm, das „Kamphandbuch“ und ein Einführungsabenteuer namens „Elisera“ erscheinen.

Das vorliegende Grundregelwerk umfasst 288 Seiten, kommt im Hardcovereinband daher und ist vollfarbig gedruckt. Das Regelbuch ist, da ein dünnes und doch festes Papier gewählt wurde, für die Menge an Seiten recht dünn und leicht. Das Coverbild ist, wie der größte Teil aller Innenabbildungen, von sehr hoher Qualität.  Das Layout ist gelungen, wenn auch etwas statisch. Rechtschreibfehler sind sehr selten. Das einzige Manko hier sind die sehr kleingedruckten Tabellen, doch im Forum der Sonnenfeste wurde das Problem bereits angesprochen und man hat auch prompt reagiert: Dem Sichtschirm ist ein Tabellenband mit größerer Schrift beigefügt, um Abhilfe zu schaffen.

 

Das Grundregelwerk gliedert sich in fünf Teile: Teil I „Einführung“, Teil II „Charaktererschaffung“, Teil III „Aktionen“, Teil IV „Das System der Welt“ und Teil V „Anhänge“. Die Einführung enthält einleitende Worte, erläutert einige Grundmechanismen, wie die verwendeten Würfel und was Rollenspiel ist, und stellt schonmal die kommenden Produkte vor und wie sie einzusetzen sind. „Rolemaster“ versteht sich als modulares System, wo man einzelnen Aspekten je nach persönlichem Geschmack mehr Detail verleihen kann. Das Grundregelwerk stellt dabei eine Einführung dar und einen Wegweiser durch die kommenden tiefergehenden Erweiterungen.

 

Teil II widmet sich der Charaktererschaffung, ein integraler Bestandteil eines jeden Rollenspieles. Zunächst werden die 10 Attribute Empathie, Intuition, Charisma, Reaktion, Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Gedächtnis, Logik und Selbstdisziplin als Zahlen zwischen 01 und 100 festgelegt, dies ist der temporäre Wert. Dem gegenüber gestellt ist der potenzielle Wert, der das absolute Entwicklungsmaximum des Attributs darstellt. Anschließend werden Volk und Beruf gewählt. Als Volk stehen Menschen, Hochmenschen, Waldelfen, Zwerge und Halblinge zur Verfügung. Als Berufe kann man zwischen Krieger, Dieb, Schurke, Magier, Kleriker, Mentalist, Waldläufer, Trickser und Barde wählen.

 

„Rolemaster“ ist ein auf Fertigkeiten basierendes System, fast alles – Magie, Kampf, Tätigkeiten – wird über Fertigkeitswürfe geregelt. Dementsprechend werden nun Fertigkeiten erworben, zunächst in Form von Jugendfertigkeiten, anschließend durch die Wahl von Berufsfertigkeiten. Die Kosten sind hierbei stark von dem gewählten Beruf abhängig, somit fällt es einem Krieger sehr leicht, Waffenfertigkeiten zu erwerben (geringe Punktkosten), und sehr schwer, Zauberei zu erlernen (hohe Kosten). Beim Magier verhält sich dieses dann andersherum. Erwähnenswert sind weiterhin die Ausbildungspakete, die entweder eine echte Ausbildung beispielsweise als Doktor oder Händler darstellen, oder sich aus den bei einem gepflegten Lebensstil erlernten Fähigkeiten ergibt. Diese Ausbildungspakete geben Ränge in Fertigkeiten, erlauben Attributssteigerungen und geben Startausrüstung.

 

Der Abschnitt Aktionen beschäftigt sich mit dem Task-Resolution-System von „Rolemaster“. Das Prinzip ist simpel: ein Wurf mit einem d%, also zwei zehnseitigen Würfeln, diesen je nach Situation modifizieren und das Resultat der Aktion auf der richtigen Tabelle nachschauen. So werden der Kampf, Fertigkeitswürfe und Magie abgehandelt. Der Teufel steckt aber wie immer im Detail, und hier beweist „Rolemaster“ sowohl seine Komplexität als auch seine Treue zum Rollenspielrealismus. Man findet so einige Tabellen mit anzuwendenden Modifikatoren. Dies sei an den Beispielen des Kampf- und des Magiesystems einmal exemplarisch ausgeführt.

 

Der Kampf besteht aus fünf Phasen: Zunächst müssen die Aktionen angesagt werden, anschließend wird die Initiative bestimmt. Handlungen können in der Blitzaktionsphase, der normalen Aktionsphase oder der Überlegtenaktionsphase ausgeführt werden. Insgesamt sind also bis zu drei Handlungen möglich, die insgesamt aber höchstens 100% (logischerweise) der Aktivität betragen dürfen. Ein Angriff wird mit einem nach oben offenen d%-Wurf geregelt, der durch den eigenen Offensivbonus und den Defensivbonus des Verteidigers modifiziert wird. Waffe, Waffenfertigkeit, aufgewendete Aktivität, Position gegenüber dem Gegner – all dies fließt in den Offensivbonus mit ein. Das Würfelergebnis wird dann auf einer der Schadenstabellen aus dem Anhang mit der Rüstungsklasse des Gegners gekreuzt und man erhält einen Schadenscode, bestehend aus Treffern und eventuell einem Buchstaben, der kritische Treffer anzeigt. Kritische Treffer werden nochmals auf separaten Tabellen gewürfelt. Auch wird einem die Verwendung eines auf Hexfeldern basierenden Miniaturensystems vorgestellt.

 

Es gibt drei Arten der Zauberei: Leitmagie, Essenzmagie und Mentalismus. Jeder sind verschiedene Listen zugeordnet, die man separat wie Fertigkeiten erlernen muss. Das Grundregelwerk bietet einem hier die schwachen Zaubersprüche von den Graden 1 bis 10 auf jeder Liste an. Jedoch wird bereits versprochen, dass die später erscheinenden Erweiterungsbände zu den Magiearten Spruchlisten mit Graden 1 bis 50 enthalten wird. Auch hier würfelt man, wenn man einen Spruch wirken will, mit dem d%, addiert Fertigkeitsrang und Modifikatoren auf und schaut auf der Tabelle nach, ob es geklappt hat und wie gut.

 

Teil IV „Das System der Welt“ handelt sehr knapp und mit Verweis auf das „Spielleiterhandbuch“ Themen wie magische Gegenstände, Tod und Heilung, Wirtschaftssysteme, Religionen, NSC und die Vergabe von Erfahrungspunkten ab. Alles in allem funktionieren die hier vorgestellten Mechanismen, sind aber sehr einfach. Man kann sicher sein, dass dieser Bereich noch in allem nötigen Detailreichtum dargestellt wird.

 

Teil V enthält die sehr wichtigen Anhänge, von genauen Fertigkeitsbeschreibungen, über Datenblätter für Volk und Beruf, bis hin zu Spruchlisten und Waffentabellen. Einige Passagen hätte ich eher im Regelabschnitt als in den Anhängen vermutet, aber nun gut, so sei es.

 

Das Grundregelwerk ist komplett und es lassen sich einige Spielabende damit bestreiten. Doch man merkt recht schnell, etwa an der geringen Auswahl an Völkern, an den Sprüchen, die nur bis Grad 10 reichen, sowie den häufigen Verweisen auf kommende Produkte, dass es noch mehr gibt. Und auch noch mehr geben muss, um Spieler und Spielleiter dauerhaft zu motivieren. Vor allen Dingen schmerzlich für den SL ist der Abschnitt „Monster“, der aus einer Doppelseite Wertetabellen besteht. Hier wird man wirklich auf den Kreaturenband angewiesen sein oder man lässt seine eigene Phantasie spielen. Entgegen aller Gerüchte spielt sich das System auch für „Rolemaster“-Einsteiger  flüssig und man muss weit weniger häufig nachschlagen, als man meint. Hilfreich ist es, wenn die Spieler ihre Waffen- und Kritische Schadenstabelle offen vor sich liegen haben. Die Charaktererschaffung ist ein etwa eineinhalb Stunden abgehandelt gewesen, und dies wird mit steigender Expertise sicherlich noch weniger.

 

Für wen ist nun „Rolemaster“? Nun, das Spiel legt schon einen gewissen Fokus auf ein realistisches Rollenspiel, Kämpfe sind hart, der Tod kommt schneller als gedacht – das Schadenssystem finde ich persönlich sehr charmant – und es gibt ein sehr ausdifferenziertes Fertigkeitensystem. Für den Wochenendmonsterschlachter ist es sicherlich nichts, der sollte zu „D&D“ greifen. Wer jedoch auf einen gemäßigten Machtanstieg und eine von der wertetechnischen Seite her logische Charakterentwicklung wert legt, der findet in „Rolemaster“ das, was er sucht. Für Neueinsteiger, die bereits Rollenspielerfahrung haben, ist das Spiel sehr gut geeignet. Durch klare Sprache und eine saubere Übersetzung gibt es keine Missverständnisse. Absolute Rollenspielanfänger könnten auf Schwierigkeiten stoßen, 12- oder 14-jährigen würde ich eher etwas anderes empfehlen.

 

Fazit: Die Sonnenfeste legt einen hervorragenden Start hin. „Rolemaster“ ist, manchem Gerücht zum Trotz, ein klasse Spiel mit Potenzial zur Langzeitmotivation. An der deutschen Übersetzung gibt es inhaltlich und optisch nicht viel zu bemängeln. Daher: Wer auf der Suche nach einem ausgefeilten und realistischen Fantasy-Rollenspiel ist, der kaufe „Rolemaster“!


Rolemaster
Grundregelwerk
Coleman Charlton, Peter Fenlon, Lucio Parrillo, Jason Engle
Sonnenfeste/13Mann Verlag 2007
ISBN: 978-3-9811718-0-8
288 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

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